§. 2. Die Ursach nun warum GOttes Sohn ins Fleisch kommen,um uns aus dem Elend da- rinnen wir ge- stecket seynd zu erlösen. ist unser Elend, und Noth der Sünden. Uns sagt Jesajas, nicht ihm selbst, nicht den Englen, sondern Uns; und eben die Sprach führet der Engel: Eucha ist gebohren der Gesalbete, der souveraine oder höchstgebietende Monarch über alles im Himmel und auf Er- den. Unser Jämmer hat den GOtt der Liebe in unser Fleisch und Blut hinein gezogen: Wären wir nicht gefallen, so wäre die ewige Brunst und Gluth der erbarmenden Liebe der GOttheit nie also ausgebrochen in so viel Thränen, Blut, Müh und Schmertzen. O felix culpa, quae tantum nobis meruisti redemtorem!
Adams Fall ist jämmerlich: Doch wie hat so seeliglich GOTT es können wenden! Adams Tod und Hertzenleyd Brachte JESUM in die Zeit: JESUS ist das Ende. Stuhnde Adam noch im Licht, Wüßten wir von JESU nichts. Hin ist das Elende!
GOtt hätte uns ja wohl in unserem Pfuhl können zapplen lassen ohne Hilff, ohne Heyland, und ihm selbst die lieblichsten, heiligsten, herrlichsten Geschöpffe hervor bringen: Weil er aber uns Sünder und Rebellen in seinem Reich haben, und zu seinem allerseeligsten Anschauen und Genuß seiner Herrlichkeit einführen wollte, so muß- te diese unendliche Person an unsere Stelle tretten, sich in unsere Person einkleiden, einverleiben, und als unser einer auf ewig erschei- nen, nicht nur vor eine kleine Zeit in Menschen-Gestalt sich sehen lassen, als wie den Propheten und alten Gläubigen, sondern es müßte von seiner Geburt an kein Augenblick mehr seyn, in alle Ewig- keiten, daß wir nicht sagen können: GOtt erscheinet nicht nur, sondern ist es in der That, ein Mensch, und ein Mensch ist GOtt; GOtt ist mein allergetreuster Bruder, und der, so es eintzig gut und brüderlich mit mir meynt, der ist GOtt, hochgelobt in Ewig- keit, Amen.
§. 3. Und
aLuc. II. 11.
F f f f 3
Weyhnachts-Gedancken.
§. 2. Die Urſach nun warum GOttes Sohn ins Fleiſch kommen,um uns aus dem Elend da- rinnen wir ge- ſtecket ſeynd zu erloͤſen. iſt unſer Elend, und Noth der Suͤnden. Uns ſagt Jeſajas, nicht ihm ſelbſt, nicht den Englen, ſondern Uns; und eben die Sprach fuͤhret der Engel: Eucha iſt gebohren der Geſalbete, der ſouveraine oder hoͤchſtgebietende Monarch uͤber alles im Himmel und auf Er- den. Unſer Jaͤmmer hat den GOtt der Liebe in unſer Fleiſch und Blut hinein gezogen: Waͤren wir nicht gefallen, ſo waͤre die ewige Brunſt und Gluth der erbarmenden Liebe der GOttheit nie alſo ausgebrochen in ſo viel Thraͤnen, Blut, Muͤh und Schmertzen. O felix culpa, quæ tantum nobis meruiſti redemtorem!
Adams Fall iſt jaͤmmerlich: Doch wie hat ſo ſeeliglich GOTT es koͤnnen wenden! Adams Tod und Hertzenleyd Brachte JESUM in die Zeit: JESUS iſt das Ende. Stuhnde Adam noch im Licht, Wuͤßten wir von JESU nichts. Hin iſt das Elende!
GOtt haͤtte uns ja wohl in unſerem Pfuhl koͤnnen zapplen laſſen ohne Hilff, ohne Heyland, und ihm ſelbſt die lieblichſten, heiligſten, herrlichſten Geſchoͤpffe hervor bringen: Weil er aber uns Suͤnder und Rebellen in ſeinem Reich haben, und zu ſeinem allerſeeligſten Anſchauen und Genuß ſeiner Herrlichkeit einfuͤhren wollte, ſo muß- te dieſe unendliche Perſon an unſere Stelle tretten, ſich in unſere Perſon einkleiden, einverleiben, und als unſer einer auf ewig erſchei- nen, nicht nur vor eine kleine Zeit in Menſchen-Geſtalt ſich ſehen laſſen, als wie den Propheten und alten Glaͤubigen, ſondern es muͤßte von ſeiner Geburt an kein Augenblick mehr ſeyn, in alle Ewig- keiten, daß wir nicht ſagen koͤnnen: GOtt erſcheinet nicht nur, ſondern iſt es in der That, ein Menſch, und ein Menſch iſt GOtt; GOtt iſt mein allergetreuſter Bruder, und der, ſo es eintzig gut und bruͤderlich mit mir meynt, der iſt GOtt, hochgelobt in Ewig- keit, Amen.
§. 3. Und
aLuc. II. 11.
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Weyhnachts-Gedancken.
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den. Unſer Jaͤmmer hat den GOtt der Liebe in unſer Fleiſch und
Blut hinein gezogen: Waͤren wir nicht gefallen, ſo waͤre die ewige
Brunſt und Gluth der erbarmenden Liebe der GOttheit nie alſo
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O felix culpa, quæ tantum nobis meruiſti redemtorem!
um uns
aus dem
Elend da-
rinnen
wir ge-
ſtecket
ſeynd zu
erloͤſen.
Adams Fall iſt jaͤmmerlich:
Doch wie hat ſo ſeeliglich
GOTT es koͤnnen wenden!
Adams Tod und Hertzenleyd
Brachte JESUM in die Zeit:
JESUS iſt das Ende.
Stuhnde Adam noch im Licht,
Wuͤßten wir von JESU nichts.
Hin iſt das Elende!
GOtt haͤtte uns ja wohl in unſerem Pfuhl koͤnnen zapplen laſſen ohne
Hilff, ohne Heyland, und ihm ſelbſt die lieblichſten, heiligſten,
herrlichſten Geſchoͤpffe hervor bringen: Weil er aber uns Suͤnder
und Rebellen in ſeinem Reich haben, und zu ſeinem allerſeeligſten
Anſchauen und Genuß ſeiner Herrlichkeit einfuͤhren wollte, ſo muß-
te dieſe unendliche Perſon an unſere Stelle tretten, ſich in unſere
Perſon einkleiden, einverleiben, und als unſer einer auf ewig erſchei-
nen, nicht nur vor eine kleine Zeit in Menſchen-Geſtalt ſich ſehen
laſſen, als wie den Propheten und alten Glaͤubigen, ſondern es
muͤßte von ſeiner Geburt an kein Augenblick mehr ſeyn, in alle Ewig-
keiten, daß wir nicht ſagen koͤnnen: GOtt erſcheinet nicht nur,
ſondern iſt es in der That, ein Menſch, und ein Menſch iſt GOtt;
GOtt iſt mein allergetreuſter Bruder, und der, ſo es eintzig gut
und bruͤderlich mit mir meynt, der iſt GOtt, hochgelobt in Ewig-
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a Luc. II. 11.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/693>, abgerufen am 22.11.2024.
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