sich ein Hauß, die Bäume tragen ihre schöne Früchte alljährlich, die Vögel loben ihren GOtt mit ihrem Gesang, die Schwalben wissen ihre Zeit, sie wissen wann der Sommer kommt: Die Ameisen samm- len bey schönem warmen Wetter auf den Tag der Noth, ein dummer Ochs kennet seinen Herrn, und ein Hund lauffet durch dick und dünn seinem Meister nach. Ach! und ich elender Mensch, was mach ich doch? Jch bin allein GOtt ungehorsam und widerspenstig, thue ihm alles zuwider: derowegen muß ich mich für allen Creaturen schämen, sie klagen mich als einen undanckbaren und Verdammnuß-würdigen Menschen an. Jch darff nicht um mich sehen, sondern muß meine Augen, wie ein armer, ausgeführter Missethäter, nidsich schlagen, weilen mich alles zu schanden macht, wo ich mich umsehe.
§. 15. Jn diesem Zustand will sich alsdann der Mensch selber helf-Und wei- len der Mensch sich selb- sten aus diesem E- lend nicht helffen kan. fen, und macht tausend Vorsätz ein ander Leben zu führen, greiffet zu diesem und jenem äusserlichen Mittel, probirt dieses und jenes, und meynet, er wolle es erzwingen; aber alles vergebens, je mehr er sich aus eigenen Kräfften bearbeitet, aus dieser schlammichten Gruben hinaus zu würcken, je tieffer sinckt er hinein. Je eyfferiger er seine böse Natur aus Eigenheit bezwingen will, je grimmiger und wilder sie wird. Je stärcker Moses aus Befehl GOttes bey einem in dem geistlichen Egypten sitzenden Menschen ansetzet, ihn in das himmlische Canaan zu führen, je mehr der höllische Pharao auf ihn zustürmet, und das Joch ihm nur desto unerträglicher machet, biß er endlich seine Sünden als ein höllisch Heer-Lager, in voller Schlacht-Ordnung vor sich stehen sihet; da dann aller Muth versinckt, und er an allen seinen eigenen Kräfften verzaget. Da, da lernet er aus eigener Erfahrung, daß das Zeugnuß GOttes wahrhafftig sey, da er zeuget, daß alles Fleisch in Sünden verfaulet, verdorret, vermoderet, und daß keine gute, heilige, Seel-erquickende Gedancken von dem natürlichen Men- schen kommen können. Das hat er auf diese Weise vom Vatter ge- hört und gelernet; darauf sagt er Ja und Amen: Ja es ist wahr, O HErr, es ist wahr; Jch sihe von meiner Jugend auf nichts als Sünd und Greuel in meinem gantzen Leben, welches ich, nur dich zu entun- ehren, angewendet, ich hätte wohl verdienet ein Gedenck-Säule dei- ner Rach zu werden. Wo soll ich mich dann hinwenden?
§. 16. Wann dann auf solche Weise der Sünder seine Augen al-So wen- det er sich zu JEsu. lenthalben hinwendet, so sihet er endlich einen aus tausenden, seinen
Goel
Evangelii JESU.
ſich ein Hauß, die Baͤume tragen ihre ſchoͤne Fruͤchte alljaͤhrlich, die Voͤgel loben ihren GOtt mit ihrem Geſang, die Schwalben wiſſen ihre Zeit, ſie wiſſen wann der Sommer kommt: Die Ameiſen ſamm- len bey ſchoͤnem warmen Wetter auf den Tag der Noth, ein dummer Ochs kennet ſeinen Herrn, und ein Hund lauffet durch dick und duͤnn ſeinem Meiſter nach. Ach! und ich elender Menſch, was mach ich doch? Jch bin allein GOtt ungehorſam und widerſpenſtig, thue ihm alles zuwider: derowegen muß ich mich fuͤr allen Creaturen ſchaͤmen, ſie klagen mich als einen undanckbaren und Verdammnuß-wuͤrdigen Menſchen an. Jch darff nicht um mich ſehen, ſondern muß meine Augen, wie ein armer, ausgefuͤhrter Miſſethaͤter, nidſich ſchlagen, weilen mich alles zu ſchanden macht, wo ich mich umſehe.
§. 15. Jn dieſem Zuſtand will ſich alsdann der Menſch ſelber helf-Und wei- len der Menſch ſich ſelb- ſten aus dieſem E- lend nicht helffen kan. fen, und macht tauſend Vorſaͤtz ein ander Leben zu fuͤhren, greiffet zu dieſem und jenem aͤuſſerlichen Mittel, probirt dieſes und jenes, und meynet, er wolle es erzwingen; aber alles vergebens, je mehr er ſich aus eigenen Kraͤfften bearbeitet, aus dieſer ſchlammichten Gruben hinaus zu wuͤrcken, je tieffer ſinckt er hinein. Je eyfferiger er ſeine boͤſe Natur aus Eigenheit bezwingen will, je grimmiger und wilder ſie wird. Je ſtaͤrcker Moſes aus Befehl GOttes bey einem in dem geiſtlichen Egypten ſitzenden Menſchen anſetzet, ihn in das himmliſche Canaan zu fuͤhren, je mehr der hoͤlliſche Pharao auf ihn zuſtuͤrmet, und das Joch ihm nur deſto unertraͤglicher machet, biß er endlich ſeine Suͤnden als ein hoͤlliſch Heer-Lager, in voller Schlacht-Ordnung vor ſich ſtehen ſihet; da dann aller Muth verſinckt, und er an allen ſeinen eigenen Kraͤfften verzaget. Da, da lernet er aus eigener Erfahrung, daß das Zeugnuß GOttes wahrhafftig ſey, da er zeuget, daß alles Fleiſch in Suͤnden verfaulet, verdorret, vermoderet, und daß keine gute, heilige, Seel-erquickende Gedancken von dem natuͤrlichen Men- ſchen kommen koͤnnen. Das hat er auf dieſe Weiſe vom Vatter ge- hoͤrt und gelernet; darauf ſagt er Ja und Amen: Ja es iſt wahr, O HErr, es iſt wahr; Jch ſihe von meiner Jugend auf nichts als Suͤnd und Greuel in meinem gantzen Leben, welches ich, nur dich zu entun- ehren, angewendet, ich haͤtte wohl verdienet ein Gedenck-Saͤule dei- ner Rach zu werden. Wo ſoll ich mich dann hinwenden?
§. 16. Wann dann auf ſolche Weiſe der Suͤnder ſeine Augen al-So wen- det er ſich zu JEſu. lenthalben hinwendet, ſo ſihet er endlich einen aus tauſenden, ſeinen
Goel
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Evangelii JESU.
ſich ein Hauß, die Baͤume tragen ihre ſchoͤne Fruͤchte alljaͤhrlich, die
Voͤgel loben ihren GOtt mit ihrem Geſang, die Schwalben wiſſen
ihre Zeit, ſie wiſſen wann der Sommer kommt: Die Ameiſen ſamm-
len bey ſchoͤnem warmen Wetter auf den Tag der Noth, ein dummer
Ochs kennet ſeinen Herrn, und ein Hund lauffet durch dick und duͤnn
ſeinem Meiſter nach. Ach! und ich elender Menſch, was mach ich
doch? Jch bin allein GOtt ungehorſam und widerſpenſtig, thue ihm
alles zuwider: derowegen muß ich mich fuͤr allen Creaturen ſchaͤmen,
ſie klagen mich als einen undanckbaren und Verdammnuß-wuͤrdigen
Menſchen an. Jch darff nicht um mich ſehen, ſondern muß meine
Augen, wie ein armer, ausgefuͤhrter Miſſethaͤter, nidſich ſchlagen,
weilen mich alles zu ſchanden macht, wo ich mich umſehe.
§. 15. Jn dieſem Zuſtand will ſich alsdann der Menſch ſelber helf-
fen, und macht tauſend Vorſaͤtz ein ander Leben zu fuͤhren, greiffet
zu dieſem und jenem aͤuſſerlichen Mittel, probirt dieſes und jenes, und
meynet, er wolle es erzwingen; aber alles vergebens, je mehr er ſich
aus eigenen Kraͤfften bearbeitet, aus dieſer ſchlammichten Gruben
hinaus zu wuͤrcken, je tieffer ſinckt er hinein. Je eyfferiger er ſeine
boͤſe Natur aus Eigenheit bezwingen will, je grimmiger und wilder
ſie wird. Je ſtaͤrcker Moſes aus Befehl GOttes bey einem in dem
geiſtlichen Egypten ſitzenden Menſchen anſetzet, ihn in das himmliſche
Canaan zu fuͤhren, je mehr der hoͤlliſche Pharao auf ihn zuſtuͤrmet, und
das Joch ihm nur deſto unertraͤglicher machet, biß er endlich ſeine
Suͤnden als ein hoͤlliſch Heer-Lager, in voller Schlacht-Ordnung vor
ſich ſtehen ſihet; da dann aller Muth verſinckt, und er an allen ſeinen
eigenen Kraͤfften verzaget. Da, da lernet er aus eigener Erfahrung,
daß das Zeugnuß GOttes wahrhafftig ſey, da er zeuget, daß alles
Fleiſch in Suͤnden verfaulet, verdorret, vermoderet, und daß keine
gute, heilige, Seel-erquickende Gedancken von dem natuͤrlichen Men-
ſchen kommen koͤnnen. Das hat er auf dieſe Weiſe vom Vatter ge-
hoͤrt und gelernet; darauf ſagt er Ja und Amen: Ja es iſt wahr, O
HErr, es iſt wahr; Jch ſihe von meiner Jugend auf nichts als Suͤnd
und Greuel in meinem gantzen Leben, welches ich, nur dich zu entun-
ehren, angewendet, ich haͤtte wohl verdienet ein Gedenck-Saͤule dei-
ner Rach zu werden. Wo ſoll ich mich dann hinwenden?
Und wei-
len der
Menſch
ſich ſelb-
ſten aus
dieſem E-
lend nicht
helffen
kan.
§. 16. Wann dann auf ſolche Weiſe der Suͤnder ſeine Augen al-
lenthalben hinwendet, ſo ſihet er endlich einen aus tauſenden, ſeinen
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/119>, abgerufen am 21.11.2024.
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