kommen könnte; Ein solcher nun ist ja nicht selig, dann es ist ihm sein Lebtag niemalen so übel zu muth gewesen: Er stehet da wie ein verklagter Ubelthäter vor GOttes Gericht, und heißt immer: Du hast das und das gethan, du kansts nicht läugnen, hinunter mit dir in die Hölle, JEsus will deiner nichts, du hast es zu grob gemacht, er wird sein heilig Blut nicht an dich wenden; Da ist er wie ein armer krancker, stinckender Bettler vor eines reichen Herrn Thür, dem er viel Zeit und Gaben verderbt, und darzu noch nicht weißt, wie der HERR solche Beleidigung aufnehmen werde; Er stehet da zitterend, wie die Brüder Josephs, und weißt noch zur Zeit nicht, wie er mit JESU daran ist, dann sein Gewissen haltet ihm vor viel böser Stück, welche er wider ihn begangen, wie untreu er an ihm gewesen, und ihne nicht nur einmahl, sondern unzehlich vie- le tausend mahl, verkaufft habe um die wüste Sünd, und ist es al- so am Gerathwohl, und stehet ein solcher in der grösten Ungewiß- heit, wie es endlich mit ihm werde ablauffen.
Dieses recht zu verstehen, so halte entgegen die Wort bey Jere- mia: Kehret um ihr abtrünnige Kinder/ so will ich euch heylen von euerm Abfalla; Da ist eben das Beding, wendet euch zu mir, und eben die Verheissung, und werdet selig; Das erste ist Bekeh- rung, das andere Heiligung; der Unterscheid zwischen diesen bey- den ist dieser: daß einer, der noch nur in der Bekehrung stehet, sich arm, kranck, verdorben, verlohren, tod, boßhafft, unkeusch, unrein, betrübt, unfriedsam, hoffärtig, stoltz, verächtig, stör- risch, hartmüthig, unbarmhertzig, ungedultig, unleidig, bitter, unfreundlich, karg, und aller Sünden voll, ja vermaledeyet erken- net, dann es ist keine Leibes-Frucht von Natur gebenedeyet, als das Jungfrauen-Kind JESUS, der den Sünderen zu helffen kommen ist, und ein Fluch worden um unsert willen, auf daß GOt- tes Verheissung wahr würde an uns.
Nun ein solcher elender Wurm höret dann aus dem Evangelio, daß ein solcher Helffer zu finden seye; diesen suchet er immer ernst- licher, wohl sehende, daß er aller Dingen auf der Welt ehender entrathen könnte, als dieses Helffers. Findet er ihn, so wirfft er sich zu seinen Füssen; ja wann der Glaube gestärcket ist, gar in sei- ne Schooß und Armen, und heißt bey ihm:
Mein
aJer. III. 22.
Geiſtliche Sonnen-Wende
kommen koͤnnte; Ein ſolcher nun iſt ja nicht ſelig, dann es iſt ihm ſein Lebtag niemalen ſo uͤbel zu muth geweſen: Er ſtehet da wie ein verklagter Ubelthaͤter vor GOttes Gericht, und heißt immer: Du haſt das und das gethan, du kanſts nicht laͤugnen, hinunter mit dir in die Hoͤlle, JEſus will deiner nichts, du haſt es zu grob gemacht, er wird ſein heilig Blut nicht an dich wenden; Da iſt er wie ein armer krancker, ſtinckender Bettler vor eines reichen Herrn Thuͤr, dem er viel Zeit und Gaben verderbt, und darzu noch nicht weißt, wie der HERR ſolche Beleidigung aufnehmen werde; Er ſtehet da zitterend, wie die Bruͤder Joſephs, und weißt noch zur Zeit nicht, wie er mit JESU daran iſt, dann ſein Gewiſſen haltet ihm vor viel boͤſer Stuͤck, welche er wider ihn begangen, wie untreu er an ihm geweſen, und ihne nicht nur einmahl, ſondern unzehlich vie- le tauſend mahl, verkaufft habe um die wuͤſte Suͤnd, und iſt es al- ſo am Gerathwohl, und ſtehet ein ſolcher in der groͤſten Ungewiß- heit, wie es endlich mit ihm werde ablauffen.
Dieſes recht zu verſtehen, ſo halte entgegen die Wort bey Jere- mia: Kehret um ihr abtruͤnnige Kinder/ ſo will ich euch heylen von euerm Abfalla; Da iſt eben das Beding, wendet euch zu mir, und eben die Verheiſſung, und werdet ſelig; Das erſte iſt Bekeh- rung, das andere Heiligung; der Unterſcheid zwiſchen dieſen bey- den iſt dieſer: daß einer, der noch nur in der Bekehrung ſtehet, ſich arm, kranck, verdorben, verlohren, tod, boßhafft, unkeuſch, unrein, betruͤbt, unfriedſam, hoffaͤrtig, ſtoltz, veraͤchtig, ſtoͤr- riſch, hartmuͤthig, unbarmhertzig, ungedultig, unleidig, bitter, unfreundlich, karg, und aller Suͤnden voll, ja vermaledeyet erken- net, dann es iſt keine Leibes-Frucht von Natur gebenedeyet, als das Jungfrauen-Kind JESUS, der den Suͤnderen zu helffen kommen iſt, und ein Fluch worden um unſert willen, auf daß GOt- tes Verheiſſung wahr wuͤrde an uns.
Nun ein ſolcher elender Wurm hoͤret dann aus dem Evangelio, daß ein ſolcher Helffer zu finden ſeye; dieſen ſuchet er immer ernſt- licher, wohl ſehende, daß er aller Dingen auf der Welt ehender entrathen koͤnnte, als dieſes Helffers. Findet er ihn, ſo wirfft er ſich zu ſeinen Fuͤſſen; ja wann der Glaube geſtaͤrcket iſt, gar in ſei- ne Schooß und Armen, und heißt bey ihm:
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Geiſtliche Sonnen-Wende
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ſein Lebtag niemalen ſo uͤbel zu muth geweſen: Er ſtehet da wie ein
verklagter Ubelthaͤter vor GOttes Gericht, und heißt immer: Du
haſt das und das gethan, du kanſts nicht laͤugnen, hinunter mit dir
in die Hoͤlle, JEſus will deiner nichts, du haſt es zu grob gemacht,
er wird ſein heilig Blut nicht an dich wenden; Da iſt er wie ein
armer krancker, ſtinckender Bettler vor eines reichen Herrn Thuͤr,
dem er viel Zeit und Gaben verderbt, und darzu noch nicht weißt,
wie der HERR ſolche Beleidigung aufnehmen werde; Er ſtehet
da zitterend, wie die Bruͤder Joſephs, und weißt noch zur Zeit
nicht, wie er mit JESU daran iſt, dann ſein Gewiſſen haltet ihm
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an ihm geweſen, und ihne nicht nur einmahl, ſondern unzehlich vie-
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den iſt dieſer: daß einer, der noch nur in der Bekehrung ſtehet,
ſich arm, kranck, verdorben, verlohren, tod, boßhafft, unkeuſch,
unrein, betruͤbt, unfriedſam, hoffaͤrtig, ſtoltz, veraͤchtig, ſtoͤr-
riſch, hartmuͤthig, unbarmhertzig, ungedultig, unleidig, bitter,
unfreundlich, karg, und aller Suͤnden voll, ja vermaledeyet erken-
net, dann es iſt keine Leibes-Frucht von Natur gebenedeyet, als
das Jungfrauen-Kind JESUS, der den Suͤnderen zu helffen
kommen iſt, und ein Fluch worden um unſert willen, auf daß GOt-
tes Verheiſſung wahr wuͤrde an uns.
Nun ein ſolcher elender Wurm hoͤret dann aus dem Evangelio,
daß ein ſolcher Helffer zu finden ſeye; dieſen ſuchet er immer ernſt-
licher, wohl ſehende, daß er aller Dingen auf der Welt ehender
entrathen koͤnnte, als dieſes Helffers. Findet er ihn, ſo wirfft er
ſich zu ſeinen Fuͤſſen; ja wann der Glaube geſtaͤrcket iſt, gar in ſei-
ne Schooß und Armen, und heißt bey ihm:
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a Jer. III. 22.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/200>, abgerufen am 21.11.2024.
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