Eine Prob seiner Lie- be ist des- sen armse- lige Ge- burt.
§. 3. Und daß ihne nichts als das brausende Eingeweid seiner Er- barmungen a gegen seine verarmete, Lands-vertriebene, umher schweif- fende, in die Sclaverey und Leibeigenschafft verkauffte, unter der Sünd, Teufel, Tod, Höll und Gesetzes-Verdammung im Gewis- sen gefangene Brüder, in diß Jammerthal herab gebracht, ware bereits daraus abzunehmen, weilen kein Bettel-Kind erbärmlicher tractiert, und elendiger accommodiert und zugerüstet werden kan, als dieser Schöpffer, Erhalter und Besitzer Himmels und der Er- den, bey seiner Geburt; da er im ersten Augenblick seines Le- bens zeigte, daß er sich in unsere Schulden gesteckt, unsere Bürde aufgeladen, und was wir auf Erden gesündiget, zu büssen über sich genommen b. Anderst könnte es nicht seyn; will er uns heilig und seelig machen, so muß sein Sehn herhalten; dann GOtt kan ein- mahl die Sünd unmöglich ungestrafft lassen.
Die Hei- ligkeit GOttes,
§. 4. I. Wegen seiner allerheiligsten Natur hat er einen unendli- chen c Haß wider die Sünd, als den unflätigsten Wust, der seines gleichen nicht hat, er kan sich selbst nicht verläugnen. Will er Sün- der in seiner innigsten Gemeinschafft haben, so mußte das holdseelige JEsulein, das Hertzens-Kindelein, das liebe Lämmlein, an unser statt den erschröcklichen Fluch und Tod tragen, dargegen d die Por- ten der Seeligkeit und des Lebens aufthun e, und also mußte der Hertzog der Seeligkeit durch GOttes Gnad für alle den Tod schme- cken, und durch Leiden vollendet werden f: Das liebe Hertzlein wußte schon in der Krippen, was meinetwegen auf es wartete.
dessen Ge- rechtigkeit
§. 5. II. Weilen GOtt ein gerechter Richter ist, darum muß die Schmach seiner Majestät angethan, und die Ubertrettung seiner allerheiligsten Gesätzen gerochen seyn: Oder kan er darzu schwei- gen g, wann man zwey Hertzen haben will, eines vor ihn, und das andere vor den Welt-Geist, da dieser noch die Ober-Stelle hat, den besten Ort im Hertzen, grundliche Hochachtung und willigen Gehorsam, indem man mehr um seinetwillen thut, als aus Liebe zu GOtt: Sollte nun unser allgemeine HErr diesen Schimpff nicht ahnden h? Ach das gehet alles über dieses allerheiligste unschuldigste Kind aus, alle unsere Boßheiten.
§. 6. III. We-
aJes. LIII. & XLIII. 24.
bPs. XL. 7. 13.
cHab. I. 13.
dGal. III. 13. 14.
eMatth. XXVII. 51.
fHebr. II. 9. 10.
gJerem. III. 13. 31.
hHag. I. 4.
Weyhnachts-Gedancken.
Eine Prob ſeiner Lie- be iſt deſ- ſen armſe- lige Ge- burt.
§. 3. Und daß ihne nichts als das brauſende Eingeweid ſeiner Er- barmungen a gegen ſeine verarmete, Lands-vertriebene, umher ſchweif- fende, in die Sclaverey und Leibeigenſchafft verkauffte, unter der Suͤnd, Teufel, Tod, Hoͤll und Geſetzes-Verdammung im Gewiſ- ſen gefangene Bruͤder, in diß Jammerthal herab gebracht, ware bereits daraus abzunehmen, weilen kein Bettel-Kind erbaͤrmlicher tractiert, und elendiger accommodiert und zugeruͤſtet werden kan, als dieſer Schoͤpffer, Erhalter und Beſitzer Himmels und der Er- den, bey ſeiner Geburt; da er im erſten Augenblick ſeines Le- bens zeigte, daß er ſich in unſere Schulden geſteckt, unſere Buͤrde aufgeladen, und was wir auf Erden geſuͤndiget, zu buͤſſen uͤber ſich genommen b. Anderſt koͤnnte es nicht ſeyn; will er uns heilig und ſeelig machen, ſo muß ſein Sehn herhalten; dann GOtt kan ein- mahl die Suͤnd unmoͤglich ungeſtrafft laſſen.
Die Hei- ligkeit GOttes,
§. 4. I. Wegen ſeiner allerheiligſten Natur hat er einen unendli- chen c Haß wider die Suͤnd, als den unflaͤtigſten Wuſt, der ſeines gleichen nicht hat, er kan ſich ſelbſt nicht verlaͤugnen. Will er Suͤn- der in ſeiner innigſten Gemeinſchafft haben, ſo mußte das holdſeelige JEſulein, das Hertzens-Kindelein, das liebe Laͤmmlein, an unſer ſtatt den erſchroͤcklichen Fluch und Tod tragen, dargegen d die Por- ten der Seeligkeit und des Lebens aufthun e, und alſo mußte der Hertzog der Seeligkeit durch GOttes Gnad fuͤr alle den Tod ſchme- cken, und durch Leiden vollendet werden f: Das liebe Hertzlein wußte ſchon in der Krippen, was meinetwegen auf es wartete.
deſſen Ge- rechtigkeit
§. 5. II. Weilen GOtt ein gerechter Richter iſt, darum muß die Schmach ſeiner Majeſtaͤt angethan, und die Ubertrettung ſeiner allerheiligſten Geſaͤtzen gerochen ſeyn: Oder kan er darzu ſchwei- gen g, wann man zwey Hertzen haben will, eines vor ihn, und das andere vor den Welt-Geiſt, da dieſer noch die Ober-Stelle hat, den beſten Ort im Hertzen, grundliche Hochachtung und willigen Gehorſam, indem man mehr um ſeinetwillen thut, als aus Liebe zu GOtt: Sollte nun unſer allgemeine HErr dieſen Schimpff nicht ahnden h? Ach das gehet alles uͤber dieſes allerheiligſte unſchuldigſte Kind aus, alle unſere Boßheiten.
§. 6. III. We-
aJeſ. LIII. & XLIII. 24.
bPſ. XL. 7. 13.
cHab. I. 13.
dGal. III. 13. 14.
eMatth. XXVII. 51.
fHebr. II. 9. 10.
gJerem. III. 13. 31.
hHag. I. 4.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0694"n="598"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Weyhnachts-Gedancken.</hi></fw><lb/><noteplace="left">Eine Prob<lb/>ſeiner Lie-<lb/>
be iſt deſ-<lb/>ſen armſe-<lb/>
lige Ge-<lb/>
burt.</note><p>§. 3. Und daß ihne nichts als das brauſende Eingeweid ſeiner Er-<lb/>
barmungen <noteplace="foot"n="a"><hirendition="#aq">Jeſ. LIII. & XLIII.</hi> 24.</note> gegen ſeine verarmete, Lands-vertriebene, umher ſchweif-<lb/>
fende, in die Sclaverey und Leibeigenſchafft verkauffte, unter der<lb/>
Suͤnd, Teufel, Tod, Hoͤll und Geſetzes-Verdammung im Gewiſ-<lb/>ſen gefangene Bruͤder, in diß Jammerthal herab gebracht, ware<lb/>
bereits daraus abzunehmen, weilen kein Bettel-Kind erbaͤrmlicher<lb/>
tractiert, und elendiger accommodiert und zugeruͤſtet werden kan,<lb/>
als dieſer Schoͤpffer, Erhalter und Beſitzer Himmels und der Er-<lb/>
den, bey ſeiner Geburt; da er im erſten Augenblick ſeines Le-<lb/>
bens zeigte, daß er ſich in unſere Schulden geſteckt, unſere Buͤrde<lb/>
aufgeladen, und was wir auf Erden geſuͤndiget, zu buͤſſen uͤber ſich<lb/>
genommen <noteplace="foot"n="b"><hirendition="#aq">Pſ. XL.</hi> 7. 13.</note>. Anderſt koͤnnte es nicht ſeyn; will er uns heilig und<lb/>ſeelig machen, ſo muß ſein Sehn herhalten; dann GOtt kan ein-<lb/>
mahl die Suͤnd unmoͤglich ungeſtrafft laſſen.</p><lb/><noteplace="left">Die Hei-<lb/>
ligkeit<lb/>
GOttes,</note><p>§. 4. <hirendition="#aq">I.</hi> Wegen ſeiner allerheiligſten Natur hat er einen unendli-<lb/>
chen <noteplace="foot"n="c"><hirendition="#aq">Hab. I.</hi> 13.</note> Haß wider die Suͤnd, als den unflaͤtigſten Wuſt, der ſeines<lb/>
gleichen nicht hat, er kan ſich ſelbſt nicht verlaͤugnen. Will er Suͤn-<lb/>
der in ſeiner innigſten Gemeinſchafft haben, ſo mußte das holdſeelige<lb/>
JEſulein, das Hertzens-Kindelein, das liebe Laͤmmlein, an unſer<lb/>ſtatt den erſchroͤcklichen Fluch und Tod tragen, dargegen <noteplace="foot"n="d"><hirendition="#aq">Gal.<lb/>
III.</hi> 13. 14.</note> die Por-<lb/>
ten der Seeligkeit und des Lebens aufthun <noteplace="foot"n="e"><hirendition="#aq">Matth. XXVII.</hi> 51.</note>, und alſo mußte der<lb/>
Hertzog der Seeligkeit durch GOttes Gnad fuͤr alle den Tod ſchme-<lb/>
cken, und durch Leiden vollendet werden <noteplace="foot"n="f"><hirendition="#aq">Hebr. II.</hi> 9. 10.</note>: Das liebe Hertzlein<lb/>
wußte ſchon in der Krippen, was meinetwegen auf es wartete.</p><lb/><noteplace="left">deſſen Ge-<lb/>
rechtigkeit</note><p>§. 5. <hirendition="#aq">II.</hi> Weilen GOtt ein gerechter Richter iſt, darum muß<lb/>
die Schmach ſeiner Majeſtaͤt angethan, und die Ubertrettung ſeiner<lb/>
allerheiligſten Geſaͤtzen gerochen ſeyn: Oder kan er darzu ſchwei-<lb/>
gen <noteplace="foot"n="g"><hirendition="#aq">Jerem. III.</hi><lb/>
13. 31.</note>, wann man zwey Hertzen haben will, eines vor ihn, und das<lb/>
andere vor den Welt-Geiſt, da dieſer noch die Ober-Stelle hat,<lb/>
den beſten Ort im Hertzen, grundliche Hochachtung und willigen<lb/>
Gehorſam, indem man mehr um ſeinetwillen thut, als aus Liebe zu<lb/>
GOtt: Sollte nun unſer allgemeine HErr dieſen Schimpff nicht<lb/>
ahnden <noteplace="foot"n="h"><hirendition="#aq">Hag. I.</hi> 4.</note>? Ach das gehet alles uͤber dieſes allerheiligſte unſchuldigſte<lb/>
Kind aus, alle unſere Boßheiten.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">§. 6. <hirendition="#aq">III.</hi> We-</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[598/0694]
Weyhnachts-Gedancken.
§. 3. Und daß ihne nichts als das brauſende Eingeweid ſeiner Er-
barmungen a gegen ſeine verarmete, Lands-vertriebene, umher ſchweif-
fende, in die Sclaverey und Leibeigenſchafft verkauffte, unter der
Suͤnd, Teufel, Tod, Hoͤll und Geſetzes-Verdammung im Gewiſ-
ſen gefangene Bruͤder, in diß Jammerthal herab gebracht, ware
bereits daraus abzunehmen, weilen kein Bettel-Kind erbaͤrmlicher
tractiert, und elendiger accommodiert und zugeruͤſtet werden kan,
als dieſer Schoͤpffer, Erhalter und Beſitzer Himmels und der Er-
den, bey ſeiner Geburt; da er im erſten Augenblick ſeines Le-
bens zeigte, daß er ſich in unſere Schulden geſteckt, unſere Buͤrde
aufgeladen, und was wir auf Erden geſuͤndiget, zu buͤſſen uͤber ſich
genommen b. Anderſt koͤnnte es nicht ſeyn; will er uns heilig und
ſeelig machen, ſo muß ſein Sehn herhalten; dann GOtt kan ein-
mahl die Suͤnd unmoͤglich ungeſtrafft laſſen.
§. 4. I. Wegen ſeiner allerheiligſten Natur hat er einen unendli-
chen c Haß wider die Suͤnd, als den unflaͤtigſten Wuſt, der ſeines
gleichen nicht hat, er kan ſich ſelbſt nicht verlaͤugnen. Will er Suͤn-
der in ſeiner innigſten Gemeinſchafft haben, ſo mußte das holdſeelige
JEſulein, das Hertzens-Kindelein, das liebe Laͤmmlein, an unſer
ſtatt den erſchroͤcklichen Fluch und Tod tragen, dargegen d die Por-
ten der Seeligkeit und des Lebens aufthun e, und alſo mußte der
Hertzog der Seeligkeit durch GOttes Gnad fuͤr alle den Tod ſchme-
cken, und durch Leiden vollendet werden f: Das liebe Hertzlein
wußte ſchon in der Krippen, was meinetwegen auf es wartete.
§. 5. II. Weilen GOtt ein gerechter Richter iſt, darum muß
die Schmach ſeiner Majeſtaͤt angethan, und die Ubertrettung ſeiner
allerheiligſten Geſaͤtzen gerochen ſeyn: Oder kan er darzu ſchwei-
gen g, wann man zwey Hertzen haben will, eines vor ihn, und das
andere vor den Welt-Geiſt, da dieſer noch die Ober-Stelle hat,
den beſten Ort im Hertzen, grundliche Hochachtung und willigen
Gehorſam, indem man mehr um ſeinetwillen thut, als aus Liebe zu
GOtt: Sollte nun unſer allgemeine HErr dieſen Schimpff nicht
ahnden h? Ach das gehet alles uͤber dieſes allerheiligſte unſchuldigſte
Kind aus, alle unſere Boßheiten.
§. 6. III. We-
a Jeſ. LIII. & XLIII. 24.
b Pſ. XL. 7. 13.
c Hab. I. 13.
d Gal.
III. 13. 14.
e Matth. XXVII. 51.
f Hebr. II. 9. 10.
g Jerem. III.
13. 31.
h Hag. I. 4.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/694>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.