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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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liegende Wein-Trauben.
vorgeschwätzt; wer erbarmet sich jetzund mein! O kurtze Freud! o
langes Leyd!

§. 12. Ja sagst du; rede, schwetze, mache mir angst so lang duDie bey
diesem al-
lem ver-
stockten
Sündere

willt, mein Hertz wird wohl steinern und unempfindlich bleiben, ab-
geneigt und unlustig mich unter das schwehre, und unannehmliche
Joch JEsu zu begeben, welches, wie ich sehe, einem nichts als Lei-
den verursachet, daran mein Fleisch ein Eckel hat, dann es hasset
Schmach, Angst und Schmertzen, weilen es sich noch immer besser
befindet bey guten Tagen, Wollust und Ehr, und sich selber nicht
gern wehe thut; ich bin einmahl so geartet, wer wills änderen?
mein Natur will ihrem Eigenwillen nicht sterben? das ist ihr ehrbar-
licher Sinn, und wird sich schwerlich eines anderen bereden lassen,
und wohl lieber alle Sünden Christo, der ja deßwegen gestorben,
auf den Hals schieben, und ihre Aenderung auf eine andere Zeit
verspahren.

§. 13. Antwort. O leichtsinniger Sünder! betrachte es, wer istwerden
von ihrer
leichtsin-
nigen
Boßheit,

der, der so die Händ zusammen schlägt, und sich windet wie ein
Wurm auf der Erden? es ist die Freuden-Quelle, darinn kein Tröpf-
lein Trosts mehr übrig geblieben, das nicht aufgetrocknet, und über-
all mit den bitteren Angst-Wasseren angefüllet, und du hast ihm die-
sen bitteren Kelch eingeschenckt; es ist der Eckstein, der so erschütte-
ret wird, und du bist mit deinen Sünden auf ihme gelegen! grau-
sets dir nicht? ist JEsus mit deinen Sünden nicht genug beladen,
willt du ihme noch mehr auflegen? laufft der Sünden-Kelch nicht
über von Gifft, Tod und Höll? willt du noch mehr einschütten?
JEsus schencket dir Heyl und Leben ein; willt du ihm Gifft bringen?
O! wann du bey JEsu auf dem Oelberg gewesen wärest, und er-
kannt hättest, daß der, so in seinem blutigen Schweiß schwitzet und
liget, der Sohn des grossen GOttes sey, wie du es jetzund weist,
und daß du ihm mit deinen Sünden diese Höllen-Angst verursachet,
wäre dich nicht ein Schauer ankommen über deine Missethaten? wä-
rest du nicht zu ihme niedergefallen, und hättest ihne um Vergebung
gebetten, ja mit deinen Thränen den Schweiß abgewischt, und die
Seeligkeit mit Freuden angenommen? oder wärest du noch wie ein
grausamer Ochs und Bär mit Füssen auf ihne gesprungen, wie du
jetzund mit Verachtung seiner Liebe es so grausam thust? hättest
du gelachet, und auf seinen allerheiligsten Bluts-Tropfen herum ge-

tantzt?

liegende Wein-Trauben.
vorgeſchwaͤtzt; wer erbarmet ſich jetzund mein! O kurtze Freud! o
langes Leyd!

§. 12. Ja ſagſt du; rede, ſchwetze, mache mir angſt ſo lang duDie bey
dieſem al-
lem ver-
ſtockten
Suͤndere

willt, mein Hertz wird wohl ſteinern und unempfindlich bleiben, ab-
geneigt und unluſtig mich unter das ſchwehre, und unannehmliche
Joch JEſu zu begeben, welches, wie ich ſehe, einem nichts als Lei-
den verurſachet, daran mein Fleiſch ein Eckel hat, dann es haſſet
Schmach, Angſt und Schmertzen, weilen es ſich noch immer beſſer
befindet bey guten Tagen, Wolluſt und Ehr, und ſich ſelber nicht
gern wehe thut; ich bin einmahl ſo geartet, wer wills aͤnderen?
mein Natur will ihrem Eigenwillen nicht ſterben? das iſt ihr ehrbar-
licher Sinn, und wird ſich ſchwerlich eines anderen bereden laſſen,
und wohl lieber alle Suͤnden Chriſto, der ja deßwegen geſtorben,
auf den Hals ſchieben, und ihre Aenderung auf eine andere Zeit
verſpahren.

§. 13. Antwort. O leichtſinniger Suͤnder! betrachte es, wer iſtwerden
von ihrer
leichtſin-
nigen
Boßheit,

der, der ſo die Haͤnd zuſammen ſchlaͤgt, und ſich windet wie ein
Wurm auf der Erden? es iſt die Freuden-Quelle, darinn kein Troͤpf-
lein Troſts mehr uͤbrig geblieben, das nicht aufgetrocknet, und uͤber-
all mit den bitteren Angſt-Waſſeren angefuͤllet, und du haſt ihm die-
ſen bitteren Kelch eingeſchenckt; es iſt der Eckſtein, der ſo erſchuͤtte-
ret wird, und du biſt mit deinen Suͤnden auf ihme gelegen! grau-
ſets dir nicht? iſt JEſus mit deinen Suͤnden nicht genug beladen,
willt du ihme noch mehr auflegen? laufft der Suͤnden-Kelch nicht
uͤber von Gifft, Tod und Hoͤll? willt du noch mehr einſchuͤtten?
JEſus ſchencket dir Heyl und Leben ein; willt du ihm Gifft bringen?
O! wann du bey JEſu auf dem Oelberg geweſen waͤreſt, und er-
kannt haͤtteſt, daß der, ſo in ſeinem blutigen Schweiß ſchwitzet und
liget, der Sohn des groſſen GOttes ſey, wie du es jetzund weiſt,
und daß du ihm mit deinen Suͤnden dieſe Hoͤllen-Angſt verurſachet,
waͤre dich nicht ein Schauer ankommen uͤber deine Miſſethaten? waͤ-
reſt du nicht zu ihme niedergefallen, und haͤtteſt ihne um Vergebung
gebetten, ja mit deinen Thraͤnen den Schweiß abgewiſcht, und die
Seeligkeit mit Freuden angenommen? oder waͤreſt du noch wie ein
grauſamer Ochs und Baͤr mit Fuͤſſen auf ihne geſprungen, wie du
jetzund mit Verachtung ſeiner Liebe es ſo grauſam thuſt? haͤtteſt
du gelachet, und auf ſeinen allerheiligſten Bluts-Tropfen herum ge-

tantzt?
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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/551>, abgerufen am 27.07.2024.