aufzuheben, und allen Anlaß zum Gezänck abzuschneiden a. Daß sie aber im Vortrag nicht berührt worden, ware die Ursach, weilen diß nur ein Umstand meiner zu verhandlenden Materi ware, und wann ich mich in gründlicher Erklärung dieses Spruchs hätte wollen einlassen, und den Seel-verderblichen Mißbrauch zur Uberzeugung aufheben, wäre mir wenig, ja gar keine Zeit übrig geblieben. Jn- dessen ist mir noch jetzo in der Seelen leyd, daß der zitterende, lei- dende und zagende JEsus, (der aus tringender Begierd vor ihr ewig Heyl ihnen vor Augen gemahlet worden, ob sie dardurch zur Buß, Glaub, Lieb gegen GOtt dem Vatter und unserem HErren JEsu Christo möchten erwecket werden) darüber vergessen worden; da gleichwohl kein Christ ist, der das, was in dieser neu-vorkom- menden Erklärung vorgebracht worden, nicht vor eine uralte, un- laugbare, in H. Schrifft und Erfahrung gegründete Wahrheit hal- ten müsse, die keines wegs streitet wider des Glaubens Aehnlich- Die da- mahligen Umstände mögen viel zur Mißdeu- tung bey- getragen haben.keit.
§. 13. Allein die damahlige Umstände mögen wohl das meiste zu solcher Mißdeutung beygetragen haben. Jndem etwelche aus ungu- ter Absicht zu hören mögen kommen seyn, nur um etwas zu erschnap- pen, um dardurch widerliche Paßionen zu ihrem eigenen Vortheil in anderen zu erregen; welches ihnen der erbarmende JEsus nicht zu- rechnen wolle in seiner Erscheinung und in seinem Reich.
Wie die- ses Ver- halten anzusehen seye.
§. 14. Das Verhalten diesen lieben Personen kommt mir eben vor, als wann einer bey einer köstlichen Mahlzeit sitzende, unter vie- len guten Gerüchten eines erblickte, so ihme noch unbekannt, und er alsdann sein vernünfftlich Schalcks-Aug so weit herrschen liesse, diese Speise nicht allein ohne Grund und Gewißheit verdächtig zu halten, sondern aus einem eigensinnigen Unwillen alle andere Spei- sen stehen lassen, aufstehen, und von der Mahlzeit verdrießlich weg- gehen, und hernach über alle Speisen, so zugegen gewesen, auf ei- ne ungehaltene Weise herschelten wollte: Es ist kein Schaf so tumm, wanns auf eine Waide gehet, da tausend gute Kräutlein und Blüm- lein stehen, das nichts esse, sondern nur nachsehe, ob es nichts fin- de, das zwar gut und heilsam, aber nicht auf diese Matten gehöre, und es dann den gantzen Tag nichts thäte als selbiges Blümlein an-
zublä-
a 1 Cor. XI. 16.
Anhang.
aufzuheben, und allen Anlaß zum Gezaͤnck abzuſchneiden a. Daß ſie aber im Vortrag nicht beruͤhrt worden, ware die Urſach, weilen diß nur ein Umſtand meiner zu verhandlenden Materi ware, und wann ich mich in gruͤndlicher Erklaͤrung dieſes Spruchs haͤtte wollen einlaſſen, und den Seel-verderblichen Mißbrauch zur Uberzeugung aufheben, waͤre mir wenig, ja gar keine Zeit uͤbrig geblieben. Jn- deſſen iſt mir noch jetzo in der Seelen leyd, daß der zitterende, lei- dende und zagende JEſus, (der aus tringender Begierd vor ihr ewig Heyl ihnen vor Augen gemahlet worden, ob ſie dardurch zur Buß, Glaub, Lieb gegen GOtt dem Vatter und unſerem HErren JEſu Chriſto moͤchten erwecket werden) daruͤber vergeſſen worden; da gleichwohl kein Chriſt iſt, der das, was in dieſer neu-vorkom- menden Erklaͤrung vorgebracht worden, nicht vor eine uralte, un- laugbare, in H. Schrifft und Erfahrung gegruͤndete Wahrheit hal- ten muͤſſe, die keines wegs ſtreitet wider des Glaubens Aehnlich- Die da- mahligen Umſtaͤnde moͤgen viel zur Mißdeu- tung bey- getragen haben.keit.
§. 13. Allein die damahlige Umſtaͤnde moͤgen wohl das meiſte zu ſolcher Mißdeutung beygetragen haben. Jndem etwelche aus ungu- ter Abſicht zu hoͤren moͤgen kommen ſeyn, nur um etwas zu erſchnap- pen, um dardurch widerliche Paßionen zu ihrem eigenen Vortheil in anderen zu erregen; welches ihnen der erbarmende JEſus nicht zu- rechnen wolle in ſeiner Erſcheinung und in ſeinem Reich.
Wie die- ſes Ver- halten anzuſehen ſeye.
§. 14. Das Verhalten dieſen lieben Perſonen kommt mir eben vor, als wann einer bey einer koͤſtlichen Mahlzeit ſitzende, unter vie- len guten Geruͤchten eines erblickte, ſo ihme noch unbekannt, und er alsdann ſein vernuͤnfftlich Schalcks-Aug ſo weit herrſchen lieſſe, dieſe Speiſe nicht allein ohne Grund und Gewißheit verdaͤchtig zu halten, ſondern aus einem eigenſinnigen Unwillen alle andere Spei- ſen ſtehen laſſen, aufſtehen, und von der Mahlzeit verdrießlich weg- gehen, und hernach uͤber alle Speiſen, ſo zugegen geweſen, auf ei- ne ungehaltene Weiſe herſchelten wollte: Es iſt kein Schaf ſo tumm, wanns auf eine Waide gehet, da tauſend gute Kraͤutlein und Bluͤm- lein ſtehen, das nichts eſſe, ſondern nur nachſehe, ob es nichts fin- de, das zwar gut und heilſam, aber nicht auf dieſe Matten gehoͤre, und es dann den gantzen Tag nichts thaͤte als ſelbiges Bluͤmlein an-
zublaͤ-
a 1 Cor. XI. 16.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0580"n="484"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Anhang.</hi></fw><lb/>
aufzuheben, und allen Anlaß zum Gezaͤnck abzuſchneiden <noteplace="foot"n="a">1 <hirendition="#aq">Cor. XI.</hi> 16.</note>. Daß ſie<lb/>
aber im Vortrag nicht beruͤhrt worden, ware die Urſach, weilen<lb/>
diß nur ein Umſtand meiner zu verhandlenden Materi ware, und<lb/>
wann ich mich in gruͤndlicher Erklaͤrung dieſes Spruchs haͤtte wollen<lb/>
einlaſſen, und den Seel-verderblichen Mißbrauch zur Uberzeugung<lb/>
aufheben, waͤre mir wenig, ja gar keine Zeit uͤbrig geblieben. Jn-<lb/>
deſſen iſt mir noch jetzo in der Seelen leyd, daß der zitterende, lei-<lb/>
dende und zagende JEſus, (der aus tringender Begierd vor ihr<lb/>
ewig Heyl ihnen vor Augen gemahlet worden, ob ſie dardurch zur<lb/>
Buß, Glaub, Lieb gegen GOtt dem Vatter und unſerem HErren<lb/>
JEſu Chriſto moͤchten erwecket werden) daruͤber vergeſſen worden;<lb/>
da gleichwohl kein Chriſt iſt, der das, was in dieſer neu-vorkom-<lb/>
menden Erklaͤrung vorgebracht worden, nicht vor eine uralte, un-<lb/>
laugbare, in H. Schrifft und Erfahrung gegruͤndete Wahrheit hal-<lb/>
ten muͤſſe, die keines wegs ſtreitet wider des Glaubens Aehnlich-<lb/><noteplace="left">Die da-<lb/>
mahligen<lb/>
Umſtaͤnde<lb/>
moͤgen<lb/>
viel zur<lb/>
Mißdeu-<lb/>
tung bey-<lb/>
getragen<lb/>
haben.</note>keit.</p><lb/><p>§. 13. Allein die damahlige Umſtaͤnde moͤgen wohl das meiſte zu<lb/>ſolcher Mißdeutung beygetragen haben. Jndem etwelche aus ungu-<lb/>
ter Abſicht zu hoͤren moͤgen kommen ſeyn, nur um etwas zu erſchnap-<lb/>
pen, um dardurch widerliche Paßionen zu ihrem eigenen Vortheil in<lb/>
anderen zu erregen; welches ihnen der erbarmende JEſus nicht zu-<lb/>
rechnen wolle in ſeiner Erſcheinung und in ſeinem Reich.</p><lb/><noteplace="left">Wie die-<lb/>ſes Ver-<lb/>
halten<lb/>
anzuſehen<lb/>ſeye.</note><p>§. 14. Das Verhalten dieſen lieben Perſonen kommt mir eben<lb/>
vor, als wann einer bey einer koͤſtlichen Mahlzeit ſitzende, unter vie-<lb/>
len guten Geruͤchten eines erblickte, ſo ihme noch unbekannt, und<lb/>
er alsdann ſein vernuͤnfftlich Schalcks-Aug ſo weit herrſchen lieſſe,<lb/>
dieſe Speiſe nicht allein ohne Grund und Gewißheit verdaͤchtig zu<lb/>
halten, ſondern aus einem eigenſinnigen Unwillen alle andere Spei-<lb/>ſen ſtehen laſſen, aufſtehen, und von der Mahlzeit verdrießlich weg-<lb/>
gehen, und hernach uͤber alle Speiſen, ſo zugegen geweſen, auf ei-<lb/>
ne ungehaltene Weiſe herſchelten wollte: Es iſt kein Schaf ſo tumm,<lb/>
wanns auf eine Waide gehet, da tauſend gute Kraͤutlein und Bluͤm-<lb/>
lein ſtehen, das nichts eſſe, ſondern nur nachſehe, ob es nichts fin-<lb/>
de, das zwar gut und heilſam, aber nicht auf dieſe Matten gehoͤre,<lb/>
und es dann den gantzen Tag nichts thaͤte als ſelbiges Bluͤmlein an-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">zublaͤ-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[484/0580]
Anhang.
aufzuheben, und allen Anlaß zum Gezaͤnck abzuſchneiden a. Daß ſie
aber im Vortrag nicht beruͤhrt worden, ware die Urſach, weilen
diß nur ein Umſtand meiner zu verhandlenden Materi ware, und
wann ich mich in gruͤndlicher Erklaͤrung dieſes Spruchs haͤtte wollen
einlaſſen, und den Seel-verderblichen Mißbrauch zur Uberzeugung
aufheben, waͤre mir wenig, ja gar keine Zeit uͤbrig geblieben. Jn-
deſſen iſt mir noch jetzo in der Seelen leyd, daß der zitterende, lei-
dende und zagende JEſus, (der aus tringender Begierd vor ihr
ewig Heyl ihnen vor Augen gemahlet worden, ob ſie dardurch zur
Buß, Glaub, Lieb gegen GOtt dem Vatter und unſerem HErren
JEſu Chriſto moͤchten erwecket werden) daruͤber vergeſſen worden;
da gleichwohl kein Chriſt iſt, der das, was in dieſer neu-vorkom-
menden Erklaͤrung vorgebracht worden, nicht vor eine uralte, un-
laugbare, in H. Schrifft und Erfahrung gegruͤndete Wahrheit hal-
ten muͤſſe, die keines wegs ſtreitet wider des Glaubens Aehnlich-
keit.
Die da-
mahligen
Umſtaͤnde
moͤgen
viel zur
Mißdeu-
tung bey-
getragen
haben.
§. 13. Allein die damahlige Umſtaͤnde moͤgen wohl das meiſte zu
ſolcher Mißdeutung beygetragen haben. Jndem etwelche aus ungu-
ter Abſicht zu hoͤren moͤgen kommen ſeyn, nur um etwas zu erſchnap-
pen, um dardurch widerliche Paßionen zu ihrem eigenen Vortheil in
anderen zu erregen; welches ihnen der erbarmende JEſus nicht zu-
rechnen wolle in ſeiner Erſcheinung und in ſeinem Reich.
§. 14. Das Verhalten dieſen lieben Perſonen kommt mir eben
vor, als wann einer bey einer koͤſtlichen Mahlzeit ſitzende, unter vie-
len guten Geruͤchten eines erblickte, ſo ihme noch unbekannt, und
er alsdann ſein vernuͤnfftlich Schalcks-Aug ſo weit herrſchen lieſſe,
dieſe Speiſe nicht allein ohne Grund und Gewißheit verdaͤchtig zu
halten, ſondern aus einem eigenſinnigen Unwillen alle andere Spei-
ſen ſtehen laſſen, aufſtehen, und von der Mahlzeit verdrießlich weg-
gehen, und hernach uͤber alle Speiſen, ſo zugegen geweſen, auf ei-
ne ungehaltene Weiſe herſchelten wollte: Es iſt kein Schaf ſo tumm,
wanns auf eine Waide gehet, da tauſend gute Kraͤutlein und Bluͤm-
lein ſtehen, das nichts eſſe, ſondern nur nachſehe, ob es nichts fin-
de, das zwar gut und heilſam, aber nicht auf dieſe Matten gehoͤre,
und es dann den gantzen Tag nichts thaͤte als ſelbiges Bluͤmlein an-
zublaͤ-
a 1 Cor. XI. 16.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/580>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.