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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Evangelii JESU.

§. 7. Zweytens sehen wir, welches der Zweck seye aller WegenZweyte
Lehr,
die
Mitthei-
lung der
Seeligkeit
der Zweck
aller We-
gen GOt-
tes.

GOttes: Nemlich, daß Christus ein Reich habe, daß Jhme Kin-
der gebohren werden, wie der Thau aus der Morgenröthe
a/
welche hiemit zu Jhme als der Mutter kommen müssen. Und das
ist die gantze Summa unserer Seligkeit, nemlich; daß uns der Vat-
ter Christo seinem Sohn im ewigen Friedens-Rath geschencket hat,
daß wir zu Jhme dem Sohn kommen, und Er uns alsdann das
ewige Leben gebe; dann so müssen endlich alle widerwärtige Reich
gäntzlich zerstöret und Christo sammt seiner Braut alles unterworf-
fen werden. Das ist der Welt und deren Schöpffung Haupt-
Zweck den GOTT von Ewigkeit gefaßt, und zu dem Er alles biß
dahin geleitet, nemlich die Offenbahrung der Herrlichkeit und Ma-
jestät GOttes, samt seinen heiligen Eigenschafften in dem Sohn.
Und in diesem Kommen zu JESU bestehet alle wahre Frommkeit.
Alle Frommkeit, welche von dem Menschen gesagt wird, ist eigent-
lich eine Widerkehrung zu nennen, sintemalen der Mensch so ge-
artet, daß er vor seinem Schöpffer fliehe.

§. 8. Sehen wir hieraus, welches der gröste Fehler in unsermDritte
Lehr,
das
Nichtkom-
men zu
JEsu, ist
der gröste
Fehler im
Christen-
thum.

Christenthum seye, daß man bey so vielen Predigten, bey immer-
währendem Lernen nimmer zur Erkanntnuß der Wahrheit kommet.
Weil man zufrieden ist, wann man etwas gutes von den Menschen
gehöret, oder in Büchern gelesen, aber noch nicht einmal weißt,
was das seye: Den Heiligen Geist vom Vatter empfangen. Da-
rum kommen so wunderwenig zu Christo, dieweil es wenigen vom
Vatter gegeben ist, indeme sehr wenig mit dem Hertzen zu Jhme
nahen, noch viel weniger das, was GOTT zur Seligkeit gibet,
beständig und gründlich verlangen. Wann ein König seinem Un-
terthan ein kostbar Geschenck verehren will, so muß sich der Unter-
than gegen seinem König umwenden, allen vorigen Dingen den
Rücken kehren, sich herbey machen, und dasjenige, was angebot-
ten worden, gantz begierig annemmen, ob es schon in harten Creutz-
Schalen eingewickelt. Der Vatter, der König der Ehren, gibet
uns seinen Sohn, das allerkostbarste Geschenck, und mit Jhme al-
les, was dieser sein Sohn hat. Allein dieser JEsus ist an dem
Creutz anzutreffen, mit Dornen gecrönet, und an Händen und Füs-
sen mit Nägeln hart angehefftet, unter einem Hauffen roher Sol-
daten.

§. 9. Wann
a Psalm. XC. 3.
Evangelii JESU.

§. 7. Zweytens ſehen wir, welches der Zweck ſeye aller WegenZweyte
Lehr,
die
Mitthei-
lung der
Seeligkeit
der Zweck
aller We-
gen GOt-
tes.

GOttes: Nemlich, daß Chriſtus ein Reich habe, daß Jhme Kin-
der gebohren werden, wie der Thau aus der Morgenroͤthe
a/
welche hiemit zu Jhme als der Mutter kommen muͤſſen. Und das
iſt die gantze Summa unſerer Seligkeit, nemlich; daß uns der Vat-
ter Chriſto ſeinem Sohn im ewigen Friedens-Rath geſchencket hat,
daß wir zu Jhme dem Sohn kommen, und Er uns alsdann das
ewige Leben gebe; dann ſo muͤſſen endlich alle widerwaͤrtige Reich
gaͤntzlich zerſtoͤret und Chriſto ſammt ſeiner Braut alles unterworf-
fen werden. Das iſt der Welt und deren Schoͤpffung Haupt-
Zweck den GOTT von Ewigkeit gefaßt, und zu dem Er alles biß
dahin geleitet, nemlich die Offenbahrung der Herrlichkeit und Ma-
jeſtaͤt GOttes, ſamt ſeinen heiligen Eigenſchafften in dem Sohn.
Und in dieſem Kommen zu JESU beſtehet alle wahre Frommkeit.
Alle Frommkeit, welche von dem Menſchen geſagt wird, iſt eigent-
lich eine Widerkehrung zu nennen, ſintemalen der Menſch ſo ge-
artet, daß er vor ſeinem Schoͤpffer fliehe.

§. 8. Sehen wir hieraus, welches der groͤſte Fehler in unſermDritte
Lehr,
das
Nichtkom-
men zu
JEſu, iſt
der groͤſte
Fehler im
Chriſten-
thum.

Chriſtenthum ſeye, daß man bey ſo vielen Predigten, bey immer-
waͤhrendem Lernen nimmer zur Erkanntnuß der Wahrheit kommet.
Weil man zufrieden iſt, wann man etwas gutes von den Menſchen
gehoͤret, oder in Buͤchern geleſen, aber noch nicht einmal weißt,
was das ſeye: Den Heiligen Geiſt vom Vatter empfangen. Da-
rum kommen ſo wunderwenig zu Chriſto, dieweil es wenigen vom
Vatter gegeben iſt, indeme ſehr wenig mit dem Hertzen zu Jhme
nahen, noch viel weniger das, was GOTT zur Seligkeit gibet,
beſtaͤndig und gruͤndlich verlangen. Wann ein Koͤnig ſeinem Un-
terthan ein koſtbar Geſchenck verehren will, ſo muß ſich der Unter-
than gegen ſeinem Koͤnig umwenden, allen vorigen Dingen den
Ruͤcken kehren, ſich herbey machen, und dasjenige, was angebot-
ten worden, gantz begierig annemmen, ob es ſchon in harten Creutz-
Schalen eingewickelt. Der Vatter, der Koͤnig der Ehren, gibet
uns ſeinen Sohn, das allerkoſtbarſte Geſchenck, und mit Jhme al-
les, was dieſer ſein Sohn hat. Allein dieſer JEſus iſt an dem
Creutz anzutreffen, mit Dornen gecroͤnet, und an Haͤnden und Fuͤſ-
ſen mit Naͤgeln hart angehefftet, unter einem Hauffen roher Sol-
daten.

§. 9. Wann
a Pſalm. XC. 3.
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[31/0127] Evangelii JESU. §. 7. Zweytens ſehen wir, welches der Zweck ſeye aller Wegen GOttes: Nemlich, daß Chriſtus ein Reich habe, daß Jhme Kin- der gebohren werden, wie der Thau aus der Morgenroͤthe a/ welche hiemit zu Jhme als der Mutter kommen muͤſſen. Und das iſt die gantze Summa unſerer Seligkeit, nemlich; daß uns der Vat- ter Chriſto ſeinem Sohn im ewigen Friedens-Rath geſchencket hat, daß wir zu Jhme dem Sohn kommen, und Er uns alsdann das ewige Leben gebe; dann ſo muͤſſen endlich alle widerwaͤrtige Reich gaͤntzlich zerſtoͤret und Chriſto ſammt ſeiner Braut alles unterworf- fen werden. Das iſt der Welt und deren Schoͤpffung Haupt- Zweck den GOTT von Ewigkeit gefaßt, und zu dem Er alles biß dahin geleitet, nemlich die Offenbahrung der Herrlichkeit und Ma- jeſtaͤt GOttes, ſamt ſeinen heiligen Eigenſchafften in dem Sohn. Und in dieſem Kommen zu JESU beſtehet alle wahre Frommkeit. Alle Frommkeit, welche von dem Menſchen geſagt wird, iſt eigent- lich eine Widerkehrung zu nennen, ſintemalen der Menſch ſo ge- artet, daß er vor ſeinem Schoͤpffer fliehe. Zweyte Lehr, die Mitthei- lung der Seeligkeit der Zweck aller We- gen GOt- tes. §. 8. Sehen wir hieraus, welches der groͤſte Fehler in unſerm Chriſtenthum ſeye, daß man bey ſo vielen Predigten, bey immer- waͤhrendem Lernen nimmer zur Erkanntnuß der Wahrheit kommet. Weil man zufrieden iſt, wann man etwas gutes von den Menſchen gehoͤret, oder in Buͤchern geleſen, aber noch nicht einmal weißt, was das ſeye: Den Heiligen Geiſt vom Vatter empfangen. Da- rum kommen ſo wunderwenig zu Chriſto, dieweil es wenigen vom Vatter gegeben iſt, indeme ſehr wenig mit dem Hertzen zu Jhme nahen, noch viel weniger das, was GOTT zur Seligkeit gibet, beſtaͤndig und gruͤndlich verlangen. Wann ein Koͤnig ſeinem Un- terthan ein koſtbar Geſchenck verehren will, ſo muß ſich der Unter- than gegen ſeinem Koͤnig umwenden, allen vorigen Dingen den Ruͤcken kehren, ſich herbey machen, und dasjenige, was angebot- ten worden, gantz begierig annemmen, ob es ſchon in harten Creutz- Schalen eingewickelt. Der Vatter, der Koͤnig der Ehren, gibet uns ſeinen Sohn, das allerkoſtbarſte Geſchenck, und mit Jhme al- les, was dieſer ſein Sohn hat. Allein dieſer JEſus iſt an dem Creutz anzutreffen, mit Dornen gecroͤnet, und an Haͤnden und Fuͤſ- ſen mit Naͤgeln hart angehefftet, unter einem Hauffen roher Sol- daten. Dritte Lehr, das Nichtkom- men zu JEſu, iſt der groͤſte Fehler im Chriſten- thum. §. 9. Wann a Pſalm. XC. 3.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/127>, abgerufen am 21.11.2024.