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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Anhang.
damalen noch umgeben mit starcken, irrdischen und noch ungetödte-
ten Neigungen; also ware ihr gutes umhüllet mit Dunckel und Fin-
sternuß und noch sehr unlauter und vermischt; ihr Verstand ware
mit vielen fleischlichen Einbildungen von Aufrichtung eines irrdischen
Reichs beneblet; zumalen auch ihr Leib noch nicht ein so herrlicher
Tempel des H. Geistes ware als wie nach dem Pfingst-Fest; so konn-
te es wohl von ihnen heissen, sie seyen Fleisch oder noch sehr ungeist-
lich, und in ihrer Natürlichkeit eingewickelt gewesen; da hingegen
es vom Teufel heissen könnte, er sey ein durchdringender oder finste-
rer Geist, und sonderlich damahl sehr willig, dem grossen Werck
der Erlösung zu widerstehen: Es könnte hiebey erwiesen werden, daß
Gal. V. 17. nicht vor einen parallel Ort dieser Rede Christi zu hal-
ten seye; wo man sich in disputieren einlassen wollte.

§. 11. Gesetzt aber, man gebe diesem Schrifft-Ort einen solchenWelches
von diesen
beyden der
wahre
Verstand
seye, giltet
gleich viel,

oder anderen heilwärtigen Verstand; dieses hat eben nicht so viel zu
sagen. Dann wir glauben billich, daß wir alle noch von sehr vielen
Schrifft-Stellen nicht den eigentlichen Sinn des Geistes gefasset;
es gibt nicht wenige dunckele Schrifft-Sprüche, davon die GOtts-
Gelehrte, so sonsten gleicher Meynung sind, doch verschiedene Aus-
legungen haben; offt ist der Sinn des H. Geistes sehr geheim in
Buchstaben eingewickelt, also daß der natürliche Mensch, so die
Ding des H. Geistes nicht verstehet, solche Geheimnüsse mit dem
Schlüssel der Vernunfft nicht aufzuschliessen vermag: ja es hat auch
der Geist der Erleuchtung seine verschiedene Stuffen, und ist bey wei-
tem nicht das was der Geist der Jnspiration gewesen, der denen Apo-
stlen gegeben ware mit unfehlbahrer Gewißheit über die Sachen
des Reichs Christi auszusprechen.

§. 12. Wäre demnach sehr liebloß gethan, wann einer den ande-und wäre
liebloß ge-
handelt
einen um
dessent-
willen zu
verkätzern.

ren ungleichen Begriffs wegen irrig schelten, oder gar den Kertzer-
Titul anhängen wollte; Und ist also auch aus diesem Grund sehr un-
billig gewesen, daß einige eifrige Gemüther über diese Predigt übel
zu sprechen gewesen, um der Erklärung dieses einigen Spruchs wil-
len, welche gleichwol mit aller Bescheidenheit vorgetragen worden,
ohne die gemeine Auslegung mit einem Wörtlein anzutasten, vielwe-
niger zu verwerffen; dann ich respectire gern allezeit, was gottseeli-
ge, erfahrene Lehrer geurtheilet, in welchem Absehen auch selbige in
dieser gedruckten Predigt beybehalten worden, allen Anstoß völlig

aufzu-
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Anhang.
damalen noch umgeben mit ſtarcken, irrdiſchen und noch ungetoͤdte-
ten Neigungen; alſo ware ihr gutes umhuͤllet mit Dunckel und Fin-
ſternuß und noch ſehr unlauter und vermiſcht; ihr Verſtand ware
mit vielen fleiſchlichen Einbildungen von Aufrichtung eines irrdiſchen
Reichs beneblet; zumalen auch ihr Leib noch nicht ein ſo herrlicher
Tempel des H. Geiſtes ware als wie nach dem Pfingſt-Feſt; ſo konn-
te es wohl von ihnen heiſſen, ſie ſeyen Fleiſch oder noch ſehr ungeiſt-
lich, und in ihrer Natuͤrlichkeit eingewickelt geweſen; da hingegen
es vom Teufel heiſſen koͤnnte, er ſey ein durchdringender oder finſte-
rer Geiſt, und ſonderlich damahl ſehr willig, dem groſſen Werck
der Erloͤſung zu widerſtehen: Es koͤnnte hiebey erwieſen werden, daß
Gal. V. 17. nicht vor einen parallel Ort dieſer Rede Chriſti zu hal-
ten ſeye; wo man ſich in diſputieren einlaſſen wollte.

§. 11. Geſetzt aber, man gebe dieſem Schrifft-Ort einen ſolchenWelches
von dieſen
beyden der
wahre
Verſtand
ſeye, giltet
gleich viel,

oder anderen heilwaͤrtigen Verſtand; dieſes hat eben nicht ſo viel zu
ſagen. Dann wir glauben billich, daß wir alle noch von ſehr vielen
Schrifft-Stellen nicht den eigentlichen Sinn des Geiſtes gefaſſet;
es gibt nicht wenige dunckele Schrifft-Spruͤche, davon die GOtts-
Gelehrte, ſo ſonſten gleicher Meynung ſind, doch verſchiedene Aus-
legungen haben; offt iſt der Sinn des H. Geiſtes ſehr geheim in
Buchſtaben eingewickelt, alſo daß der natuͤrliche Menſch, ſo die
Ding des H. Geiſtes nicht verſtehet, ſolche Geheimnuͤſſe mit dem
Schluͤſſel der Vernunfft nicht aufzuſchlieſſen vermag: ja es hat auch
der Geiſt der Erleuchtung ſeine verſchiedene Stuffen, und iſt bey wei-
tem nicht das was der Geiſt der Jnſpiration geweſen, der denen Apo-
ſtlen gegeben ware mit unfehlbahrer Gewißheit uͤber die Sachen
des Reichs Chriſti auszuſprechen.

§. 12. Waͤre demnach ſehr liebloß gethan, wann einer den ande-und waͤre
liebloß ge-
handelt
einen um
deſſent-
willen zu
veꝛkaͤtzeꝛn.

ren ungleichen Begriffs wegen irrig ſchelten, oder gar den Kertzer-
Titul anhaͤngen wollte; Und iſt alſo auch aus dieſem Grund ſehr un-
billig geweſen, daß einige eifrige Gemuͤther uͤber dieſe Predigt uͤbel
zu ſprechen geweſen, um der Erklaͤrung dieſes einigen Spruchs wil-
len, welche gleichwol mit aller Beſcheidenheit vorgetragen worden,
ohne die gemeine Auslegung mit einem Woͤrtlein anzutaſten, vielwe-
niger zu verwerffen; dann ich reſpectire gern allezeit, was gottſeeli-
ge, erfahrene Lehrer geurtheilet, in welchem Abſehen auch ſelbige in
dieſer gedruckten Predigt beybehalten worden, allen Anſtoß voͤllig

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[483/0579] Anhang. damalen noch umgeben mit ſtarcken, irrdiſchen und noch ungetoͤdte- ten Neigungen; alſo ware ihr gutes umhuͤllet mit Dunckel und Fin- ſternuß und noch ſehr unlauter und vermiſcht; ihr Verſtand ware mit vielen fleiſchlichen Einbildungen von Aufrichtung eines irrdiſchen Reichs beneblet; zumalen auch ihr Leib noch nicht ein ſo herrlicher Tempel des H. Geiſtes ware als wie nach dem Pfingſt-Feſt; ſo konn- te es wohl von ihnen heiſſen, ſie ſeyen Fleiſch oder noch ſehr ungeiſt- lich, und in ihrer Natuͤrlichkeit eingewickelt geweſen; da hingegen es vom Teufel heiſſen koͤnnte, er ſey ein durchdringender oder finſte- rer Geiſt, und ſonderlich damahl ſehr willig, dem groſſen Werck der Erloͤſung zu widerſtehen: Es koͤnnte hiebey erwieſen werden, daß Gal. V. 17. nicht vor einen parallel Ort dieſer Rede Chriſti zu hal- ten ſeye; wo man ſich in diſputieren einlaſſen wollte. §. 11. Geſetzt aber, man gebe dieſem Schrifft-Ort einen ſolchen oder anderen heilwaͤrtigen Verſtand; dieſes hat eben nicht ſo viel zu ſagen. Dann wir glauben billich, daß wir alle noch von ſehr vielen Schrifft-Stellen nicht den eigentlichen Sinn des Geiſtes gefaſſet; es gibt nicht wenige dunckele Schrifft-Spruͤche, davon die GOtts- Gelehrte, ſo ſonſten gleicher Meynung ſind, doch verſchiedene Aus- legungen haben; offt iſt der Sinn des H. Geiſtes ſehr geheim in Buchſtaben eingewickelt, alſo daß der natuͤrliche Menſch, ſo die Ding des H. Geiſtes nicht verſtehet, ſolche Geheimnuͤſſe mit dem Schluͤſſel der Vernunfft nicht aufzuſchlieſſen vermag: ja es hat auch der Geiſt der Erleuchtung ſeine verſchiedene Stuffen, und iſt bey wei- tem nicht das was der Geiſt der Jnſpiration geweſen, der denen Apo- ſtlen gegeben ware mit unfehlbahrer Gewißheit uͤber die Sachen des Reichs Chriſti auszuſprechen. Welches von dieſen beyden der wahre Verſtand ſeye, giltet gleich viel, §. 12. Waͤre demnach ſehr liebloß gethan, wann einer den ande- ren ungleichen Begriffs wegen irrig ſchelten, oder gar den Kertzer- Titul anhaͤngen wollte; Und iſt alſo auch aus dieſem Grund ſehr un- billig geweſen, daß einige eifrige Gemuͤther uͤber dieſe Predigt uͤbel zu ſprechen geweſen, um der Erklaͤrung dieſes einigen Spruchs wil- len, welche gleichwol mit aller Beſcheidenheit vorgetragen worden, ohne die gemeine Auslegung mit einem Woͤrtlein anzutaſten, vielwe- niger zu verwerffen; dann ich reſpectire gern allezeit, was gottſeeli- ge, erfahrene Lehrer geurtheilet, in welchem Abſehen auch ſelbige in dieſer gedruckten Predigt beybehalten worden, allen Anſtoß voͤllig aufzu- und waͤre liebloß ge- handelt einen um deſſent- willen zu veꝛkaͤtzeꝛn. P p p 2

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/579>, abgerufen am 22.11.2024.