Darum eilete diese unvergleichliche Blum selbst, da sie in ihrer schön- sten Blüth und Zeitigung war, abgebrochen zu werden; dann sie blühete nicht ihro selbst, sondern GOtt dem Vatter, der durch sie die Distelköpf um sie her verwandlen, und auch zu Paradieß-Blu- men machen wollte; So wurd sie nun abgestreifft, und mußte wohl ein heisses Feur fühlen, darinnen sie, so zu reden distilliret wurde zu einem kräfftigen Labwasser unserer Seelen, um damit die heisse Ge- wissens-Angst abzukühlen; Zu diesem End mußte sie nicht nur abge- streifft, sondern gar zerquetschet und gepresset werden, damit sie mit ihrem Balsamischen Lilien-Oel die Härtigkeit unserer Natur besänff- tigen, erweichen, und dieselbe, ein eitel süsse, anmuthige Demuth verwandlen, ja der höllischen Schlangen-Gifft völlig dämpfen könnte.
§. 2. Hier mußte JEsus am Ende seines Lebens auf das allerem-Kurtzer Jnhalt der Textes Worten. pfindlichste und hefftigste erfahren, daß er seye eine Rosen zu Saa- ron, und eine Lilien der Thäleren a; zu Saaron auf einer weiten Wayde, da die Ochsen und Böcke und alle wilden Thier hinkom- men; Eine Lilien der Thäleren, allwo sie nicht nur von den Füssen der Thieren leichtlich zertretten, sondern auch von den greulich brau- senden Wald-Wasseren überschwemmet, und in Koth hinein getru- cket wird; wie wir jetzund in dem verlesenen Text sehen werden; als worinnen angezeiget wird, wie JEsus mit dem erzörnten GOTT, und den unsichtbaren Machten der Höllen gekämpfet, da Satan mit allen seinen höllischen Schaaren an ihme zum Ritter werden wollte.
§. 3. O du heiliger und wahrhaffriger GOtt, der du allezeit Bund und Zusag haltest, hilff mir durch deine Barmhertzigkeit! dann ich binWunsch. sehr unwürdig von diesem hohen Geheimnüß zu reden! Vergib mir mein GOtt meine Missethat, und lehre du mich selbst heiliglich mit dieser höchst-wichtigen Sach umgehen, damit dieses Heiligthum nicht von meinen unreinen Händen beflecket, und also dein Kind JEsus, mein theurster Heyland, nicht noch mehr betrübet werde. Ach gib! daß dieses schwache Wort von seiner Seelen-Angst, vielen eine Krafft einflösse, und zu tieffer verborgener Weisheit führe: daß vie- le zu diesem Lamm fliehen, und durch stätes Eindringen in seine Ge- meinschafft ihme gerecht und heilig werden.
§. 4. Es
aCant. II. 1. 2.
E e e
liegende Wein-Trauben.
Darum eilete dieſe unvergleichliche Blum ſelbſt, da ſie in ihrer ſchoͤn- ſten Bluͤth und Zeitigung war, abgebrochen zu werden; dann ſie bluͤhete nicht ihro ſelbſt, ſondern GOtt dem Vatter, der durch ſie die Diſtelkoͤpf um ſie her verwandlen, und auch zu Paradieß-Blu- men machen wollte; So wurd ſie nun abgeſtreifft, und mußte wohl ein heiſſes Feur fuͤhlen, darinnen ſie, ſo zu reden diſtilliret wurde zu einem kraͤfftigen Labwaſſer unſerer Seelen, um damit die heiſſe Ge- wiſſens-Angſt abzukuͤhlen; Zu dieſem End mußte ſie nicht nur abge- ſtreifft, ſondern gar zerquetſchet und gepreſſet werden, damit ſie mit ihrem Balſamiſchen Lilien-Oel die Haͤrtigkeit unſerer Natur beſaͤnff- tigen, erweichen, und dieſelbe, ein eitel ſuͤſſe, anmuthige Demuth verwandlen, ja der hoͤlliſchen Schlangen-Gifft voͤllig daͤmpfen koͤnnte.
§. 2. Hier mußte JEſus am Ende ſeines Lebens auf das allerem-Kurtzer Jnhalt der Textes Worten. pfindlichſte und hefftigſte erfahren, daß er ſeye eine Roſen zu Saa- ron, und eine Lilien der Thaͤleren a; zu Saaron auf einer weiten Wayde, da die Ochſen und Boͤcke und alle wilden Thier hinkom- men; Eine Lilien der Thaͤleren, allwo ſie nicht nur von den Fuͤſſen der Thieren leichtlich zertretten, ſondern auch von den greulich brau- ſenden Wald-Waſſeren uͤberſchwemmet, und in Koth hinein getru- cket wird; wie wir jetzund in dem verleſenen Text ſehen werden; als worinnen angezeiget wird, wie JEſus mit dem erzoͤrnten GOTT, und den unſichtbaren Machten der Hoͤllen gekaͤmpfet, da Satan mit allen ſeinen hoͤlliſchen Schaaren an ihme zum Ritter werden wollte.
§. 3. O du heiliger und wahrhaffriger GOtt, der du allezeit Bund und Zuſag halteſt, hilff mir durch deine Barmhertzigkeit! dann ich binWunſch. ſehr unwuͤrdig von dieſem hohen Geheimnuͤß zu reden! Vergib mir mein GOtt meine Miſſethat, und lehre du mich ſelbſt heiliglich mit dieſer hoͤchſt-wichtigen Sach umgehen, damit dieſes Heiligthum nicht von meinen unreinen Haͤnden beflecket, und alſo dein Kind JEſus, mein theurſter Heyland, nicht noch mehr betruͤbet werde. Ach gib! daß dieſes ſchwache Wort von ſeiner Seelen-Angſt, vielen eine Krafft einfloͤſſe, und zu tieffer verborgener Weisheit fuͤhre: daß vie- le zu dieſem Lamm fliehen, und durch ſtaͤtes Eindringen in ſeine Ge- meinſchafft ihme gerecht und heilig werden.
§. 4. Es
aCant. II. 1. 2.
E e e
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0497"n="401"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">liegende Wein-Trauben.</hi></fw><lb/>
Darum eilete dieſe unvergleichliche Blum ſelbſt, da ſie in ihrer ſchoͤn-<lb/>ſten Bluͤth und Zeitigung war, abgebrochen zu werden; dann ſie<lb/>
bluͤhete nicht ihro ſelbſt, ſondern GOtt dem Vatter, der durch ſie<lb/>
die Diſtelkoͤpf um ſie her verwandlen, und auch zu Paradieß-Blu-<lb/>
men machen wollte; So wurd ſie nun abgeſtreifft, und mußte wohl<lb/>
ein heiſſes Feur fuͤhlen, darinnen ſie, ſo zu reden diſtilliret wurde zu<lb/>
einem kraͤfftigen Labwaſſer unſerer Seelen, um damit die heiſſe Ge-<lb/>
wiſſens-Angſt abzukuͤhlen; Zu dieſem End mußte ſie nicht nur abge-<lb/>ſtreifft, ſondern gar zerquetſchet und gepreſſet werden, damit ſie mit<lb/>
ihrem Balſamiſchen Lilien-Oel die Haͤrtigkeit unſerer Natur beſaͤnff-<lb/>
tigen, erweichen, und dieſelbe, ein eitel ſuͤſſe, anmuthige Demuth<lb/>
verwandlen, ja der hoͤlliſchen Schlangen-Gifft voͤllig daͤmpfen<lb/>
koͤnnte.</p><lb/><p><hirendition="#i">§.</hi> 2. Hier mußte JEſus am Ende ſeines Lebens auf das allerem-<noteplace="right">Kurtzer<lb/>
Jnhalt<lb/>
der Textes<lb/>
Worten.</note><lb/>
pfindlichſte und hefftigſte erfahren, daß er ſeye eine Roſen zu Saa-<lb/>
ron, und eine Lilien der Thaͤleren <noteplace="foot"n="a"><hirendition="#aq">Cant. II.</hi> 1. 2.</note>; zu Saaron auf einer weiten<lb/>
Wayde, da die Ochſen und Boͤcke und alle wilden Thier hinkom-<lb/>
men; Eine Lilien der Thaͤleren, allwo ſie nicht nur von den Fuͤſſen<lb/>
der Thieren leichtlich zertretten, ſondern auch von den greulich brau-<lb/>ſenden Wald-Waſſeren uͤberſchwemmet, und in Koth hinein getru-<lb/>
cket wird; wie wir jetzund in dem verleſenen Text ſehen werden; als<lb/>
worinnen angezeiget wird, wie JEſus mit dem erzoͤrnten GOTT,<lb/>
und den unſichtbaren Machten der Hoͤllen gekaͤmpfet, da Satan mit<lb/>
allen ſeinen hoͤlliſchen Schaaren an ihme zum Ritter werden wollte.</p><lb/><p><hirendition="#i">§.</hi> 3. O du heiliger und wahrhaffriger GOtt, der du allezeit Bund und<lb/>
Zuſag halteſt, hilff mir durch deine Barmhertzigkeit! dann ich bin<noteplace="right">Wunſch.</note><lb/>ſehr unwuͤrdig von dieſem hohen Geheimnuͤß zu reden! Vergib mir<lb/>
mein GOtt meine Miſſethat, und lehre du mich ſelbſt heiliglich mit<lb/>
dieſer hoͤchſt-wichtigen Sach umgehen, damit dieſes Heiligthum nicht<lb/>
von meinen unreinen Haͤnden beflecket, und alſo dein Kind JEſus,<lb/>
mein theurſter Heyland, nicht noch mehr betruͤbet werde. Ach gib!<lb/>
daß dieſes ſchwache Wort von ſeiner Seelen-Angſt, vielen eine<lb/>
Krafft einfloͤſſe, und zu tieffer verborgener Weisheit fuͤhre: daß vie-<lb/>
le zu dieſem Lamm fliehen, und durch ſtaͤtes Eindringen in ſeine Ge-<lb/>
meinſchafft ihme gerecht und heilig werden.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">E e e</fw><fwplace="bottom"type="catch">§. 4. Es</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[401/0497]
liegende Wein-Trauben.
Darum eilete dieſe unvergleichliche Blum ſelbſt, da ſie in ihrer ſchoͤn-
ſten Bluͤth und Zeitigung war, abgebrochen zu werden; dann ſie
bluͤhete nicht ihro ſelbſt, ſondern GOtt dem Vatter, der durch ſie
die Diſtelkoͤpf um ſie her verwandlen, und auch zu Paradieß-Blu-
men machen wollte; So wurd ſie nun abgeſtreifft, und mußte wohl
ein heiſſes Feur fuͤhlen, darinnen ſie, ſo zu reden diſtilliret wurde zu
einem kraͤfftigen Labwaſſer unſerer Seelen, um damit die heiſſe Ge-
wiſſens-Angſt abzukuͤhlen; Zu dieſem End mußte ſie nicht nur abge-
ſtreifft, ſondern gar zerquetſchet und gepreſſet werden, damit ſie mit
ihrem Balſamiſchen Lilien-Oel die Haͤrtigkeit unſerer Natur beſaͤnff-
tigen, erweichen, und dieſelbe, ein eitel ſuͤſſe, anmuthige Demuth
verwandlen, ja der hoͤlliſchen Schlangen-Gifft voͤllig daͤmpfen
koͤnnte.
§. 2. Hier mußte JEſus am Ende ſeines Lebens auf das allerem-
pfindlichſte und hefftigſte erfahren, daß er ſeye eine Roſen zu Saa-
ron, und eine Lilien der Thaͤleren a; zu Saaron auf einer weiten
Wayde, da die Ochſen und Boͤcke und alle wilden Thier hinkom-
men; Eine Lilien der Thaͤleren, allwo ſie nicht nur von den Fuͤſſen
der Thieren leichtlich zertretten, ſondern auch von den greulich brau-
ſenden Wald-Waſſeren uͤberſchwemmet, und in Koth hinein getru-
cket wird; wie wir jetzund in dem verleſenen Text ſehen werden; als
worinnen angezeiget wird, wie JEſus mit dem erzoͤrnten GOTT,
und den unſichtbaren Machten der Hoͤllen gekaͤmpfet, da Satan mit
allen ſeinen hoͤlliſchen Schaaren an ihme zum Ritter werden wollte.
Kurtzer
Jnhalt
der Textes
Worten.
§. 3. O du heiliger und wahrhaffriger GOtt, der du allezeit Bund und
Zuſag halteſt, hilff mir durch deine Barmhertzigkeit! dann ich bin
ſehr unwuͤrdig von dieſem hohen Geheimnuͤß zu reden! Vergib mir
mein GOtt meine Miſſethat, und lehre du mich ſelbſt heiliglich mit
dieſer hoͤchſt-wichtigen Sach umgehen, damit dieſes Heiligthum nicht
von meinen unreinen Haͤnden beflecket, und alſo dein Kind JEſus,
mein theurſter Heyland, nicht noch mehr betruͤbet werde. Ach gib!
daß dieſes ſchwache Wort von ſeiner Seelen-Angſt, vielen eine
Krafft einfloͤſſe, und zu tieffer verborgener Weisheit fuͤhre: daß vie-
le zu dieſem Lamm fliehen, und durch ſtaͤtes Eindringen in ſeine Ge-
meinſchafft ihme gerecht und heilig werden.
Wunſch.
§. 4. Es
a Cant. II. 1. 2.
E e e
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/497>, abgerufen am 06.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.