Die Angst JEsu zei- get, daß nicht we- nig an de- ren rech- ten Ein- richtung gelegen seye.
§. 5. Einmahlen, wann es so wenig an denen Gedancken gelegen wäre, so hätte JEsus nicht eine solche unaussprechliche und unbe- greifliche Seelen-Angst um der Sünden willen ausstehen müssen, die in denen Gedancken vorgehen; dann die Gedancken seynd eitel Tha- ten vor GOtt, und was der Mensch ausübet vor den Leuten, das hat er meistentheils würcklich zuvor, vor GOttes Majestät, in sei- nen Gedancken vollbracht; welches, weil es der Mensch offt nicht erkennen will, und vor den bösen Gedancken nicht hefftig erschrickt, unangesehen sie in GOttes allerreinesten Augen-klar und offenbahr seynd, wird aus gerechtem Gericht über ihne verhänget, daß er schändlich fallt vor den Menschen, weilen er sich nicht gescheuet im Höllen-Koth seiner unheiligen Gedancken sich vor GOtt zu weltzen. Welches wohl zu bedencken, und tieff zu Hertzen zu fassen; weil GOtt da sein Thron und Heiligthum bauen will, allwo Satanas ehebevor seinen Sitz hatte, nehmlich in des Hertzens Grund; und damit die- ses Raub-Schloß möchte zersprenget werden, hat JEsus einen so blutigen Todes-Kampff am Oelberg müssen antretten.
Liebe JE- SU.
§. 6. Siehe demnach die Liebe JEsu! der Sohn GOttes erschrickt und ringt mit dem Tod! der allerfreudigste äusseret sich seiner himm- lischen Thronen, und wird traurig. O Liebe die kein Mensch aus- sprechen kan.
JEsus wußte sein Schicksal und berei- tete sich dazu.
§. 7. Dieses Seelen-Leiden JEsu Christi dienet uns (2.) zur War- nung. Es weißt kein Mensch, was ihme annoch für Noth, Trau- ren und Angst bevorstehe; JEsus wußte alles, was über ihne kom- men würde, und bereitete sich darzu die gantze Zeit seines Lebens; niemahls sahe man ihne lachen, wohl aber betten, seuffzen und wei- nen; Mitten in seinen allerherrlichsten Gunst-Bezeugungen, auch da Moses und Elias ihme auf dem Berg erschienen, da dachte Er an seine letzte Noth; Da sich der Himmel aufthate über ihne, mußte ihme der Tauff eben darbey sein blutiges Leiden abbilden; Bey dem herr- lichsten Wunder der Auferweckung Lazari sahe man ihne trauren und weinen, weilen Er auch eben da zuvor sahe, was ihne die Tilgung des Todes für einen harten Kampff kosten werde; Bey seinem Kö- niglichen Einzug zu Jerusalem rieff Er aus: Jetzt ist meine Seel betrübt, und was soll ich sagen? Vatter hilff mir aus dieser Stund.
§. 8. Uns ist zwar unser Schicksal verborgen, dennoch werden wir
gewar-
Die unter der Kelter des Zorns GOttes
Die Angſt JEſu zei- get, daß nicht we- nig an de- ren rech- ten Ein- richtung gelegen ſeye.
§. 5. Einmahlen, wann es ſo wenig an denen Gedancken gelegen waͤre, ſo haͤtte JEſus nicht eine ſolche unausſprechliche und unbe- greifliche Seelen-Angſt um der Suͤnden willen ausſtehen muͤſſen, die in denen Gedancken vorgehen; dann die Gedancken ſeynd eitel Tha- ten vor GOtt, und was der Menſch ausuͤbet vor den Leuten, das hat er meiſtentheils wuͤrcklich zuvor, vor GOttes Majeſtaͤt, in ſei- nen Gedancken vollbracht; welches, weil es der Menſch offt nicht erkennen will, und vor den boͤſen Gedancken nicht hefftig erſchrickt, unangeſehen ſie in GOttes allerreineſten Augen-klar und offenbahr ſeynd, wird aus gerechtem Gericht uͤber ihne verhaͤnget, daß er ſchaͤndlich fallt vor den Menſchen, weilen er ſich nicht geſcheuet im Hoͤllen-Koth ſeiner unheiligen Gedancken ſich vor GOtt zu weltzen. Welches wohl zu bedencken, und tieff zu Hertzen zu faſſen; weil GOtt da ſein Thron und Heiligthum bauen will, allwo Satanas ehebevor ſeinen Sitz hatte, nehmlich in des Hertzens Grund; und damit die- ſes Raub-Schloß moͤchte zerſprenget werden, hat JEſus einen ſo blutigen Todes-Kampff am Oelberg muͤſſen antretten.
Liebe JE- SU.
§. 6. Siehe demnach die Liebe JEſu! der Sohn GOttes erſchrickt und ringt mit dem Tod! der allerfreudigſte aͤuſſeret ſich ſeiner himm- liſchen Thronen, und wird traurig. O Liebe die kein Menſch aus- ſprechen kan.
JEſus wußte ſein Schickſal und berei- tete ſich dazu.
§. 7. Dieſes Seelen-Leiden JEſu Chriſti dienet uns (2.) zur War- nung. Es weißt kein Menſch, was ihme annoch fuͤr Noth, Trau- ren und Angſt bevorſtehe; JEſus wußte alles, was uͤber ihne kom- men wuͤrde, und bereitete ſich darzu die gantze Zeit ſeines Lebens; niemahls ſahe man ihne lachen, wohl aber betten, ſeuffzen und wei- nen; Mitten in ſeinen allerherrlichſten Gunſt-Bezeugungen, auch da Moſes und Elias ihme auf dem Berg erſchienen, da dachte Er an ſeine letzte Noth; Da ſich der Himmel aufthate uͤber ihne, mußte ihme der Tauff eben darbey ſein blutiges Leiden abbilden; Bey dem herr- lichſten Wunder der Auferweckung Lazari ſahe man ihne trauren und weinen, weilen Er auch eben da zuvor ſahe, was ihne die Tilgung des Todes fuͤr einen harten Kampff koſten werde; Bey ſeinem Koͤ- niglichen Einzug zu Jeruſalem rieff Er aus: Jetzt iſt meine Seel betruͤbt, und was ſoll ich ſagen? Vatter hilff mir aus dieſer Stund.
§. 8. Uns iſt zwar unſer Schickſal verborgen, dennoch werden wir
gewar-
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Die unter der Kelter des Zorns GOttes
§. 5. Einmahlen, wann es ſo wenig an denen Gedancken gelegen
waͤre, ſo haͤtte JEſus nicht eine ſolche unausſprechliche und unbe-
greifliche Seelen-Angſt um der Suͤnden willen ausſtehen muͤſſen, die
in denen Gedancken vorgehen; dann die Gedancken ſeynd eitel Tha-
ten vor GOtt, und was der Menſch ausuͤbet vor den Leuten, das
hat er meiſtentheils wuͤrcklich zuvor, vor GOttes Majeſtaͤt, in ſei-
nen Gedancken vollbracht; welches, weil es der Menſch offt nicht
erkennen will, und vor den boͤſen Gedancken nicht hefftig erſchrickt,
unangeſehen ſie in GOttes allerreineſten Augen-klar und offenbahr
ſeynd, wird aus gerechtem Gericht uͤber ihne verhaͤnget, daß er
ſchaͤndlich fallt vor den Menſchen, weilen er ſich nicht geſcheuet im
Hoͤllen-Koth ſeiner unheiligen Gedancken ſich vor GOtt zu weltzen.
Welches wohl zu bedencken, und tieff zu Hertzen zu faſſen; weil GOtt
da ſein Thron und Heiligthum bauen will, allwo Satanas ehebevor
ſeinen Sitz hatte, nehmlich in des Hertzens Grund; und damit die-
ſes Raub-Schloß moͤchte zerſprenget werden, hat JEſus einen ſo
blutigen Todes-Kampff am Oelberg muͤſſen antretten.
§. 6. Siehe demnach die Liebe JEſu! der Sohn GOttes erſchrickt
und ringt mit dem Tod! der allerfreudigſte aͤuſſeret ſich ſeiner himm-
liſchen Thronen, und wird traurig. O Liebe die kein Menſch aus-
ſprechen kan.
§. 7. Dieſes Seelen-Leiden JEſu Chriſti dienet uns (2.) zur War-
nung. Es weißt kein Menſch, was ihme annoch fuͤr Noth, Trau-
ren und Angſt bevorſtehe; JEſus wußte alles, was uͤber ihne kom-
men wuͤrde, und bereitete ſich darzu die gantze Zeit ſeines Lebens;
niemahls ſahe man ihne lachen, wohl aber betten, ſeuffzen und wei-
nen; Mitten in ſeinen allerherrlichſten Gunſt-Bezeugungen, auch da
Moſes und Elias ihme auf dem Berg erſchienen, da dachte Er an
ſeine letzte Noth; Da ſich der Himmel aufthate uͤber ihne, mußte ihme
der Tauff eben darbey ſein blutiges Leiden abbilden; Bey dem herr-
lichſten Wunder der Auferweckung Lazari ſahe man ihne trauren und
weinen, weilen Er auch eben da zuvor ſahe, was ihne die Tilgung
des Todes fuͤr einen harten Kampff koſten werde; Bey ſeinem Koͤ-
niglichen Einzug zu Jeruſalem rieff Er aus: Jetzt iſt meine Seel
betruͤbt, und was ſoll ich ſagen? Vatter hilff mir
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/532>, abgerufen am 22.11.2024.
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