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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Labsal in Trübsal.
alten Menschen seye als der freundliche, liebliche und erwünschte
Tod und allerseeligste Untergang: Dieses ist die grausame Klufft:
über welche die Seel springen oder fahren muß, wann sie zu Chri-
sto hinüber will: einmahlen muß sie von ihren jähen und schroffichten
Oertern hinunter, ehe sie das anmuthige Frucht-Gebürg des Hey-
lands zu ersteigen gedencke: Die gantze Welt trucket offt ein Hertz,
und hindert es am Kommen zu Christo; Wer es aber lustig wagte
allen Vernünffteleyen des Fleisches muthig abzusterben; der würde
dadurch eben so leicht als eine trockene Feder, die ein leichtes Gna-
den-Lüfftlein zu Christo hinwehete über die gantze Welt hinüber; Wer
zu JEsu will, wird erfahren, daß sehr vieles im Weg liege; Wel-
ches sich mehret oder mindert, nach dem der Mensch träg oder em-
sig ist im Kommen zu Christo; Seelig, wer auf einmahl in GOtt
dermassen verliebt wird, daß es ihme nicht anders ist, als seye er
nicht, noch die gantze Welt, daß er ihm seyn laßt; Es seye nichts,
als GOTT allein; der fühlet Christum bald, wie nahe er seye und
wird von ihme hertzlichst aufgenommen; Das hat Paulus erfahren,
nachdem er diesen heroischen Sprung in das wunderbare Nichts
gethan hat. Aber er hat zu mir gesagt: Laß dir an meiner Gnade
genügen, dann meine Krafft wird durch Schwachheit vollführet.
Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachhei-
ten, auf daß mich die Krafft Christi überschatte. Darum hab ich
Wohlgefallen an den Schwachheiten, an Schmachen, an Nöthen,
an Verfolgungen, an Aengsten um Christi willen. Dann wann
ich schwach bin, alsdann bin ich starck. 2 Cor. 12, 9. 10.

Je mehrere öffters wiederhohlte Begierde du nach Christo hast,
je näher trittest du der Seeligkeit, ist aber deiner Seelen Verlan-
gen unverruckt zu GOTT ausgestrecket, so wandelst du zu Christo
und legest täglich ein gut Stuck Wegs zuruck, biß du mit ihme bist
und mit ihme sammlest a.

§. 7. (5.) Daß eben dieses viel abhalte von der höchst-seeligenWelche
Mühe
aber viel
von der
Vereini-
gung mit
Christo
abhaltet.

Vereinigung mit Christo, weilen so wenige Mühseelige und Bela-
dene sind; Es ist der Natur zu langweilig und zu verdrießlich an
sein geistlich Elend zu gedencken; Es ist manchem nicht gar zu übel
in der Sünd, darum ist des Ringens und Tringens nicht viel durch

alles
a Luc. XI. 23.
B b b b b b b 2

Labſal in Truͤbſal.
alten Menſchen ſeye als der freundliche, liebliche und erwuͤnſchte
Tod und allerſeeligſte Untergang: Dieſes iſt die grauſame Klufft:
uͤber welche die Seel ſpringen oder fahren muß, wann ſie zu Chri-
ſto hinuͤber will: einmahlen muß ſie von ihren jaͤhen und ſchroffichten
Oertern hinunter, ehe ſie das anmuthige Frucht-Gebuͤrg des Hey-
lands zu erſteigen gedencke: Die gantze Welt trucket offt ein Hertz,
und hindert es am Kommen zu Chriſto; Wer es aber luſtig wagte
allen Vernuͤnffteleyen des Fleiſches muthig abzuſterben; der wuͤrde
dadurch eben ſo leicht als eine trockene Feder, die ein leichtes Gna-
den-Luͤfftlein zu Chriſto hinwehete uͤber die gantze Welt hinuͤber; Wer
zu JEſu will, wird erfahren, daß ſehr vieles im Weg liege; Wel-
ches ſich mehret oder mindert, nach dem der Menſch traͤg oder em-
ſig iſt im Kommen zu Chriſto; Seelig, wer auf einmahl in GOtt
dermaſſen verliebt wird, daß es ihme nicht anders iſt, als ſeye er
nicht, noch die gantze Welt, daß er ihm ſeyn laßt; Es ſeye nichts,
als GOTT allein; der fuͤhlet Chriſtum bald, wie nahe er ſeye und
wird von ihme hertzlichſt aufgenommen; Das hat Paulus erfahren,
nachdem er dieſen heroiſchen Sprung in das wunderbare Nichts
gethan hat. Aber er hat zu mir geſagt: Laß dir an meiner Gnade
genuͤgen, dann meine Krafft wird durch Schwachheit vollfuͤhret.
Darum will ich mich am allerliebſten ruͤhmen meiner Schwachhei-
ten, auf daß mich die Krafft Chriſti uͤberſchatte. Darum hab ich
Wohlgefallen an den Schwachheiten, an Schmachen, an Noͤthen,
an Verfolgungen, an Aengſten um Chriſti willen. Dann wann
ich ſchwach bin, alsdann bin ich ſtarck. 2 Cor. 12, 9. 10.

Je mehrere oͤffters wiederhohlte Begierde du nach Chriſto haſt,
je naͤher tritteſt du der Seeligkeit, iſt aber deiner Seelen Verlan-
gen unverruckt zu GOTT ausgeſtrecket, ſo wandelſt du zu Chriſto
und legeſt taͤglich ein gut Stuck Wegs zuruck, biß du mit ihme biſt
und mit ihme ſammleſt a.

§. 7. (5.) Daß eben dieſes viel abhalte von der hoͤchſt-ſeeligenWelche
Muͤhe
aber viel
von der
Vereini-
gung mit
Chriſto
abhaltet.

Vereinigung mit Chriſto, weilen ſo wenige Muͤhſeelige und Bela-
dene ſind; Es iſt der Natur zu langweilig und zu verdrießlich an
ſein geiſtlich Elend zu gedencken; Es iſt manchem nicht gar zu uͤbel
in der Suͤnd, darum iſt des Ringens und Tringens nicht viel durch

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a Luc. XI. 23.
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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1211>, abgerufen am 28.07.2024.