fäß ist, das fliesset daraus, weß das Hertz voll ist, dessen gehet der Mund über: Wer dörffte vorgeben, es seye köstlicher Wein oder Honig in einem Faß, daraus gleichwohl nur faules Wasser, Galle und Eßig lauffet! Was rühmest du dich der Liebe Christi, so doch dein Hertz nicht mit ihme ist und du seine Gebotte nicht bewahrest! Wie glaubest du ewige Seeligkeit durch ihne zu haben, so lang dir die geringste Wiederlichkeit so tieff zu Hertzen gehet, wo man dir widerspricht, oder etwas abschlagt, es dich kränckt, und wo man dir die erwartete Ehre und Liebe nicht erzeigt, es dir gleich so wehe thut.
§. 9. Einw. Freylich erkenne ich mich vor einen armen beschwertenDie Kenn- zeichen woran man die- ses erken- nen kan. Sünder, so wohl als andere!
Antw. Aber worunter und worüber bist du beschwehret: Jsts über deinen Unglauben, Geitz, irrdischen lieblosen Sinn etc. macht dir das eine peinliche Mühe, daß du noch so empfindlich bist, wann du von einem Weisern und Frömmern zu Schanden gemacht wirst, wann sich ein anderer mit mehrerer Erfahrenheit und Gottesforcht hervor thut, dir vorgezogen wird, mithin deine Blindheit an Tag kommt, und dein innwendig Seelen-Elend entdeckt wird: Wimselest und kla- gest du im Verborgen vor GOTT darüber, daß du so gleich un- wirsch wirst, wo du merckest, daß man deiner spotte oder sonst einen Argwohn auf dich habe? Wimmerst du darum vor Christo um sei- nen Gnaden-Balsam, weilen du siehest, wie dich der geringste Schmertz, Schade, Unrecht, Widerspruch oder anderer Zufall an deiner Freymüthigkeit, Ruhe oder Frieden stöhren kan, wie wenig man dich über diese Ding bestraffet oder tadelt, du flucks sehr bemü- het bist jedermann begreiffen zu machen, wie weit dir überschehe? Schmertzets dich im innersten, daß jede Kleinigkeit die Liebe zum Nechsten, wo nicht gar ausblasen, doch verfinstern und schwächen kan? Thuts dir wehe, daß noch so viel heimliches Neids da ist wider andere, die gütlicher gehalten und mildiglicher von GOtt beschencket werden; Wie die Arbeiter im Weinberg erst am Feyrabend, ja bey Austhei- lung des Lohns so jämmerlich zu Schanden worden, nachdem sie gleichwohl des Tages Last und Hitz getragen hatten, anbey aber das Schlangen-Nest des verborgenen Groll-sichtigen Neids auszuraumen vergessen; Bist du deswegen mit ängstlicher Sorg beschwehret, es möchte dir zuletzt eben also ergehen; Du in einem unbekannten Sün- den-Flecken vom Tod ertappet, und vor das erzitterliche Gericht
GOttes
C c c c c c c 2
Labſal in Truͤbſal.
faͤß iſt, das flieſſet daraus, weß das Hertz voll iſt, deſſen gehet der Mund uͤber: Wer doͤrffte vorgeben, es ſeye koͤſtlicher Wein oder Honig in einem Faß, daraus gleichwohl nur faules Waſſer, Galle und Eßig lauffet! Was ruͤhmeſt du dich der Liebe Chriſti, ſo doch dein Hertz nicht mit ihme iſt und du ſeine Gebotte nicht bewahreſt! Wie glaubeſt du ewige Seeligkeit durch ihne zu haben, ſo lang dir die geringſte Wiederlichkeit ſo tieff zu Hertzen gehet, wo man dir widerſpricht, oder etwas abſchlagt, es dich kraͤnckt, und wo man dir die erwartete Ehre und Liebe nicht erzeigt, es dir gleich ſo wehe thut.
§. 9. Einw. Freylich erkenne ich mich vor einen armen beſchwertenDie Kenn- zeichen woran man die- ſes erken- nen kan. Suͤnder, ſo wohl als andere!
Antw. Aber worunter und woruͤber biſt du beſchwehret: Jſts uͤber deinen Unglauben, Geitz, irrdiſchen liebloſen Sinn ꝛc. macht dir das eine peinliche Muͤhe, daß du noch ſo empfindlich biſt, wann du von einem Weiſern und Froͤmmern zu Schanden gemacht wirſt, wann ſich ein anderer mit mehrerer Erfahrenheit und Gottesforcht hervor thut, dir vorgezogen wird, mithin deine Blindheit an Tag kommt, und dein innwendig Seelen-Elend entdeckt wird: Wimſeleſt und kla- geſt du im Verborgen vor GOTT daruͤber, daß du ſo gleich un- wirſch wirſt, wo du merckeſt, daß man deiner ſpotte oder ſonſt einen Argwohn auf dich habe? Wimmerſt du darum vor Chriſto um ſei- nen Gnaden-Balſam, weilen du ſieheſt, wie dich der geringſte Schmertz, Schade, Unrecht, Widerſpruch oder anderer Zufall an deiner Freymuͤthigkeit, Ruhe oder Frieden ſtoͤhren kan, wie wenig man dich uͤber dieſe Ding beſtraffet oder tadelt, du flucks ſehr bemuͤ- het biſt jedermann begreiffen zu machen, wie weit dir uͤberſchehe? Schmertzets dich im innerſten, daß jede Kleinigkeit die Liebe zum Nechſten, wo nicht gar ausblaſen, doch verfinſtern und ſchwaͤchen kan? Thuts dir wehe, daß noch ſo viel heimliches Neids da iſt wider andere, die guͤtlicher gehalten und mildiglicher von GOtt beſchencket werden; Wie die Arbeiter im Weinberg erſt am Feyrabend, ja bey Austhei- lung des Lohns ſo jaͤmmerlich zu Schanden worden, nachdem ſie gleichwohl des Tages Laſt und Hitz getragen hatten, anbey aber das Schlangen-Neſt des verborgenen Groll-ſichtigen Neids auszuraumen vergeſſen; Biſt du deswegen mit aͤngſtlicher Sorg beſchwehret, es moͤchte dir zuletzt eben alſo ergehen; Du in einem unbekannten Suͤn- den-Flecken vom Tod ertappet, und vor das erzitterliche Gericht
GOttes
C c c c c c c 2
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Labſal in Truͤbſal.
faͤß iſt, das flieſſet daraus, weß das Hertz voll iſt, deſſen gehet der
Mund uͤber: Wer doͤrffte vorgeben, es ſeye koͤſtlicher Wein oder
Honig in einem Faß, daraus gleichwohl nur faules Waſſer, Galle
und Eßig lauffet! Was ruͤhmeſt du dich der Liebe Chriſti, ſo doch
dein Hertz nicht mit ihme iſt und du ſeine Gebotte nicht bewahreſt!
Wie glaubeſt du ewige Seeligkeit durch ihne zu haben, ſo lang dir
die geringſte Wiederlichkeit ſo tieff zu Hertzen gehet, wo man dir
widerſpricht, oder etwas abſchlagt, es dich kraͤnckt, und wo man dir
die erwartete Ehre und Liebe nicht erzeigt, es dir gleich ſo wehe thut.
§. 9. Einw. Freylich erkenne ich mich vor einen armen beſchwerten
Suͤnder, ſo wohl als andere!
Die Kenn-
zeichen
woran
man die-
ſes erken-
nen kan.
Antw. Aber worunter und woruͤber biſt du beſchwehret: Jſts uͤber
deinen Unglauben, Geitz, irrdiſchen liebloſen Sinn ꝛc. macht dir das
eine peinliche Muͤhe, daß du noch ſo empfindlich biſt, wann du von
einem Weiſern und Froͤmmern zu Schanden gemacht wirſt, wann
ſich ein anderer mit mehrerer Erfahrenheit und Gottesforcht hervor
thut, dir vorgezogen wird, mithin deine Blindheit an Tag kommt,
und dein innwendig Seelen-Elend entdeckt wird: Wimſeleſt und kla-
geſt du im Verborgen vor GOTT daruͤber, daß du ſo gleich un-
wirſch wirſt, wo du merckeſt, daß man deiner ſpotte oder ſonſt einen
Argwohn auf dich habe? Wimmerſt du darum vor Chriſto um ſei-
nen Gnaden-Balſam, weilen du ſieheſt, wie dich der geringſte
Schmertz, Schade, Unrecht, Widerſpruch oder anderer Zufall an
deiner Freymuͤthigkeit, Ruhe oder Frieden ſtoͤhren kan, wie wenig
man dich uͤber dieſe Ding beſtraffet oder tadelt, du flucks ſehr bemuͤ-
het biſt jedermann begreiffen zu machen, wie weit dir uͤberſchehe?
Schmertzets dich im innerſten, daß jede Kleinigkeit die Liebe zum
Nechſten, wo nicht gar ausblaſen, doch verfinſtern und ſchwaͤchen kan?
Thuts dir wehe, daß noch ſo viel heimliches Neids da iſt wider andere,
die guͤtlicher gehalten und mildiglicher von GOtt beſchencket werden;
Wie die Arbeiter im Weinberg erſt am Feyrabend, ja bey Austhei-
lung des Lohns ſo jaͤmmerlich zu Schanden worden, nachdem ſie
gleichwohl des Tages Laſt und Hitz getragen hatten, anbey aber das
Schlangen-Neſt des verborgenen Groll-ſichtigen Neids auszuraumen
vergeſſen; Biſt du deswegen mit aͤngſtlicher Sorg beſchwehret, es
moͤchte dir zuletzt eben alſo ergehen; Du in einem unbekannten Suͤn-
den-Flecken vom Tod ertappet, und vor das erzitterliche Gericht
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1219>, abgerufen am 22.11.2024.
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