genwart sie nach und nach fühlen werde. Also thate der selige Sa- muel Schuhmacher; Wann ihm die Welt wollte zu eng werden, so besuchte er die Schulen, catechisirte den gantzen Tag; er tröstete auch bekümmerte Hertzen reichlich, raumte ihnen alle Steinen aus dem Weg, so sie aufhielten, daß sie nicht gantz nahe zu der Gnaden- Quell tretten sollten, mit Freuden klare Wasser des Heyls zu schöpf- fen; Wobey ihn sein Gewissen unter allem Reden züchtigte: Ey du armer Tropf! du schwätzest andern vom überschwenglichen Reich- thum Göttlicher Gnaden, nöthigest sie zur Königlichen Hochzeit, und du selbst weigerst dich Hülff, Gnad und Gunst anzunehmen; du überzeugest andern mit tausend Gründen GOtt mache die Blinden sehend, die Gottlosen gerecht, die Sünder heilig, nach dem Ver- lohrnen frage sein grund-gütiges Vatter-Hertz, ja die Verfluchten überschütte Er mit Segen; Todten schencke Er das Leben, und Verdammte mache Er seelig, und das alles umsonst, aus freyer Huld und Liebe; GOtt wolle es je also haben, Krafft seiner ewigen Erbarmungen, dazu habe Er seinen Sohn hingegeben, von dessen erworbenen Gnaden-Gütern niemand ausgeschlossen sey wer nur wol- le, und sich des Guten, das in JEsu Christo ist, bedürfftig zu seyn empfinde, dessen Seel sättige der gnädige Heyland, sollte Er auch der gantzen Welt Sünden begangen haben. Ach diese reiche See- ligkeiten Christi wilt du jedermann auch den grösten Sündern auf- dringen, aber du selbst schliessest dich mit deinem Unglauben davon aus; ob du dich gleich fast zu todt darnach hungerst, auch keinen Menschen kennest, der es nöthiger hätte als du: Durch welche Uber- denckungen ihm bißweilen etwas vom Trost-Balsam eingetröpffelt worden, so nicht geschehen wäre, wo er seiner Muthlosigkeit nach- gehänget, und seinen Beruff nicht pflichtmäßig erstattet hätte: vie- len andern Exempeln von Predigern, Handwercksleuten und so fortan zu geschweigen.
Den Ar- men inson- derheit Glaubi- gen Gutes thue.
§. 19. (4.) Suche, so viel du vermagst, Arme, Nothleidende, für- nehmlich die auf GOtt hoffen und betten können, an Leib und Seel zu erquicken, so wird mancher süsser Himmels-Thau dein verwelck- tes Hertz benetzen, diesen Rath gab Daniel dem Nebucadnetzar Dan. IV. 27. Wann der reiche Mann in seiner Höllen-Quaal solches zu thun vermocht hätte, wurde er den frommen Lazarum wohl oben an seinen Tisch gesetzt, und ihm den niedlichsten Bissen vorgelegt
haben,
Gedancken von den Seelen-Aengſten.
genwart ſie nach und nach fuͤhlen werde. Alſo thate der ſelige Sa- muel Schuhmacher; Wann ihm die Welt wollte zu eng werden, ſo beſuchte er die Schulen, catechiſirte den gantzen Tag; er troͤſtete auch bekuͤmmerte Hertzen reichlich, raumte ihnen alle Steinen aus dem Weg, ſo ſie aufhielten, daß ſie nicht gantz nahe zu der Gnaden- Quell tretten ſollten, mit Freuden klare Waſſer des Heyls zu ſchoͤpf- fen; Wobey ihn ſein Gewiſſen unter allem Reden zuͤchtigte: Ey du armer Tropf! du ſchwaͤtzeſt andern vom uͤberſchwenglichen Reich- thum Goͤttlicher Gnaden, noͤthigeſt ſie zur Koͤniglichen Hochzeit, und du ſelbſt weigerſt dich Huͤlff, Gnad und Gunſt anzunehmen; du uͤberzeugeſt andern mit tauſend Gruͤnden GOtt mache die Blinden ſehend, die Gottloſen gerecht, die Suͤnder heilig, nach dem Ver- lohrnen frage ſein grund-guͤtiges Vatter-Hertz, ja die Verfluchten uͤberſchuͤtte Er mit Segen; Todten ſchencke Er das Leben, und Verdammte mache Er ſeelig, und das alles umſonſt, aus freyer Huld und Liebe; GOtt wolle es je alſo haben, Krafft ſeiner ewigen Erbarmungen, dazu habe Er ſeinen Sohn hingegeben, von deſſen erworbenen Gnaden-Guͤtern niemand ausgeſchloſſen ſey wer nur wol- le, und ſich des Guten, das in JEſu Chriſto iſt, beduͤrfftig zu ſeyn empfinde, deſſen Seel ſaͤttige der gnaͤdige Heyland, ſollte Er auch der gantzen Welt Suͤnden begangen haben. Ach dieſe reiche See- ligkeiten Chriſti wilt du jedermann auch den groͤſten Suͤndern auf- dringen, aber du ſelbſt ſchlieſſeſt dich mit deinem Unglauben davon aus; ob du dich gleich faſt zu todt darnach hungerſt, auch keinen Menſchen kenneſt, der es noͤthiger haͤtte als du: Durch welche Uber- denckungen ihm bißweilen etwas vom Troſt-Balſam eingetroͤpffelt worden, ſo nicht geſchehen waͤre, wo er ſeiner Muthloſigkeit nach- gehaͤnget, und ſeinen Beruff nicht pflichtmaͤßig erſtattet haͤtte: vie- len andern Exempeln von Predigern, Handwercksleuten und ſo fortan zu geſchweigen.
Den Ar- men inſon- derheit Glaubi- gen Gutes thue.
§. 19. (4.) Suche, ſo viel du vermagſt, Arme, Nothleidende, fuͤr- nehmlich die auf GOtt hoffen und betten koͤnnen, an Leib und Seel zu erquicken, ſo wird mancher ſuͤſſer Himmels-Thau dein verwelck- tes Hertz benetzen, dieſen Rath gab Daniel dem Nebucadnetzar Dan. IV. 27. Wann der reiche Mann in ſeiner Hoͤllen-Quaal ſolches zu thun vermocht haͤtte, wurde er den frommen Lazarum wohl oben an ſeinen Tiſch geſetzt, und ihm den niedlichſten Biſſen vorgelegt
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Gedancken von den Seelen-Aengſten.
genwart ſie nach und nach fuͤhlen werde. Alſo thate der ſelige Sa-
muel Schuhmacher; Wann ihm die Welt wollte zu eng werden, ſo
beſuchte er die Schulen, catechiſirte den gantzen Tag; er troͤſtete auch
bekuͤmmerte Hertzen reichlich, raumte ihnen alle Steinen aus dem
Weg, ſo ſie aufhielten, daß ſie nicht gantz nahe zu der Gnaden-
Quell tretten ſollten, mit Freuden klare Waſſer des Heyls zu ſchoͤpf-
fen; Wobey ihn ſein Gewiſſen unter allem Reden zuͤchtigte: Ey du
armer Tropf! du ſchwaͤtzeſt andern vom uͤberſchwenglichen Reich-
thum Goͤttlicher Gnaden, noͤthigeſt ſie zur Koͤniglichen Hochzeit,
und du ſelbſt weigerſt dich Huͤlff, Gnad und Gunſt anzunehmen; du
uͤberzeugeſt andern mit tauſend Gruͤnden GOtt mache die Blinden
ſehend, die Gottloſen gerecht, die Suͤnder heilig, nach dem Ver-
lohrnen frage ſein grund-guͤtiges Vatter-Hertz, ja die Verfluchten
uͤberſchuͤtte Er mit Segen; Todten ſchencke Er das Leben, und
Verdammte mache Er ſeelig, und das alles umſonſt, aus freyer
Huld und Liebe; GOtt wolle es je alſo haben, Krafft ſeiner ewigen
Erbarmungen, dazu habe Er ſeinen Sohn hingegeben, von deſſen
erworbenen Gnaden-Guͤtern niemand ausgeſchloſſen ſey wer nur wol-
le, und ſich des Guten, das in JEſu Chriſto iſt, beduͤrfftig zu ſeyn
empfinde, deſſen Seel ſaͤttige der gnaͤdige Heyland, ſollte Er auch
der gantzen Welt Suͤnden begangen haben. Ach dieſe reiche See-
ligkeiten Chriſti wilt du jedermann auch den groͤſten Suͤndern auf-
dringen, aber du ſelbſt ſchlieſſeſt dich mit deinem Unglauben davon
aus; ob du dich gleich faſt zu todt darnach hungerſt, auch keinen
Menſchen kenneſt, der es noͤthiger haͤtte als du: Durch welche Uber-
denckungen ihm bißweilen etwas vom Troſt-Balſam eingetroͤpffelt
worden, ſo nicht geſchehen waͤre, wo er ſeiner Muthloſigkeit nach-
gehaͤnget, und ſeinen Beruff nicht pflichtmaͤßig erſtattet haͤtte: vie-
len andern Exempeln von Predigern, Handwercksleuten und ſo fortan
zu geſchweigen.
§. 19. (4.) Suche, ſo viel du vermagſt, Arme, Nothleidende, fuͤr-
nehmlich die auf GOtt hoffen und betten koͤnnen, an Leib und Seel
zu erquicken, ſo wird mancher ſuͤſſer Himmels-Thau dein verwelck-
tes Hertz benetzen, dieſen Rath gab Daniel dem Nebucadnetzar
Dan. IV. 27. Wann der reiche Mann in ſeiner Hoͤllen-Quaal ſolches
zu thun vermocht haͤtte, wurde er den frommen Lazarum wohl oben
an ſeinen Tiſch geſetzt, und ihm den niedlichſten Biſſen vorgelegt
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/618>, abgerufen am 22.11.2024.
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