Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
Der geistliche Frühling.

§. 3. Das ächtzen und girren der Turtel-Tauben; Solchen See-Das Gir-
ren der
Turtel-
Tauben
den ein-
und ge-
meinsa-
men Um-
gang mit
JESU.

len ist der viele Umgang mit Menschen verdrießlich, sie sind lieber ein-
sam bey ihrem JEsu und diese sind meist der Welt unbekannt, heim-
liche Bräute Christi, deren Hertz in stäter Ubung des Glaubens, und
liebreichem Verlangen der näheren Gegenwart JEsu gleichsam ge-
klemmet und gepresset wird. Hier wird die Liebe GOttes ausgegos-
sen ins Hertz durch den H. Geist a. Da sitzet die Seel wie dort Ma-
ria zu JESU Füssen, und bringt ihre Zeit in stiller Liebe zu, da sie
zuvor bey den grossen Freuden-Blicken der aufgehenden Glaubens-
Sonn unmöglich könnte stille seyn, sie ware wie ein neuer Most, der
jäset, gähret und brauset, wie in den Freuden-Liedern zu sehen: z. e.
O JEsu mein Bräutigam wie ist mir so wohl, item Durch blosses
Gedächtnuß dein JEsu geniessen etc. jetzt aber ist sie inniger. Sie
will alles vergessen, und von nichts wissen als ihrem GOTT allein,
dem will sie in heiliger Ruh abwarten, ihme aufs reinste gefallen,
ihne in Hulden behalten, die gantze Welt mit all ihrem Geräusch
nicht werth achten, um aller ihrer Herrlichkeit willen ihre Sinnen
und Gedancken nicht von JEsu wenden, mit GOTT gehet sie im
Hertzen nieder, mit GOTT stehet sie wieder auf b. Nichts kan ihr
die Zeit verkürtzen als Christi daseyn, bey allem anderen wird ihr die
Weile lang, sie denckt nicht, daß sie etwas thue, leyde, verläugne um
JEsu willen, indem ihr alles wie Koth ist gegen einer einigen Stund
in der Gemeinschafft mit JEsu, Himmel und Erde kommt ihr vor
als ein gering Stäublein gegen ihres GOttes Völle, Majestät und
unendlicher Güte, der geringste Gnaden-Blick von einem so herrli-
chen GOTT scheinet hoch in ihren Augen, sie sehnet innig nach sei-
ner Verherrlichung und Vermehrung seines Reichs, und hätte sie
tausend Leben, sie gebe alle frölich hin, wo nur die Ehre ihres GOt-
tes um ein Gran dardurch befördert werden könnte. Unterdessen be-
findt sie sich von ihrer sterblichen gebrechlichen Leibes-Hütten als ei-
ner Krätzen oder Hutten umfangen, und siehet ihren so innig-gelieb-
ten Gatten nur zu Zeit als wie vorbey fliegen, daß sie nur so zu reden
ein Blick thun kan in die ewige Schönheit, rara hora brevis mora, d.
i. diese selten kommende Stund dauret kaum einen Augenblick, sagt
Bernhardus: JEsus zeiget seine Herrlichkeit selten, und ist bald vor-

bey,
a Rom. V.
b Ps. XVI. 8. CXXXIX. 18. Jes. XXVI. 9.
Der geiſtliche Fruͤhling.

§. 3. Das aͤchtzen und girren der Turtel-Tauben; Solchen See-Das Gir-
ren der
Turtel-
Tauben
den ein-
und ge-
meinſa-
men Um-
gang mit
JESU.

len iſt der viele Umgang mit Menſchen verdrießlich, ſie ſind lieber ein-
ſam bey ihrem JEſu und dieſe ſind meiſt der Welt unbekannt, heim-
liche Braͤute Chriſti, deren Hertz in ſtaͤter Ubung des Glaubens, und
liebreichem Verlangen der naͤheren Gegenwart JEſu gleichſam ge-
klemmet und gepreſſet wird. Hier wird die Liebe GOttes ausgegoſ-
ſen ins Hertz durch den H. Geiſt a. Da ſitzet die Seel wie dort Ma-
ria zu JESU Fuͤſſen, und bringt ihre Zeit in ſtiller Liebe zu, da ſie
zuvor bey den groſſen Freuden-Blicken der aufgehenden Glaubens-
Sonn unmoͤglich koͤnnte ſtille ſeyn, ſie ware wie ein neuer Moſt, der
jaͤſet, gaͤhret und brauſet, wie in den Freuden-Liedern zu ſehen: z. e.
O JEſu mein Braͤutigam wie iſt mir ſo wohl, item Durch bloſſes
Gedaͤchtnuß dein JEſu genieſſen ꝛc. jetzt aber iſt ſie inniger. Sie
will alles vergeſſen, und von nichts wiſſen als ihrem GOTT allein,
dem will ſie in heiliger Ruh abwarten, ihme aufs reinſte gefallen,
ihne in Hulden behalten, die gantze Welt mit all ihrem Geraͤuſch
nicht werth achten, um aller ihrer Herrlichkeit willen ihre Sinnen
und Gedancken nicht von JEſu wenden, mit GOTT gehet ſie im
Hertzen nieder, mit GOTT ſtehet ſie wieder auf b. Nichts kan ihr
die Zeit verkuͤrtzen als Chriſti daſeyn, bey allem anderen wird ihr die
Weile lang, ſie denckt nicht, daß ſie etwas thue, leyde, verlaͤugne um
JEſu willen, indem ihr alles wie Koth iſt gegen einer einigen Stund
in der Gemeinſchafft mit JEſu, Himmel und Erde kommt ihr vor
als ein gering Staͤublein gegen ihres GOttes Voͤlle, Majeſtaͤt und
unendlicher Guͤte, der geringſte Gnaden-Blick von einem ſo herrli-
chen GOTT ſcheinet hoch in ihren Augen, ſie ſehnet innig nach ſei-
ner Verherrlichung und Vermehrung ſeines Reichs, und haͤtte ſie
tauſend Leben, ſie gebe alle froͤlich hin, wo nur die Ehre ihres GOt-
tes um ein Gran dardurch befoͤrdert werden koͤnnte. Unterdeſſen be-
findt ſie ſich von ihrer ſterblichen gebrechlichen Leibes-Huͤtten als ei-
ner Kraͤtzen oder Hutten umfangen, und ſiehet ihren ſo innig-gelieb-
ten Gatten nur zu Zeit als wie vorbey fliegen, daß ſie nur ſo zu reden
ein Blick thun kan in die ewige Schoͤnheit, rara hora brevis mora, d.
i. dieſe ſelten kommende Stund dauret kaum einen Augenblick, ſagt
Bernhardus: JEſus zeiget ſeine Herrlichkeit ſelten, und iſt bald vor-

bey,
a Rom. V.
b Pſ. XVI. 8. CXXXIX. 18. Jeſ. XXVI. 9.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0407" n="311"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der gei&#x017F;tliche Fru&#x0364;hling.</hi> </fw><lb/>
          <p>§. 3. Das a&#x0364;chtzen und girren der Turtel-Tauben; Solchen See-<note place="right">Das Gir-<lb/>
ren der<lb/>
Turtel-<lb/>
Tauben<lb/>
den ein-<lb/>
und ge-<lb/>
mein&#x017F;a-<lb/>
men Um-<lb/>
gang mit<lb/>
JESU.</note><lb/>
len i&#x017F;t der viele Umgang mit Men&#x017F;chen verdrießlich, &#x017F;ie &#x017F;ind lieber ein-<lb/>
&#x017F;am bey ihrem JE&#x017F;u und die&#x017F;e &#x017F;ind mei&#x017F;t der Welt unbekannt, heim-<lb/>
liche Bra&#x0364;ute Chri&#x017F;ti, deren Hertz in &#x017F;ta&#x0364;ter Ubung des Glaubens, und<lb/>
liebreichem Verlangen der na&#x0364;heren Gegenwart JE&#x017F;u gleich&#x017F;am ge-<lb/>
klemmet und gepre&#x017F;&#x017F;et wird. Hier wird die Liebe GOttes ausgego&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en ins Hertz durch den H. Gei&#x017F;t <note place="foot" n="a"><hi rendition="#aq">Rom. V.</hi></note>. Da &#x017F;itzet die Seel wie dort Ma-<lb/>
ria zu JESU Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, und bringt ihre Zeit in &#x017F;tiller Liebe zu, da &#x017F;ie<lb/>
zuvor bey den gro&#x017F;&#x017F;en Freuden-Blicken der aufgehenden Glaubens-<lb/>
Sonn unmo&#x0364;glich ko&#x0364;nnte &#x017F;tille &#x017F;eyn, &#x017F;ie ware wie ein neuer Mo&#x017F;t, der<lb/>
ja&#x0364;&#x017F;et, ga&#x0364;hret und brau&#x017F;et, wie in den Freuden-Liedern zu &#x017F;ehen: z. e.<lb/>
O JE&#x017F;u mein Bra&#x0364;utigam wie i&#x017F;t mir &#x017F;o wohl, item Durch blo&#x017F;&#x017F;es<lb/>
Geda&#x0364;chtnuß dein JE&#x017F;u genie&#x017F;&#x017F;en &#xA75B;c. jetzt aber i&#x017F;t &#x017F;ie inniger. Sie<lb/>
will alles verge&#x017F;&#x017F;en, und von nichts wi&#x017F;&#x017F;en als ihrem GOTT allein,<lb/>
dem will &#x017F;ie in heiliger Ruh abwarten, ihme aufs rein&#x017F;te gefallen,<lb/>
ihne in Hulden behalten, die gantze Welt mit all ihrem Gera&#x0364;u&#x017F;ch<lb/>
nicht werth achten, um aller ihrer Herrlichkeit willen ihre Sinnen<lb/>
und Gedancken nicht von JE&#x017F;u wenden, mit GOTT gehet &#x017F;ie im<lb/>
Hertzen nieder, mit GOTT &#x017F;tehet &#x017F;ie wieder auf <note place="foot" n="b"><hi rendition="#aq">P&#x017F;. XVI. 8. CXXXIX. 18. Je&#x017F;. XXVI.</hi> 9.</note>. Nichts kan ihr<lb/>
die Zeit verku&#x0364;rtzen als Chri&#x017F;ti da&#x017F;eyn, bey allem anderen wird ihr die<lb/>
Weile lang, &#x017F;ie denckt nicht, daß &#x017F;ie etwas thue, leyde, verla&#x0364;ugne um<lb/>
JE&#x017F;u willen, indem ihr alles wie Koth i&#x017F;t gegen einer einigen Stund<lb/>
in der Gemein&#x017F;chafft mit JE&#x017F;u, Himmel und Erde kommt ihr vor<lb/>
als ein gering Sta&#x0364;ublein gegen ihres GOttes Vo&#x0364;lle, Maje&#x017F;ta&#x0364;t und<lb/>
unendlicher Gu&#x0364;te, der gering&#x017F;te Gnaden-Blick von einem &#x017F;o herrli-<lb/>
chen GOTT &#x017F;cheinet hoch in ihren Augen, &#x017F;ie &#x017F;ehnet innig nach &#x017F;ei-<lb/>
ner Verherrlichung und Vermehrung &#x017F;eines Reichs, und ha&#x0364;tte &#x017F;ie<lb/>
tau&#x017F;end Leben, &#x017F;ie gebe alle fro&#x0364;lich hin, wo nur die Ehre ihres GOt-<lb/>
tes um ein Gran dardurch befo&#x0364;rdert werden ko&#x0364;nnte. Unterde&#x017F;&#x017F;en be-<lb/>
findt &#x017F;ie &#x017F;ich von ihrer &#x017F;terblichen gebrechlichen Leibes-Hu&#x0364;tten als ei-<lb/>
ner Kra&#x0364;tzen oder Hutten umfangen, und &#x017F;iehet ihren &#x017F;o innig-gelieb-<lb/>
ten Gatten nur zu Zeit als wie vorbey fliegen, daß &#x017F;ie nur &#x017F;o zu reden<lb/>
ein Blick thun kan in die ewige Scho&#x0364;nheit, <hi rendition="#aq">rara hora brevis mora,</hi> d.<lb/>
i. die&#x017F;e &#x017F;elten kommende Stund dauret kaum einen Augenblick, &#x017F;agt<lb/>
Bernhardus: JE&#x017F;us zeiget &#x017F;eine Herrlichkeit &#x017F;elten, und i&#x017F;t bald vor-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bey,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[311/0407] Der geiſtliche Fruͤhling. §. 3. Das aͤchtzen und girren der Turtel-Tauben; Solchen See- len iſt der viele Umgang mit Menſchen verdrießlich, ſie ſind lieber ein- ſam bey ihrem JEſu und dieſe ſind meiſt der Welt unbekannt, heim- liche Braͤute Chriſti, deren Hertz in ſtaͤter Ubung des Glaubens, und liebreichem Verlangen der naͤheren Gegenwart JEſu gleichſam ge- klemmet und gepreſſet wird. Hier wird die Liebe GOttes ausgegoſ- ſen ins Hertz durch den H. Geiſt a. Da ſitzet die Seel wie dort Ma- ria zu JESU Fuͤſſen, und bringt ihre Zeit in ſtiller Liebe zu, da ſie zuvor bey den groſſen Freuden-Blicken der aufgehenden Glaubens- Sonn unmoͤglich koͤnnte ſtille ſeyn, ſie ware wie ein neuer Moſt, der jaͤſet, gaͤhret und brauſet, wie in den Freuden-Liedern zu ſehen: z. e. O JEſu mein Braͤutigam wie iſt mir ſo wohl, item Durch bloſſes Gedaͤchtnuß dein JEſu genieſſen ꝛc. jetzt aber iſt ſie inniger. Sie will alles vergeſſen, und von nichts wiſſen als ihrem GOTT allein, dem will ſie in heiliger Ruh abwarten, ihme aufs reinſte gefallen, ihne in Hulden behalten, die gantze Welt mit all ihrem Geraͤuſch nicht werth achten, um aller ihrer Herrlichkeit willen ihre Sinnen und Gedancken nicht von JEſu wenden, mit GOTT gehet ſie im Hertzen nieder, mit GOTT ſtehet ſie wieder auf b. Nichts kan ihr die Zeit verkuͤrtzen als Chriſti daſeyn, bey allem anderen wird ihr die Weile lang, ſie denckt nicht, daß ſie etwas thue, leyde, verlaͤugne um JEſu willen, indem ihr alles wie Koth iſt gegen einer einigen Stund in der Gemeinſchafft mit JEſu, Himmel und Erde kommt ihr vor als ein gering Staͤublein gegen ihres GOttes Voͤlle, Majeſtaͤt und unendlicher Guͤte, der geringſte Gnaden-Blick von einem ſo herrli- chen GOTT ſcheinet hoch in ihren Augen, ſie ſehnet innig nach ſei- ner Verherrlichung und Vermehrung ſeines Reichs, und haͤtte ſie tauſend Leben, ſie gebe alle froͤlich hin, wo nur die Ehre ihres GOt- tes um ein Gran dardurch befoͤrdert werden koͤnnte. Unterdeſſen be- findt ſie ſich von ihrer ſterblichen gebrechlichen Leibes-Huͤtten als ei- ner Kraͤtzen oder Hutten umfangen, und ſiehet ihren ſo innig-gelieb- ten Gatten nur zu Zeit als wie vorbey fliegen, daß ſie nur ſo zu reden ein Blick thun kan in die ewige Schoͤnheit, rara hora brevis mora, d. i. dieſe ſelten kommende Stund dauret kaum einen Augenblick, ſagt Bernhardus: JEſus zeiget ſeine Herrlichkeit ſelten, und iſt bald vor- bey, Das Gir- ren der Turtel- Tauben den ein- und ge- meinſa- men Um- gang mit JESU. a Rom. V. b Pſ. XVI. 8. CXXXIX. 18. Jeſ. XXVI. 9.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/407
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/407>, abgerufen am 22.11.2024.