ligkeiten, erwege nur dabey welch ein fein fromm Brüderlein du seyest, wie zärtlich noch dein alt Leben! wie unleidig und empfindlich! wie ungeschickt und unwürdig diese unverwelckliche Paradiß-Blumen in dir zu besitzen und zu geniessen, denck an die Drangsalen, so alle Heiligen um Christi willen erduldet, ihne zugewinnen; Hast du ein schlecht Zimmer, so denck an die Gestanck-Löcher, und tiefe finstere Kercker, darinn jene viel Jahr lang versenckt lagen; quälet man dich mit häßigem Gezäncke und fähret dich an mit rauhen Worten, so stelle dir vor das Geschrey der Völckeren wider die Christen, das Brüllen der Löwen, das Lüyen Muhen der Ochsen, und Brummen der Bären, denen jene zu verzehren vorgeworffen wurden: Jst alles nicht recht was du redest und thust, so erinnere dich an das Wider- sprechen, so GOttes Sohn von den Sündern wider sich gelitten hat; Hat niemand Mitleyden mit dir, so denck wie JESUS am Creutz feindselig verspottet worden; Liegt man auf dich, so denck, daß kein Schand und Laster gewesen, das nicht die Heyden Christi Jüngeren haben aufgebürdet, übervortheilet dich dein vermeinter Freund, so denck wie mancher Christ durch falsche Anklag um Ehr und Gut, Leib und Leben gebracht worden: Armer Mensch! Wie wolfeil willst du diese unvergleichliche Rose haben, an welche so vie- le tausend Heilige alles auf Erden gewaget; du willt nicht einen Hel- ler geben um das, woran jene alles gewandt. Es kräncket dich, wann ein ander am Tisch nur einen besseren Bissen aufs Teller be- kommt, oder höher und kommlicher ansitzt, und mehr Ruhm und Liebkosungen empfahet als du, und jene jubiliereten, sangen und lo- beten GOtt, wann sie mit Hunger und Durst gepeiniget, an die Folter geschlagen wurden, und auf denen Pein- und Marter-Bän- cken ausgestrecket lagen; Ein rauher Zuspruch, ein saurer Blick, ei- ne geringe Beschimpfung oder verkleinerliche Nachred kanst du schwerer verdäuen, als jene Henckers-Schwerdter, Galgen, Rad, brennend Feuer, siedend Wasser, da auch vornehme Staats-Män- ner ins strengste Schellen-Werck verdammt wurden; jene waren eben so voll Liebe GOttes und Begierd nach JEsu als voll du Welt- und Eigenliebe bist, und du wilt jenen gleich gehalten seyn, gleich wie je- ne mit der Himmels-gläntzenden Rosen der Klarheit JEsu bekrän- tzet seyn; Soll dann die Krone dich zieren ohne alle Pein? Wie darffst du doch das dem heiligen und gerechten GOTT anmuthen?
Daß
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Der geiſtliche Fruͤhling.
ligkeiten, erwege nur dabey welch ein fein fromm Bruͤderlein du ſeyeſt, wie zaͤrtlich noch dein alt Leben! wie unleidig und empfindlich! wie ungeſchickt und unwuͤrdig dieſe unverwelckliche Paradiß-Blumen in dir zu beſitzen und zu genieſſen, denck an die Drangſalen, ſo alle Heiligen um Chriſti willen erduldet, ihne zugewinnen; Haſt du ein ſchlecht Zimmer, ſo denck an die Geſtanck-Loͤcher, und tiefe finſtere Kercker, darinn jene viel Jahr lang verſenckt lagen; quaͤlet man dich mit haͤßigem Gezaͤncke und faͤhret dich an mit rauhen Worten, ſo ſtelle dir vor das Geſchrey der Voͤlckeren wider die Chriſten, das Bruͤllen der Loͤwen, das Luͤyen Muhen der Ochſen, und Brummen der Baͤren, denen jene zu verzehren vorgeworffen wurden: Jſt alles nicht recht was du redeſt und thuſt, ſo erinnere dich an das Wider- ſprechen, ſo GOttes Sohn von den Suͤndern wider ſich gelitten hat; Hat niemand Mitleyden mit dir, ſo denck wie JESUS am Creutz feindſelig verſpottet worden; Liegt man auf dich, ſo denck, daß kein Schand und Laſter geweſen, das nicht die Heyden Chriſti Juͤngeren haben aufgebuͤrdet, uͤbervortheilet dich dein vermeinter Freund, ſo denck wie mancher Chriſt durch falſche Anklag um Ehr und Gut, Leib und Leben gebracht worden: Armer Menſch! Wie wolfeil willſt du dieſe unvergleichliche Roſe haben, an welche ſo vie- le tauſend Heilige alles auf Erden gewaget; du willt nicht einen Hel- ler geben um das, woran jene alles gewandt. Es kraͤncket dich, wann ein ander am Tiſch nur einen beſſeren Biſſen aufs Teller be- kommt, oder hoͤher und kommlicher anſitzt, und mehr Ruhm und Liebkoſungen empfahet als du, und jene jubiliereten, ſangen und lo- beten GOtt, wann ſie mit Hunger und Durſt gepeiniget, an die Folter geſchlagen wurden, und auf denen Pein- und Marter-Baͤn- cken ausgeſtrecket lagen; Ein rauher Zuſpruch, ein ſaurer Blick, ei- ne geringe Beſchimpfung oder verkleinerliche Nachred kanſt du ſchwerer verdaͤuen, als jene Henckers-Schwerdter, Galgen, Rad, brennend Feuer, ſiedend Waſſer, da auch vornehme Staats-Maͤn- ner ins ſtrengſte Schellen-Werck verdammt wurden; jene waren eben ſo voll Liebe GOttes und Begierd nach JEſu als voll du Welt- und Eigenliebe biſt, und du wilt jenen gleich gehalten ſeyn, gleich wie je- ne mit der Himmels-glaͤntzenden Roſen der Klarheit JEſu bekraͤn- tzet ſeyn; Soll dann die Krone dich zieren ohne alle Pein? Wie darffſt du doch das dem heiligen und gerechten GOTT anmuthen?
Daß
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Der geiſtliche Fruͤhling.
ligkeiten, erwege nur dabey welch ein fein fromm Bruͤderlein du
ſeyeſt, wie zaͤrtlich noch dein alt Leben! wie unleidig und empfindlich!
wie ungeſchickt und unwuͤrdig dieſe unverwelckliche Paradiß-Blumen
in dir zu beſitzen und zu genieſſen, denck an die Drangſalen, ſo alle
Heiligen um Chriſti willen erduldet, ihne zugewinnen; Haſt du ein
ſchlecht Zimmer, ſo denck an die Geſtanck-Loͤcher, und tiefe finſtere
Kercker, darinn jene viel Jahr lang verſenckt lagen; quaͤlet man dich
mit haͤßigem Gezaͤncke und faͤhret dich an mit rauhen Worten, ſo
ſtelle dir vor das Geſchrey der Voͤlckeren wider die Chriſten, das
Bruͤllen der Loͤwen, das Luͤyen Muhen der Ochſen, und Brummen
der Baͤren, denen jene zu verzehren vorgeworffen wurden: Jſt alles
nicht recht was du redeſt und thuſt, ſo erinnere dich an das Wider-
ſprechen, ſo GOttes Sohn von den Suͤndern wider ſich gelitten
hat; Hat niemand Mitleyden mit dir, ſo denck wie JESUS am
Creutz feindſelig verſpottet worden; Liegt man auf dich, ſo denck,
daß kein Schand und Laſter geweſen, das nicht die Heyden Chriſti
Juͤngeren haben aufgebuͤrdet, uͤbervortheilet dich dein vermeinter
Freund, ſo denck wie mancher Chriſt durch falſche Anklag um Ehr
und Gut, Leib und Leben gebracht worden: Armer Menſch! Wie
wolfeil willſt du dieſe unvergleichliche Roſe haben, an welche ſo vie-
le tauſend Heilige alles auf Erden gewaget; du willt nicht einen Hel-
ler geben um das, woran jene alles gewandt. Es kraͤncket dich,
wann ein ander am Tiſch nur einen beſſeren Biſſen aufs Teller be-
kommt, oder hoͤher und kommlicher anſitzt, und mehr Ruhm und
Liebkoſungen empfahet als du, und jene jubiliereten, ſangen und lo-
beten GOtt, wann ſie mit Hunger und Durſt gepeiniget, an die
Folter geſchlagen wurden, und auf denen Pein- und Marter-Baͤn-
cken ausgeſtrecket lagen; Ein rauher Zuſpruch, ein ſaurer Blick, ei-
ne geringe Beſchimpfung oder verkleinerliche Nachred kanſt du
ſchwerer verdaͤuen, als jene Henckers-Schwerdter, Galgen, Rad,
brennend Feuer, ſiedend Waſſer, da auch vornehme Staats-Maͤn-
ner ins ſtrengſte Schellen-Werck verdammt wurden; jene waren eben
ſo voll Liebe GOttes und Begierd nach JEſu als voll du Welt- und
Eigenliebe biſt, und du wilt jenen gleich gehalten ſeyn, gleich wie je-
ne mit der Himmels-glaͤntzenden Roſen der Klarheit JEſu bekraͤn-
tzet ſeyn; Soll dann die Krone dich zieren ohne alle Pein? Wie
darffſt du doch das dem heiligen und gerechten GOTT anmuthen?
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/443>, abgerufen am 22.11.2024.
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