aussprechlichen Seelen-Angst seyen, und es also über mich verhan- gen, daß sie dabey desto mehr Anlaß nehmen, mich als einen auch von dir, o mein Vatter! verdammten und verworffenen Heuchler zu halten, so geschehe dein Will, du bist und bleibst dannoch der grosse Wunder-GOtt! du vermagst alles! du kanst auch in diesem an- haltenden Sturm und Zitteren meines gantzen Leibes dennoch mein Le- ben erhalten, alle mir bestimmte Höllen-Qual und äusserste Schmach und Marter auszustehen; weilen aber auch vor menschlichen Richter- Stülen stehen, und da Rede und Antwort geben muß, und es mir aber unmöglich, mit meinem bebenden und blutschwitzenden Leib auf- recht zu bleiben, indem mich diese Erschütterung immer aufs neue zu Boden werffen würde, darum mein Vatter, wollest du mir dieses Zitteren nur abnehmen, du kanst dannoch alle Höllen-Wut, Fluch und ewigen Tod über mich ergehen lassen, daß der schuldigen Bezahlung nicht ein Heller abgehet; o Vatter, wann du jemahls deine Allmacht erwiesen hast, so thue es jetzt am herrlichsten in diesem grossen Werck der Aufrichtung des menschlichen Geschlechts.
§. 17. Jch erinnere mich hiebey von einem Märtyrer gelesen zu haben,Exempel eines Märty- rers. welcher ohne einige Empfindung göttlichen Trostes bey dem einmal gefaß- ten Vorsatz vor das Evangelium zu sterben geblieben; und mit dürrem, trostlosem Hertzen sich zum Feur hinführen lassen, da er GOtt seine Ehre fürgehalten, diese erfordere es, daß er seine Blut-Zeugen er- freue, damit die Feinde nicht ein nachtheilig Urtheil fällen; worinn er auch seiner Bitt gewähret warde, dann, da er den Scheiter-Hauf- fen nunmehr erblickte, ist er mit solcher himmlischen Freud überschüt- tet worden, daß er laut rieff: er ist kommen, er ist kommen, der Trö- ster ist kommen.
§. 18. Und ist gewiß, daß die Göttliche Allmacht niemahlen herr-Wie herr- lich sich die All- macht GOttes in diesem Leiden JEsu er- wiesen. licher sich erzeigt, als in gegenwärtiger Unterstützung der heiligsten Menschheit JEsus, indem sie in dieser unausdencklichen Angst- Quaal noch bey gesundem Verstand geblieben, und aufrecht gehen und stehen können, und mit Göttlicher Freymüthigkeit überall hand- len, ohngeachtet alle Legionen höllischer Ungeheur unabläßig auf ih- ne zupfeiseten, und alle Machten der Finsternuß auf ihne loß stürm- ten, er auch die tieffste Bitterkeit des zeitlich und ewigen Todts schmeckete, und das schröckliche Zorn-Feur GOttes in seiner Seelen waltete, und übersteiget hier der Helden-Muth JEsus unendlich al-
ler
liegende Wein-Trauben.
ausſprechlichen Seelen-Angſt ſeyen, und es alſo uͤber mich verhan- gen, daß ſie dabey deſto mehr Anlaß nehmen, mich als einen auch von dir, o mein Vatter! verdammten und verworffenen Heuchler zu halten, ſo geſchehe dein Will, du biſt und bleibſt dannoch der groſſe Wunder-GOtt! du vermagſt alles! du kanſt auch in dieſem an- haltenden Sturm und Zitteren meines gantzen Leibes dennoch mein Le- ben erhalten, alle mir beſtimmte Hoͤllen-Qual und aͤuſſerſte Schmach und Marter auszuſtehen; weilen aber auch vor menſchlichen Richter- Stuͤlen ſtehen, und da Rede und Antwort geben muß, und es mir aber unmoͤglich, mit meinem bebenden und blutſchwitzenden Leib auf- recht zu bleiben, indem mich dieſe Erſchuͤtterung immer aufs neue zu Boden werffen wuͤrde, darum mein Vatter, wolleſt du mir dieſes Zitteren nur abnehmen, du kanſt dannoch alle Hoͤllen-Wut, Fluch und ewigen Tod uͤber mich ergehen laſſen, daß der ſchuldigen Bezahlung nicht ein Heller abgehet; o Vatter, wann du jemahls deine Allmacht erwieſen haſt, ſo thue es jetzt am herrlichſten in dieſem groſſen Werck der Aufrichtung des menſchlichen Geſchlechts.
§. 17. Jch erinnere mich hiebey von einem Maͤrtyrer geleſen zu haben,Exempel eines Maͤrty- rers. welcher ohne einige Empfindung goͤttlichen Troſtes bey dem einmal gefaß- ten Vorſatz vor das Evangelium zu ſterben geblieben; und mit duͤrrem, troſtloſem Hertzen ſich zum Feur hinfuͤhren laſſen, da er GOtt ſeine Ehre fuͤrgehalten, dieſe erfordere es, daß er ſeine Blut-Zeugen er- freue, damit die Feinde nicht ein nachtheilig Urtheil faͤllen; worinn er auch ſeiner Bitt gewaͤhret warde, dann, da er den Scheiter-Hauf- fen nunmehr erblickte, iſt er mit ſolcher himmliſchen Freud uͤberſchuͤt- tet worden, daß er laut rieff: er iſt kommen, er iſt kommen, der Troͤ- ſter iſt kommen.
§. 18. Und iſt gewiß, daß die Goͤttliche Allmacht niemahlen herr-Wie herr- lich ſich die All- macht GOttes in dieſem Leiden JEſu er- wieſen. licher ſich erzeigt, als in gegenwaͤrtiger Unterſtuͤtzung der heiligſten Menſchheit JEſus, indem ſie in dieſer unausdencklichen Angſt- Quaal noch bey geſundem Verſtand geblieben, und aufrecht gehen und ſtehen koͤnnen, und mit Goͤttlicher Freymuͤthigkeit uͤberall hand- len, ohngeachtet alle Legionen hoͤlliſcher Ungeheur unablaͤßig auf ih- ne zupfeiſeten, und alle Machten der Finſternuß auf ihne loß ſtuͤrm- ten, er auch die tieffſte Bitterkeit des zeitlich und ewigen Todts ſchmeckete, und das ſchroͤckliche Zorn-Feur GOttes in ſeiner Seelen waltete, und uͤberſteiget hier der Helden-Muth JEſus unendlich al-
ler
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0527"n="431"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">liegende Wein-Trauben.</hi></fw><lb/>
ausſprechlichen Seelen-Angſt ſeyen, und es alſo uͤber mich verhan-<lb/>
gen, daß ſie dabey deſto mehr Anlaß nehmen, mich als einen auch<lb/>
von dir, o mein Vatter! verdammten und verworffenen Heuchler<lb/>
zu halten, ſo geſchehe dein Will, du biſt und bleibſt dannoch der<lb/>
groſſe Wunder-GOtt! du vermagſt alles! du kanſt auch in dieſem an-<lb/>
haltenden Sturm und Zitteren meines gantzen Leibes dennoch mein Le-<lb/>
ben erhalten, alle mir beſtimmte Hoͤllen-Qual und aͤuſſerſte Schmach<lb/>
und Marter auszuſtehen; weilen aber auch vor menſchlichen Richter-<lb/>
Stuͤlen ſtehen, und da Rede und Antwort geben muß, und es mir<lb/>
aber unmoͤglich, mit meinem bebenden und blutſchwitzenden Leib auf-<lb/>
recht zu bleiben, indem mich dieſe Erſchuͤtterung immer aufs neue zu<lb/>
Boden werffen wuͤrde, darum mein Vatter, wolleſt du mir dieſes<lb/>
Zitteren nur abnehmen, du kanſt dannoch alle Hoͤllen-Wut, Fluch und<lb/>
ewigen Tod uͤber mich ergehen laſſen, daß der ſchuldigen Bezahlung<lb/>
nicht ein Heller abgehet; o Vatter, wann du jemahls deine Allmacht<lb/>
erwieſen haſt, ſo thue es jetzt am herrlichſten in dieſem groſſen Werck<lb/>
der Aufrichtung des menſchlichen Geſchlechts.</p><lb/><p>§. 17. Jch erinnere mich hiebey von einem Maͤrtyrer geleſen zu haben,<noteplace="right">Exempel<lb/>
eines<lb/>
Maͤrty-<lb/>
rers.</note><lb/>
welcher ohne einige Empfindung goͤttlichen Troſtes bey dem einmal gefaß-<lb/>
ten Vorſatz vor das Evangelium zu ſterben geblieben; und mit duͤrrem,<lb/>
troſtloſem Hertzen ſich zum Feur hinfuͤhren laſſen, da er GOtt ſeine<lb/>
Ehre fuͤrgehalten, dieſe erfordere es, daß er ſeine Blut-Zeugen er-<lb/>
freue, damit die Feinde nicht ein nachtheilig Urtheil faͤllen; worinn<lb/>
er auch ſeiner Bitt gewaͤhret warde, dann, da er den Scheiter-Hauf-<lb/>
fen nunmehr erblickte, iſt er mit ſolcher himmliſchen Freud uͤberſchuͤt-<lb/>
tet worden, daß er laut rieff: er iſt kommen, er iſt kommen, der Troͤ-<lb/>ſter iſt kommen.</p><lb/><p><hirendition="#i">§.</hi> 18. Und iſt gewiß, daß die Goͤttliche Allmacht niemahlen herr-<noteplace="right">Wie herr-<lb/>
lich ſich<lb/>
die All-<lb/>
macht<lb/>
GOttes<lb/>
in dieſem<lb/>
Leiden<lb/>
JEſu er-<lb/>
wieſen.</note><lb/>
licher ſich erzeigt, als in gegenwaͤrtiger Unterſtuͤtzung der heiligſten<lb/>
Menſchheit JEſus, indem ſie in dieſer unausdencklichen Angſt-<lb/>
Quaal noch bey geſundem Verſtand geblieben, und aufrecht gehen<lb/>
und ſtehen koͤnnen, und mit Goͤttlicher Freymuͤthigkeit uͤberall hand-<lb/>
len, ohngeachtet alle Legionen hoͤlliſcher Ungeheur unablaͤßig auf ih-<lb/>
ne zupfeiſeten, und alle Machten der Finſternuß auf ihne loß ſtuͤrm-<lb/>
ten, er auch die tieffſte Bitterkeit des zeitlich und ewigen Todts<lb/>ſchmeckete, und das ſchroͤckliche Zorn-Feur GOttes in ſeiner Seelen<lb/>
waltete, und uͤberſteiget hier der Helden-Muth JEſus unendlich al-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ler</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[431/0527]
liegende Wein-Trauben.
ausſprechlichen Seelen-Angſt ſeyen, und es alſo uͤber mich verhan-
gen, daß ſie dabey deſto mehr Anlaß nehmen, mich als einen auch
von dir, o mein Vatter! verdammten und verworffenen Heuchler
zu halten, ſo geſchehe dein Will, du biſt und bleibſt dannoch der
groſſe Wunder-GOtt! du vermagſt alles! du kanſt auch in dieſem an-
haltenden Sturm und Zitteren meines gantzen Leibes dennoch mein Le-
ben erhalten, alle mir beſtimmte Hoͤllen-Qual und aͤuſſerſte Schmach
und Marter auszuſtehen; weilen aber auch vor menſchlichen Richter-
Stuͤlen ſtehen, und da Rede und Antwort geben muß, und es mir
aber unmoͤglich, mit meinem bebenden und blutſchwitzenden Leib auf-
recht zu bleiben, indem mich dieſe Erſchuͤtterung immer aufs neue zu
Boden werffen wuͤrde, darum mein Vatter, wolleſt du mir dieſes
Zitteren nur abnehmen, du kanſt dannoch alle Hoͤllen-Wut, Fluch und
ewigen Tod uͤber mich ergehen laſſen, daß der ſchuldigen Bezahlung
nicht ein Heller abgehet; o Vatter, wann du jemahls deine Allmacht
erwieſen haſt, ſo thue es jetzt am herrlichſten in dieſem groſſen Werck
der Aufrichtung des menſchlichen Geſchlechts.
§. 17. Jch erinnere mich hiebey von einem Maͤrtyrer geleſen zu haben,
welcher ohne einige Empfindung goͤttlichen Troſtes bey dem einmal gefaß-
ten Vorſatz vor das Evangelium zu ſterben geblieben; und mit duͤrrem,
troſtloſem Hertzen ſich zum Feur hinfuͤhren laſſen, da er GOtt ſeine
Ehre fuͤrgehalten, dieſe erfordere es, daß er ſeine Blut-Zeugen er-
freue, damit die Feinde nicht ein nachtheilig Urtheil faͤllen; worinn
er auch ſeiner Bitt gewaͤhret warde, dann, da er den Scheiter-Hauf-
fen nunmehr erblickte, iſt er mit ſolcher himmliſchen Freud uͤberſchuͤt-
tet worden, daß er laut rieff: er iſt kommen, er iſt kommen, der Troͤ-
ſter iſt kommen.
Exempel
eines
Maͤrty-
rers.
§. 18. Und iſt gewiß, daß die Goͤttliche Allmacht niemahlen herr-
licher ſich erzeigt, als in gegenwaͤrtiger Unterſtuͤtzung der heiligſten
Menſchheit JEſus, indem ſie in dieſer unausdencklichen Angſt-
Quaal noch bey geſundem Verſtand geblieben, und aufrecht gehen
und ſtehen koͤnnen, und mit Goͤttlicher Freymuͤthigkeit uͤberall hand-
len, ohngeachtet alle Legionen hoͤlliſcher Ungeheur unablaͤßig auf ih-
ne zupfeiſeten, und alle Machten der Finſternuß auf ihne loß ſtuͤrm-
ten, er auch die tieffſte Bitterkeit des zeitlich und ewigen Todts
ſchmeckete, und das ſchroͤckliche Zorn-Feur GOttes in ſeiner Seelen
waltete, und uͤberſteiget hier der Helden-Muth JEſus unendlich al-
ler
Wie herr-
lich ſich
die All-
macht
GOttes
in dieſem
Leiden
JEſu er-
wieſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/527>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.