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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Zuschrifft.
du fruchtbare Mutter unzahlbarer Heiliger Himmels-Geburten, ach
wo sind jetzt solche Müttere, die in unabläßigem Schmertzen, Ge-
burts-Thränen und Gebetteren Tag und Nacht heilige Einwoh-
ner in die neue Welt und Mitgenossen Christi ausgebähren a? Es
fanden sich zwar zwey oder drey, wie wir hernach werden sehen, die
was geistlicher Erfahrung hatten: Allein sie waren dem Bischoff
verhasset, und sehr verdächtig, so daß er gar nichts mit ihnen woll-
te zu schaffen haben, ja es ware ihm was unleidenlich nur ihre An-
gesichter zu sehen, oder das Rauschen ihrer Füssen zu hören, wann
man nur ihren Nahmen nennte, so gienge das Zorn-Feuer an und
brandte liechter-loh; dann er hat müssen vernehmen es gehe eine Re-
de unter dem Volck herum, diese Leut seyen weisser und frömmer als
der Prälat, man habe mehr Erbauung von ihnen als von dem Herrn
Vorsteher.

und als
er nicht
wußte wie
die Sach
weiter
anzugreif-
fen seye,

§. 8. Nun stunde unser Bischoff ziemlich hart an, Paulus ware
nicht mehr zu gegen, er ware so bald nach gegebener Erinnerung wie-
der verreiset, da ware leyder kein in himmlischem Licht und Recht
stehender Freund GOttes weit und breit anzutreffen, bey deme er
sich hätte können Raths erholen; So stunde auch der arme Mann
gar in keiner Bekanntschafft mit dem Hertzog des Lebens, sich mit
ihme in geheim zu unterreden, wie die Sach vorzunehmen; Und wie-
wohl ihm sein Gewissen innerlich sagte, er sollte fein selbst der erste
Heilige unter seinem Volck zu werden trachten, und nicht nachlas-
sen JEsu Gnad anzuflehen, biß er ein rein, neu Hertz in ihm ge-
schaffen b, so werde es nach und nach hie und da andere abgeben,
die seinem Exempel folgen werden; So gehorchete er dennoch diesem
holden Rath nicht c, das dauchte ihn zu mühselig; Summa er hatte
wenig Lust zu solcher strengen Arbeit, er wolte sich nicht wehe thun d.

liesse er
sich end-
lich von
einem
Künstler
geschnitzte
Heilige
machen,

§. 9. Jndessen kame ein Künstler daher, der wohl schnitzen und
mahlen konnte, da gedachte der nunmehr an der Herrlichkeit JE-
SUS verzagende Bischoff: Habe ich nicht GOTT, lebendige
Heiligen auf Erden zu pflantzen, so habe ich Gold, und darvon geb
ich etwas dem Künstler, der verfertiget mir in kurtzer Zeit einen tod-
ten Heiligen, den will ich dann an ein hohes Ort in der Kirch hin-

setzen,
a Gal. IV. 26. 27.
b Jes. LX. 22. Jer. L. 8.
c Prov. XXI. 25.
d Matth. XVIII. 8.

Zuſchrifft.
du fruchtbare Mutter unzahlbarer Heiliger Himmels-Geburten, ach
wo ſind jetzt ſolche Muͤttere, die in unablaͤßigem Schmertzen, Ge-
burts-Thraͤnen und Gebetteren Tag und Nacht heilige Einwoh-
ner in die neue Welt und Mitgenoſſen Chriſti ausgebaͤhren a? Es
fanden ſich zwar zwey oder drey, wie wir hernach werden ſehen, die
was geiſtlicher Erfahrung hatten: Allein ſie waren dem Biſchoff
verhaſſet, und ſehr verdaͤchtig, ſo daß er gar nichts mit ihnen woll-
te zu ſchaffen haben, ja es ware ihm was unleidenlich nur ihre An-
geſichter zu ſehen, oder das Rauſchen ihrer Fuͤſſen zu hoͤren, wann
man nur ihren Nahmen nennte, ſo gienge das Zorn-Feuer an und
brandte liechter-loh; dann er hat muͤſſen vernehmen es gehe eine Re-
de unter dem Volck herum, dieſe Leut ſeyen weiſſer und froͤmmer als
der Praͤlat, man habe mehr Erbauung von ihnen als von dem Herrn
Vorſteher.

und als
er nicht
wußte wie
die Sach
weiter
anzugreif-
fen ſeye,

§. 8. Nun ſtunde unſer Biſchoff ziemlich hart an, Paulus ware
nicht mehr zu gegen, er ware ſo bald nach gegebener Erinnerung wie-
der verreiſet, da ware leyder kein in himmliſchem Licht und Recht
ſtehender Freund GOttes weit und breit anzutreffen, bey deme er
ſich haͤtte koͤnnen Raths erholen; So ſtunde auch der arme Mann
gar in keiner Bekanntſchafft mit dem Hertzog des Lebens, ſich mit
ihme in geheim zu unterreden, wie die Sach vorzunehmen; Und wie-
wohl ihm ſein Gewiſſen innerlich ſagte, er ſollte fein ſelbſt der erſte
Heilige unter ſeinem Volck zu werden trachten, und nicht nachlaſ-
ſen JEſu Gnad anzuflehen, biß er ein rein, neu Hertz in ihm ge-
ſchaffen b, ſo werde es nach und nach hie und da andere abgeben,
die ſeinem Exempel folgen werden; So gehorchete er dennoch dieſem
holden Rath nicht c, das dauchte ihn zu muͤhſelig; Summa er hatte
wenig Luſt zu ſolcher ſtrengen Arbeit, er wolte ſich nicht wehe thun d.

lieſſe er
ſich end-
lich von
einem
Kuͤnſtler
geſchnitzte
Heilige
machen,

§. 9. Jndeſſen kame ein Kuͤnſtler daher, der wohl ſchnitzen und
mahlen konnte, da gedachte der nunmehr an der Herrlichkeit JE-
SUS verzagende Biſchoff: Habe ich nicht GOTT, lebendige
Heiligen auf Erden zu pflantzen, ſo habe ich Gold, und darvon geb
ich etwas dem Kuͤnſtler, der verfertiget mir in kurtzer Zeit einen tod-
ten Heiligen, den will ich dann an ein hohes Ort in der Kirch hin-

ſetzen,
a Gal. IV. 26. 27.
b Jeſ. LX. 22. Jer. L. 8.
c Prov. XXI. 25.
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[552/0648] Zuſchrifft. du fruchtbare Mutter unzahlbarer Heiliger Himmels-Geburten, ach wo ſind jetzt ſolche Muͤttere, die in unablaͤßigem Schmertzen, Ge- burts-Thraͤnen und Gebetteren Tag und Nacht heilige Einwoh- ner in die neue Welt und Mitgenoſſen Chriſti ausgebaͤhren a? Es fanden ſich zwar zwey oder drey, wie wir hernach werden ſehen, die was geiſtlicher Erfahrung hatten: Allein ſie waren dem Biſchoff verhaſſet, und ſehr verdaͤchtig, ſo daß er gar nichts mit ihnen woll- te zu ſchaffen haben, ja es ware ihm was unleidenlich nur ihre An- geſichter zu ſehen, oder das Rauſchen ihrer Fuͤſſen zu hoͤren, wann man nur ihren Nahmen nennte, ſo gienge das Zorn-Feuer an und brandte liechter-loh; dann er hat muͤſſen vernehmen es gehe eine Re- de unter dem Volck herum, dieſe Leut ſeyen weiſſer und froͤmmer als der Praͤlat, man habe mehr Erbauung von ihnen als von dem Herrn Vorſteher. §. 8. Nun ſtunde unſer Biſchoff ziemlich hart an, Paulus ware nicht mehr zu gegen, er ware ſo bald nach gegebener Erinnerung wie- der verreiſet, da ware leyder kein in himmliſchem Licht und Recht ſtehender Freund GOttes weit und breit anzutreffen, bey deme er ſich haͤtte koͤnnen Raths erholen; So ſtunde auch der arme Mann gar in keiner Bekanntſchafft mit dem Hertzog des Lebens, ſich mit ihme in geheim zu unterreden, wie die Sach vorzunehmen; Und wie- wohl ihm ſein Gewiſſen innerlich ſagte, er ſollte fein ſelbſt der erſte Heilige unter ſeinem Volck zu werden trachten, und nicht nachlaſ- ſen JEſu Gnad anzuflehen, biß er ein rein, neu Hertz in ihm ge- ſchaffen b, ſo werde es nach und nach hie und da andere abgeben, die ſeinem Exempel folgen werden; So gehorchete er dennoch dieſem holden Rath nicht c, das dauchte ihn zu muͤhſelig; Summa er hatte wenig Luſt zu ſolcher ſtrengen Arbeit, er wolte ſich nicht wehe thun d. §. 9. Jndeſſen kame ein Kuͤnſtler daher, der wohl ſchnitzen und mahlen konnte, da gedachte der nunmehr an der Herrlichkeit JE- SUS verzagende Biſchoff: Habe ich nicht GOTT, lebendige Heiligen auf Erden zu pflantzen, ſo habe ich Gold, und darvon geb ich etwas dem Kuͤnſtler, der verfertiget mir in kurtzer Zeit einen tod- ten Heiligen, den will ich dann an ein hohes Ort in der Kirch hin- ſetzen, a Gal. IV. 26. 27. b Jeſ. LX. 22. Jer. L. 8. c Prov. XXI. 25. d Matth. XVIII. 8.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/648>, abgerufen am 22.11.2024.