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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Die unter der Kelter des Zorns GOttes
die sonsten allzumahl verlohren gehen würden. Daher nun auch un-
ser Melchisedecianische Hohe-Priester von der Forcht des gähen Todes,
die ihne umfangen hatte, errettet worden, also daß hernach keines
dergleichen zitteren und zagen verspühret worden, auch nicht dazu-
mahlen da er sollte ans Creutz angenaglet werden; vielmehr ist er de-
nen, von welchen er wußte, daß sie ihne bald gefangen nehmen wür-
den, heldenmüthig entgegen gegangen, daß sie auch auf seine, ih-
nen unerschrocken, gegebene Antwort: Jch bins/ zurück gewichen,
uud zu Boden gefallen; Und auf diese Weise war die Menschheit
Christi von seiner Gottheit unterstützt, daß sie nicht im ersten Angriff
erlegen. Da siehest du dann lieber Mensch! wie das Gebett das be-
ste Mittel die Angst zu verjagen, und wahrhafftig auch im grösten
Leiden frölich zu werden, welches keine Artzney wird auswürcken kön-
nen.

Dessen
Beschaf-
fenheit,
dann Er
bettete de-
müthig.

§. 15. (3.) Wie bettet aber JEsus? Demüthig; Er fiel nieder
auf sein Angesicht/
von dem Zorn-Last gedrucket, so daß er sich gleich-
sam in den Boden verkriechen möchte; der HErr des Himmels lage
da wie ein armes Würmlein auf der Erden; Und siehe! du stoltzer
Wurm! du schnöder Sünder! es duncket dich zu viel, daß du in
deinem Gebett vor GOtt auf den Knien liegen sollest; ey bist du
dann fürnehmer, heiliger, von GOTT begnadeter als JEsus das
liebste Kind GOttes, das niemahlen nichts Ubels gethan, und in des-
sen Mund kein Betrug erfunden worden; Der HErr lieget vor GOtt
auf der Erden, und die Knecht bleiben aus Trägkeit und Hochmuth
stehen. Es haben ja grosse Könige und Monarchen als David,
Salomon, der grosse Kayser Theodosius sich nicht geschämt, sich
vor GOtt auf die Erden niederzuwerffen, und in Staub und Aschen
zu legen; du wirst deine starrende Knie am Jüngsten Gericht wohl
beugen müssen, aber ohne Nutzen und Vortheil deiner Seelen.

Er bettete
gelassen.

§. 16. Er bettet aber auch gelassen: nicht wie ich will/ sondern
wie du willt.
Er opferet den allerheiligsten Willen seiner unschuldi-
gen Menschheit GOtt auf, sprechende: siehe; ich bin da/ daß ich
thue/ o GOtt! Deinen Willen
a! Willt du mein Vatter/ daß dieses
ängstliche Leben und Zitteren in meinen Gliederen bleibe, biß auf den
letzten Athem-Zug meines irrdischen Lebens, und daß nicht nur meine
Jünger, sondern alle Menschen Zuschauer und Zeugen meiner un-

aussprech-
a Ps. XL. 9.

Die unter der Kelter des Zorns GOttes
die ſonſten allzumahl verlohren gehen wuͤrden. Daher nun auch un-
ſer Melchiſedecianiſche Hohe-Prieſter von der Forcht des gaͤhen Todes,
die ihne umfangen hatte, errettet worden, alſo daß hernach keines
dergleichen zitteren und zagen verſpuͤhret worden, auch nicht dazu-
mahlen da er ſollte ans Creutz angenaglet werden; vielmehr iſt er de-
nen, von welchen er wußte, daß ſie ihne bald gefangen nehmen wuͤr-
den, heldenmuͤthig entgegen gegangen, daß ſie auch auf ſeine, ih-
nen unerſchrocken, gegebene Antwort: Jch bins/ zuruͤck gewichen,
uud zu Boden gefallen; Und auf dieſe Weiſe war die Menſchheit
Chriſti von ſeiner Gottheit unterſtuͤtzt, daß ſie nicht im erſten Angriff
erlegen. Da ſieheſt du dann lieber Menſch! wie das Gebett das be-
ſte Mittel die Angſt zu verjagen, und wahrhafftig auch im groͤſten
Leiden froͤlich zu werden, welches keine Artzney wird auswuͤrcken koͤn-
nen.

Deſſen
Beſchaf-
fenheit,
dann Er
bettete de-
muͤthig.

§. 15. (3.) Wie bettet aber JEſus? Demuͤthig; Er fiel nieder
auf ſein Angeſicht/
von dem Zorn-Laſt gedrucket, ſo daß er ſich gleich-
ſam in den Boden verkriechen moͤchte; der HErr des Himmels lage
da wie ein armes Wuͤrmlein auf der Erden; Und ſiehe! du ſtoltzer
Wurm! du ſchnoͤder Suͤnder! es duncket dich zu viel, daß du in
deinem Gebett vor GOtt auf den Knien liegen ſolleſt; ey biſt du
dann fuͤrnehmer, heiliger, von GOTT begnadeter als JEſus das
liebſte Kind GOttes, das niemahlen nichts Ubels gethan, und in deſ-
ſen Mund kein Betrug erfunden worden; Der HErr lieget vor GOtt
auf der Erden, und die Knecht bleiben aus Traͤgkeit und Hochmuth
ſtehen. Es haben ja groſſe Koͤnige und Monarchen als David,
Salomon, der groſſe Kayſer Theodoſius ſich nicht geſchaͤmt, ſich
vor GOtt auf die Erden niederzuwerffen, und in Staub und Aſchen
zu legen; du wirſt deine ſtarrende Knie am Juͤngſten Gericht wohl
beugen muͤſſen, aber ohne Nutzen und Vortheil deiner Seelen.

Er bettete
gelaſſen.

§. 16. Er bettet aber auch gelaſſen: nicht wie ich will/ ſondern
wie du willt.
Er opferet den allerheiligſten Willen ſeiner unſchuldi-
gen Menſchheit GOtt auf, ſprechende: ſiehe; ich bin da/ daß ich
thue/ o GOtt! Deinen Willen
a! Willt du mein Vatter/ daß dieſes
aͤngſtliche Leben und Zitteren in meinen Gliederen bleibe, biß auf den
letzten Athem-Zug meines irrdiſchen Lebens, und daß nicht nur meine
Juͤnger, ſondern alle Menſchen Zuſchauer und Zeugen meiner un-

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[430/0526] Die unter der Kelter des Zorns GOttes die ſonſten allzumahl verlohren gehen wuͤrden. Daher nun auch un- ſer Melchiſedecianiſche Hohe-Prieſter von der Forcht des gaͤhen Todes, die ihne umfangen hatte, errettet worden, alſo daß hernach keines dergleichen zitteren und zagen verſpuͤhret worden, auch nicht dazu- mahlen da er ſollte ans Creutz angenaglet werden; vielmehr iſt er de- nen, von welchen er wußte, daß ſie ihne bald gefangen nehmen wuͤr- den, heldenmuͤthig entgegen gegangen, daß ſie auch auf ſeine, ih- nen unerſchrocken, gegebene Antwort: Jch bins/ zuruͤck gewichen, uud zu Boden gefallen; Und auf dieſe Weiſe war die Menſchheit Chriſti von ſeiner Gottheit unterſtuͤtzt, daß ſie nicht im erſten Angriff erlegen. Da ſieheſt du dann lieber Menſch! wie das Gebett das be- ſte Mittel die Angſt zu verjagen, und wahrhafftig auch im groͤſten Leiden froͤlich zu werden, welches keine Artzney wird auswuͤrcken koͤn- nen. §. 15. (3.) Wie bettet aber JEſus? Demuͤthig; Er fiel nieder auf ſein Angeſicht/ von dem Zorn-Laſt gedrucket, ſo daß er ſich gleich- ſam in den Boden verkriechen moͤchte; der HErr des Himmels lage da wie ein armes Wuͤrmlein auf der Erden; Und ſiehe! du ſtoltzer Wurm! du ſchnoͤder Suͤnder! es duncket dich zu viel, daß du in deinem Gebett vor GOtt auf den Knien liegen ſolleſt; ey biſt du dann fuͤrnehmer, heiliger, von GOTT begnadeter als JEſus das liebſte Kind GOttes, das niemahlen nichts Ubels gethan, und in deſ- ſen Mund kein Betrug erfunden worden; Der HErr lieget vor GOtt auf der Erden, und die Knecht bleiben aus Traͤgkeit und Hochmuth ſtehen. Es haben ja groſſe Koͤnige und Monarchen als David, Salomon, der groſſe Kayſer Theodoſius ſich nicht geſchaͤmt, ſich vor GOtt auf die Erden niederzuwerffen, und in Staub und Aſchen zu legen; du wirſt deine ſtarrende Knie am Juͤngſten Gericht wohl beugen muͤſſen, aber ohne Nutzen und Vortheil deiner Seelen. §. 16. Er bettet aber auch gelaſſen: nicht wie ich will/ ſondern wie du willt. Er opferet den allerheiligſten Willen ſeiner unſchuldi- gen Menſchheit GOtt auf, ſprechende: ſiehe; ich bin da/ daß ich thue/ o GOtt! Deinen Willen a! Willt du mein Vatter/ daß dieſes aͤngſtliche Leben und Zitteren in meinen Gliederen bleibe, biß auf den letzten Athem-Zug meines irrdiſchen Lebens, und daß nicht nur meine Juͤnger, ſondern alle Menſchen Zuſchauer und Zeugen meiner un- ausſprech- a Pſ. XL. 9.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/526>, abgerufen am 22.11.2024.