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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Die unter der Kelter des Zorns GOttes
Die Angst
JEsu zei-
get, daß
nicht we-
nig an de-
ren rech-
ten Ein-
richtung
gelegen
seye.

§. 5. Einmahlen, wann es so wenig an denen Gedancken gelegen
wäre, so hätte JEsus nicht eine solche unaussprechliche und unbe-
greifliche Seelen-Angst um der Sünden willen ausstehen müssen, die
in denen Gedancken vorgehen; dann die Gedancken seynd eitel Tha-
ten vor GOtt, und was der Mensch ausübet vor den Leuten, das
hat er meistentheils würcklich zuvor, vor GOttes Majestät, in sei-
nen Gedancken vollbracht; welches, weil es der Mensch offt nicht
erkennen will, und vor den bösen Gedancken nicht hefftig erschrickt,
unangesehen sie in GOttes allerreinesten Augen-klar und offenbahr
seynd, wird aus gerechtem Gericht über ihne verhänget, daß er
schändlich fallt vor den Menschen, weilen er sich nicht gescheuet im
Höllen-Koth seiner unheiligen Gedancken sich vor GOtt zu weltzen.
Welches wohl zu bedencken, und tieff zu Hertzen zu fassen; weil GOtt
da sein Thron und Heiligthum bauen will, allwo Satanas ehebevor
seinen Sitz hatte, nehmlich in des Hertzens Grund; und damit die-
ses Raub-Schloß möchte zersprenget werden, hat JEsus einen so
blutigen Todes-Kampff am Oelberg müssen antretten.

Liebe JE-
SU.

§. 6. Siehe demnach die Liebe JEsu! der Sohn GOttes erschrickt
und ringt mit dem Tod! der allerfreudigste äusseret sich seiner himm-
lischen Thronen, und wird traurig. O Liebe die kein Mensch aus-
sprechen kan.

JEsus
wußte sein
Schicksal
und berei-
tete sich
dazu.

§. 7. Dieses Seelen-Leiden JEsu Christi dienet uns (2.) zur War-
nung.
Es weißt kein Mensch, was ihme annoch für Noth, Trau-
ren und Angst bevorstehe; JEsus wußte alles, was über ihne kom-
men würde, und bereitete sich darzu die gantze Zeit seines Lebens;
niemahls sahe man ihne lachen, wohl aber betten, seuffzen und wei-
nen; Mitten in seinen allerherrlichsten Gunst-Bezeugungen, auch da
Moses und Elias ihme auf dem Berg erschienen, da dachte Er an
seine letzte Noth; Da sich der Himmel aufthate über ihne, mußte ihme
der Tauff eben darbey sein blutiges Leiden abbilden; Bey dem herr-
lichsten Wunder der Auferweckung Lazari sahe man ihne trauren und
weinen, weilen Er auch eben da zuvor sahe, was ihne die Tilgung
des Todes für einen harten Kampff kosten werde; Bey seinem Kö-
niglichen Einzug zu Jerusalem rieff Er aus: Jetzt ist meine Seel
betrübt, und was soll ich sagen? Vatter hilff mir
aus dieser Stund.

§. 8. Uns ist zwar unser Schicksal verborgen, dennoch werden wir

gewar-
Die unter der Kelter des Zorns GOttes
Die Angſt
JEſu zei-
get, daß
nicht we-
nig an de-
ren rech-
ten Ein-
richtung
gelegen
ſeye.

§. 5. Einmahlen, wann es ſo wenig an denen Gedancken gelegen
waͤre, ſo haͤtte JEſus nicht eine ſolche unausſprechliche und unbe-
greifliche Seelen-Angſt um der Suͤnden willen ausſtehen muͤſſen, die
in denen Gedancken vorgehen; dann die Gedancken ſeynd eitel Tha-
ten vor GOtt, und was der Menſch ausuͤbet vor den Leuten, das
hat er meiſtentheils wuͤrcklich zuvor, vor GOttes Majeſtaͤt, in ſei-
nen Gedancken vollbracht; welches, weil es der Menſch offt nicht
erkennen will, und vor den boͤſen Gedancken nicht hefftig erſchrickt,
unangeſehen ſie in GOttes allerreineſten Augen-klar und offenbahr
ſeynd, wird aus gerechtem Gericht uͤber ihne verhaͤnget, daß er
ſchaͤndlich fallt vor den Menſchen, weilen er ſich nicht geſcheuet im
Hoͤllen-Koth ſeiner unheiligen Gedancken ſich vor GOtt zu weltzen.
Welches wohl zu bedencken, und tieff zu Hertzen zu faſſen; weil GOtt
da ſein Thron und Heiligthum bauen will, allwo Satanas ehebevor
ſeinen Sitz hatte, nehmlich in des Hertzens Grund; und damit die-
ſes Raub-Schloß moͤchte zerſprenget werden, hat JEſus einen ſo
blutigen Todes-Kampff am Oelberg muͤſſen antretten.

Liebe JE-
SU.

§. 6. Siehe demnach die Liebe JEſu! der Sohn GOttes erſchrickt
und ringt mit dem Tod! der allerfreudigſte aͤuſſeret ſich ſeiner himm-
liſchen Thronen, und wird traurig. O Liebe die kein Menſch aus-
ſprechen kan.

JEſus
wußte ſein
Schickſal
und berei-
tete ſich
dazu.

§. 7. Dieſes Seelen-Leiden JEſu Chriſti dienet uns (2.) zur War-
nung.
Es weißt kein Menſch, was ihme annoch fuͤr Noth, Trau-
ren und Angſt bevorſtehe; JEſus wußte alles, was uͤber ihne kom-
men wuͤrde, und bereitete ſich darzu die gantze Zeit ſeines Lebens;
niemahls ſahe man ihne lachen, wohl aber betten, ſeuffzen und wei-
nen; Mitten in ſeinen allerherrlichſten Gunſt-Bezeugungen, auch da
Moſes und Elias ihme auf dem Berg erſchienen, da dachte Er an
ſeine letzte Noth; Da ſich der Himmel aufthate uͤber ihne, mußte ihme
der Tauff eben darbey ſein blutiges Leiden abbilden; Bey dem herr-
lichſten Wunder der Auferweckung Lazari ſahe man ihne trauren und
weinen, weilen Er auch eben da zuvor ſahe, was ihne die Tilgung
des Todes fuͤr einen harten Kampff koſten werde; Bey ſeinem Koͤ-
niglichen Einzug zu Jeruſalem rieff Er aus: Jetzt iſt meine Seel
betruͤbt, und was ſoll ich ſagen? Vatter hilff mir
aus dieſer Stund.

§. 8. Uns iſt zwar unſer Schickſal verborgen, dennoch werden wir

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[436/0532] Die unter der Kelter des Zorns GOttes §. 5. Einmahlen, wann es ſo wenig an denen Gedancken gelegen waͤre, ſo haͤtte JEſus nicht eine ſolche unausſprechliche und unbe- greifliche Seelen-Angſt um der Suͤnden willen ausſtehen muͤſſen, die in denen Gedancken vorgehen; dann die Gedancken ſeynd eitel Tha- ten vor GOtt, und was der Menſch ausuͤbet vor den Leuten, das hat er meiſtentheils wuͤrcklich zuvor, vor GOttes Majeſtaͤt, in ſei- nen Gedancken vollbracht; welches, weil es der Menſch offt nicht erkennen will, und vor den boͤſen Gedancken nicht hefftig erſchrickt, unangeſehen ſie in GOttes allerreineſten Augen-klar und offenbahr ſeynd, wird aus gerechtem Gericht uͤber ihne verhaͤnget, daß er ſchaͤndlich fallt vor den Menſchen, weilen er ſich nicht geſcheuet im Hoͤllen-Koth ſeiner unheiligen Gedancken ſich vor GOtt zu weltzen. Welches wohl zu bedencken, und tieff zu Hertzen zu faſſen; weil GOtt da ſein Thron und Heiligthum bauen will, allwo Satanas ehebevor ſeinen Sitz hatte, nehmlich in des Hertzens Grund; und damit die- ſes Raub-Schloß moͤchte zerſprenget werden, hat JEſus einen ſo blutigen Todes-Kampff am Oelberg muͤſſen antretten. §. 6. Siehe demnach die Liebe JEſu! der Sohn GOttes erſchrickt und ringt mit dem Tod! der allerfreudigſte aͤuſſeret ſich ſeiner himm- liſchen Thronen, und wird traurig. O Liebe die kein Menſch aus- ſprechen kan. §. 7. Dieſes Seelen-Leiden JEſu Chriſti dienet uns (2.) zur War- nung. Es weißt kein Menſch, was ihme annoch fuͤr Noth, Trau- ren und Angſt bevorſtehe; JEſus wußte alles, was uͤber ihne kom- men wuͤrde, und bereitete ſich darzu die gantze Zeit ſeines Lebens; niemahls ſahe man ihne lachen, wohl aber betten, ſeuffzen und wei- nen; Mitten in ſeinen allerherrlichſten Gunſt-Bezeugungen, auch da Moſes und Elias ihme auf dem Berg erſchienen, da dachte Er an ſeine letzte Noth; Da ſich der Himmel aufthate uͤber ihne, mußte ihme der Tauff eben darbey ſein blutiges Leiden abbilden; Bey dem herr- lichſten Wunder der Auferweckung Lazari ſahe man ihne trauren und weinen, weilen Er auch eben da zuvor ſahe, was ihne die Tilgung des Todes fuͤr einen harten Kampff koſten werde; Bey ſeinem Koͤ- niglichen Einzug zu Jeruſalem rieff Er aus: Jetzt iſt meine Seel betruͤbt, und was ſoll ich ſagen? Vatter hilff mir aus dieſer Stund. §. 8. Uns iſt zwar unſer Schickſal verborgen, dennoch werden wir gewar-

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/532>, abgerufen am 22.11.2024.