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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Der geistliche Frühling.
wie das Wasser aus der Röhre. So solte er sich ergreiffen und hin-
stellen lassen unter den Gnaden-Himmel als die Schönheit GOttes
und die selige Einflüsse davon in sich auffassen, es seyen nun Strah-
len von der Sonnen der Gerechtigkeit, oder reinigendes Durchwe-
hen der Winden, oder erfrischendes Bespritzen der himmlischen Wol-
cken; der Menschenbaum that dieses, wiewohl es ihn gar saur an-
kame Anfangs, dennoch schickte er sich in diesen Rath aus Begierd
in den freudenreichen Eden zu wohnen; Einige Tage hernach besuchte
ich ihn, da beklagte er sich hart, und ware böß auf mich, ich habe
ihn beredet, daß er schwehre Müh und Arbeit auf sich genommen, nun
sey es alles verlohren, ach wo sind die Früchte! wie fein hast du mich
betrogen, ist doch der Schnee und Eiß noch nicht völlig um mich
her zerschmoltzen; Jch wiese so gut ich konnte zur Gedult und zum
Fortfahren im Auffangen der himmlischen Kräfften und Einflüssen und
gieng davon; Uber eine Weile kam ich wieder, und sahe ihn wunder-
schön und schnee-weiß von Blüthe, nun vermeynte ich freundlich em-
pfangen zu werden, allein er ware auch damahlen übel mit mir zu-
frieden, und fuhre mich an, ob ich ihn mit Blümlein habe wollen
abspeisen? Ob das nunmehr die Früchte seyen, um derentwillen er sich
also zwinge, ob das wohl der Müh werth sey: Jch antwortete ihm
wie zuvor, und fragte ihn, er solte mir sagen, ob diß nicht schon ein
innwendig verborgen gewaltig durchbrechendes neues Leben anzeige,
er sollte sich ein wenig auf dem breiten Feld der Welt umsehen, ob
er viele dergleichen Menschenbäumen sehe, die also blüheten von Be-
gierden nach der Gleichförmigkeit der Absichten und Neigungen Chri-
sti; Er sollte sein hochmüthig unerkänntlich Hertz heissen zufrieden seyn
und GOTT dancken, und gieng wieder hinweg.

Kurtz darauf machte ich mich hin, mich seines Zustandes zu erkun-
digen; da empfieng er mich sehr murrisch: es erzeigte sich zwar ein
Ausgebähren, anmuthig grünes Laub, aber die Blüthe ware fort;
Hier ware ihm mein Zuspruch bey nahe ein Eckel, er sieng an zu zweif-
len ob mir auch der rechte Grund bekannt wäre, er fragte nach Au-
thoren, und wer von ausländischen Lehrern daher kame, den schätzte
er hoch und je seltzamere Grillen er vorbrachte, je tieffer Geheimniß
er zu hören vermeynte; von mir gab er vor, ich wisse nichts als mein
alt Liedlin von glauben und bätten, das habe er lang genug getrie-
ben, und wenig Frucht darvon getragen; Hier mußte ich der ver-

ächtlichen

Der geiſtliche Fruͤhling.
wie das Waſſer aus der Roͤhre. So ſolte er ſich ergreiffen und hin-
ſtellen laſſen unter den Gnaden-Himmel als die Schoͤnheit GOttes
und die ſelige Einfluͤſſe davon in ſich auffaſſen, es ſeyen nun Strah-
len von der Sonnen der Gerechtigkeit, oder reinigendes Durchwe-
hen der Winden, oder erfriſchendes Beſpritzen der himmliſchen Wol-
cken; der Menſchenbaum that dieſes, wiewohl es ihn gar ſaur an-
kame Anfangs, dennoch ſchickte er ſich in dieſen Rath aus Begierd
in den freudenreichen Eden zu wohnen; Einige Tage hernach beſuchte
ich ihn, da beklagte er ſich hart, und ware boͤß auf mich, ich habe
ihn beredet, daß er ſchwehre Muͤh und Arbeit auf ſich genommen, nun
ſey es alles verlohren, ach wo ſind die Fruͤchte! wie fein haſt du mich
betrogen, iſt doch der Schnee und Eiß noch nicht voͤllig um mich
her zerſchmoltzen; Jch wieſe ſo gut ich konnte zur Gedult und zum
Fortfahren im Auffangen der himmliſchen Kraͤfften und Einfluͤſſen und
gieng davon; Uber eine Weile kam ich wieder, und ſahe ihn wunder-
ſchoͤn und ſchnee-weiß von Bluͤthe, nun vermeynte ich freundlich em-
pfangen zu werden, allein er ware auch damahlen uͤbel mit mir zu-
frieden, und fuhre mich an, ob ich ihn mit Bluͤmlein habe wollen
abſpeiſen? Ob das nunmehr die Fruͤchte ſeyen, um derentwillen er ſich
alſo zwinge, ob das wohl der Muͤh werth ſey: Jch antwortete ihm
wie zuvor, und fragte ihn, er ſolte mir ſagen, ob diß nicht ſchon ein
innwendig verborgen gewaltig durchbrechendes neues Leben anzeige,
er ſollte ſich ein wenig auf dem breiten Feld der Welt umſehen, ob
er viele dergleichen Menſchenbaͤumen ſehe, die alſo bluͤheten von Be-
gierden nach der Gleichfoͤrmigkeit der Abſichten und Neigungen Chri-
ſti; Er ſollte ſein hochmuͤthig unerkaͤnntlich Hertz heiſſen zufrieden ſeyn
und GOTT dancken, und gieng wieder hinweg.

Kurtz darauf machte ich mich hin, mich ſeines Zuſtandes zu erkun-
digen; da empfieng er mich ſehr murriſch: es erzeigte ſich zwar ein
Ausgebaͤhren, anmuthig gruͤnes Laub, aber die Bluͤthe ware fort;
Hier ware ihm mein Zuſpruch bey nahe ein Eckel, er ſieng an zu zweif-
len ob mir auch der rechte Grund bekannt waͤre, er fragte nach Au-
thoren, und wer von auslaͤndiſchen Lehrern daher kame, den ſchaͤtzte
er hoch und je ſeltzamere Grillen er vorbrachte, je tieffer Geheimniß
er zu hoͤren vermeynte; von mir gab er vor, ich wiſſe nichts als mein
alt Liedlin von glauben und baͤtten, das habe er lang genug getrie-
ben, und wenig Frucht darvon getragen; Hier mußte ich der ver-

aͤchtlichen
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[372/0468] Der geiſtliche Fruͤhling. wie das Waſſer aus der Roͤhre. So ſolte er ſich ergreiffen und hin- ſtellen laſſen unter den Gnaden-Himmel als die Schoͤnheit GOttes und die ſelige Einfluͤſſe davon in ſich auffaſſen, es ſeyen nun Strah- len von der Sonnen der Gerechtigkeit, oder reinigendes Durchwe- hen der Winden, oder erfriſchendes Beſpritzen der himmliſchen Wol- cken; der Menſchenbaum that dieſes, wiewohl es ihn gar ſaur an- kame Anfangs, dennoch ſchickte er ſich in dieſen Rath aus Begierd in den freudenreichen Eden zu wohnen; Einige Tage hernach beſuchte ich ihn, da beklagte er ſich hart, und ware boͤß auf mich, ich habe ihn beredet, daß er ſchwehre Muͤh und Arbeit auf ſich genommen, nun ſey es alles verlohren, ach wo ſind die Fruͤchte! wie fein haſt du mich betrogen, iſt doch der Schnee und Eiß noch nicht voͤllig um mich her zerſchmoltzen; Jch wieſe ſo gut ich konnte zur Gedult und zum Fortfahren im Auffangen der himmliſchen Kraͤfften und Einfluͤſſen und gieng davon; Uber eine Weile kam ich wieder, und ſahe ihn wunder- ſchoͤn und ſchnee-weiß von Bluͤthe, nun vermeynte ich freundlich em- pfangen zu werden, allein er ware auch damahlen uͤbel mit mir zu- frieden, und fuhre mich an, ob ich ihn mit Bluͤmlein habe wollen abſpeiſen? Ob das nunmehr die Fruͤchte ſeyen, um derentwillen er ſich alſo zwinge, ob das wohl der Muͤh werth ſey: Jch antwortete ihm wie zuvor, und fragte ihn, er ſolte mir ſagen, ob diß nicht ſchon ein innwendig verborgen gewaltig durchbrechendes neues Leben anzeige, er ſollte ſich ein wenig auf dem breiten Feld der Welt umſehen, ob er viele dergleichen Menſchenbaͤumen ſehe, die alſo bluͤheten von Be- gierden nach der Gleichfoͤrmigkeit der Abſichten und Neigungen Chri- ſti; Er ſollte ſein hochmuͤthig unerkaͤnntlich Hertz heiſſen zufrieden ſeyn und GOTT dancken, und gieng wieder hinweg. Kurtz darauf machte ich mich hin, mich ſeines Zuſtandes zu erkun- digen; da empfieng er mich ſehr murriſch: es erzeigte ſich zwar ein Ausgebaͤhren, anmuthig gruͤnes Laub, aber die Bluͤthe ware fort; Hier ware ihm mein Zuſpruch bey nahe ein Eckel, er ſieng an zu zweif- len ob mir auch der rechte Grund bekannt waͤre, er fragte nach Au- thoren, und wer von auslaͤndiſchen Lehrern daher kame, den ſchaͤtzte er hoch und je ſeltzamere Grillen er vorbrachte, je tieffer Geheimniß er zu hoͤren vermeynte; von mir gab er vor, ich wiſſe nichts als mein alt Liedlin von glauben und baͤtten, das habe er lang genug getrie- ben, und wenig Frucht darvon getragen; Hier mußte ich der ver- aͤchtlichen

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/468>, abgerufen am 25.11.2024.