richtig, aber die Seelen-Flecken sind so tieff eingebacken, die Sün- den-Wunden so gifftig, vermodert und unzählich, und der gantze Acker des Hertzens mit so vielem Gstrüpp und Unkraut überwachsen, daß sie nicht wissen wo anfangen?
Jhre inn- wendige Rührun- gen.
§. 2. Der gnädige und holdselige JEsus laßt sie zwar viel Gu- tes von sich und seiner erworbenen Erlösung hören, gibt ihnen auch recht Seel-zerschmeltzende Freuden-Blicke zu geniessen, daß sie so frölich darab werden, daß sie dunckt, sie wollten wohl mit Freuden sterben, an ihrer Seeligkeit keines wegs zweifflende; sie werden auch zu Zeiten durch diese und jene Verheissung der Heil. Schrifft inner- lich so sehr bewegt, daß sie wohl mit heissen Thränen und Seufftzen um deren Erfüllung anhalten, auch einige Ruhe darüber in sich em- pfinden, die ihnen erfreulich und erwünscht ist.
Solches sind keine rechte Christen- Proben.
§. 3. Möchtest du, lieber Leser, gedencken, ey das seyen ja bekehr- te Christen, denen es also gehet; Ach nein, nein! Dann wiewohlen nicht zu laugnen, daß dieses nicht Vorbotten seyn können im seeligen Gnaden-Stand, sintemal gleichwie ein Gläubiger wohl einen Vor- schmack unterweilen geniessen kan der ewigen Herrlichkeit, so mag auch ein Mensch in seinem Natur-Stand bereits etwas zum Vor- schein kriegen von der Offenbahrung der Gnad, als zwitzerende Stern- lein vor der Sonnen. Oder wie Josephs heimliche Geschenck der vollen Entdeckung seines Bruder-Hertzens. Daß aber darauf nicht allemahl zu fussen seye, lehret Paulus, anzeigende, daß ein Mensch könne die Kräfften der künfftigen Welt schmecken etc. und dannoch als ein verfluchter Heuchler endlich von GOTT verstossen und verworf- fen werden, da ihm dann eben solche Gnaden-Blicke die Höll uner- träglicher und heisser machen werden, wann er diesem so freundlich anklopffenden Bräutigam nicht aufgethan, und ihne nicht mit seinem gantzen Creutz aufgenommen haben wird; gewiß wird sich der weniger verantworten können, der die Stimm der allergrösten Liebe, der un- ergründlichen Barmhertzigkeit, die Stimm des Lamms, der Gluck- Hennen, die Stimm des versöhnenden Bluts, der allerfruchtbar- sten Wunden mit Honig-süsser Empfindung begleitet, sich nicht hat ziehen lassen in alle Verläugnung, Aufopfferung und Nachfolg seines so lieblich lockenden Seeligmachers, als derjenige, den entweders nur die Stimm des Richters, und der Donner-Schall des Gesetz- gebers, als eines brüllenden Löwens erschrecket, oder die Stimm
der
richtig, aber die Seelen-Flecken ſind ſo tieff eingebacken, die Suͤn- den-Wunden ſo gifftig, vermodert und unzaͤhlich, und der gantze Acker des Hertzens mit ſo vielem Gſtruͤpp und Unkraut uͤberwachſen, daß ſie nicht wiſſen wo anfangen?
Jhre inn- wendige Ruͤhrun- gen.
§. 2. Der gnaͤdige und holdſelige JEſus laßt ſie zwar viel Gu- tes von ſich und ſeiner erworbenen Erloͤſung hoͤren, gibt ihnen auch recht Seel-zerſchmeltzende Freuden-Blicke zu genieſſen, daß ſie ſo froͤlich darab werden, daß ſie dunckt, ſie wollten wohl mit Freuden ſterben, an ihrer Seeligkeit keines wegs zweifflende; ſie werden auch zu Zeiten durch dieſe und jene Verheiſſung der Heil. Schrifft inner- lich ſo ſehr bewegt, daß ſie wohl mit heiſſen Thraͤnen und Seufftzen um deren Erfuͤllung anhalten, auch einige Ruhe daruͤber in ſich em- pfinden, die ihnen erfreulich und erwuͤnſcht iſt.
Solches ſind keine rechte Chriſten- Proben.
§. 3. Moͤchteſt du, lieber Leſer, gedencken, ey das ſeyen ja bekehr- te Chriſten, denen es alſo gehet; Ach nein, nein! Dann wiewohlen nicht zu laugnen, daß dieſes nicht Vorbotten ſeyn koͤnnen im ſeeligen Gnaden-Stand, ſintemal gleichwie ein Glaͤubiger wohl einen Vor- ſchmack unterweilen genieſſen kan der ewigen Herrlichkeit, ſo mag auch ein Menſch in ſeinem Natur-Stand bereits etwas zum Vor- ſchein kriegen von der Offenbahrung der Gnad, als zwitzerende Stern- lein vor der Sonnen. Oder wie Joſephs heimliche Geſchenck der vollen Entdeckung ſeines Bruder-Hertzens. Daß aber darauf nicht allemahl zu fuſſen ſeye, lehret Paulus, anzeigende, daß ein Menſch koͤnne die Kraͤfften der kuͤnfftigen Welt ſchmecken ꝛc. und dannoch als ein verfluchter Heuchler endlich von GOTT verſtoſſen und verworf- fen werden, da ihm dann eben ſolche Gnaden-Blicke die Hoͤll uner- traͤglicher und heiſſer machen werden, wann er dieſem ſo freundlich anklopffenden Braͤutigam nicht aufgethan, und ihne nicht mit ſeinem gantzen Creutz aufgenommen haben wird; gewiß wird ſich der weniger verantworten koͤnnen, der die Stimm der allergroͤſten Liebe, der un- ergruͤndlichen Barmhertzigkeit, die Stimm des Lamms, der Gluck- Hennen, die Stimm des verſoͤhnenden Bluts, der allerfruchtbar- ſten Wunden mit Honig-ſuͤſſer Empfindung begleitet, ſich nicht hat ziehen laſſen in alle Verlaͤugnung, Aufopfferung und Nachfolg ſeines ſo lieblich lockenden Seeligmachers, als derjenige, den entweders nur die Stimm des Richters, und der Donner-Schall des Geſetz- gebers, als eines bruͤllenden Loͤwens erſchrecket, oder die Stimm
der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0070"n="14"/>
richtig, aber die Seelen-Flecken ſind ſo tieff eingebacken, die Suͤn-<lb/>
den-Wunden ſo gifftig, vermodert und unzaͤhlich, und der gantze<lb/>
Acker des Hertzens mit ſo vielem Gſtruͤpp und Unkraut uͤberwachſen,<lb/>
daß ſie nicht wiſſen wo anfangen?</p><lb/><noteplace="left">Jhre inn-<lb/>
wendige<lb/>
Ruͤhrun-<lb/>
gen.</note><p>§. 2. Der gnaͤdige und holdſelige JEſus laßt ſie zwar viel Gu-<lb/>
tes von ſich und ſeiner erworbenen Erloͤſung hoͤren, gibt ihnen auch<lb/>
recht Seel-zerſchmeltzende Freuden-Blicke zu genieſſen, daß ſie ſo<lb/>
froͤlich darab werden, daß ſie dunckt, ſie wollten wohl mit Freuden<lb/>ſterben, an ihrer Seeligkeit keines wegs zweifflende; ſie werden auch<lb/>
zu Zeiten durch dieſe und jene Verheiſſung der Heil. Schrifft inner-<lb/>
lich ſo ſehr bewegt, daß ſie wohl mit heiſſen Thraͤnen und Seufftzen<lb/>
um deren Erfuͤllung anhalten, auch einige Ruhe daruͤber in ſich em-<lb/>
pfinden, die ihnen erfreulich und erwuͤnſcht iſt.</p><lb/><noteplace="left">Solches<lb/>ſind keine<lb/>
rechte<lb/>
Chriſten-<lb/>
Proben.</note><p>§. 3. Moͤchteſt du, lieber Leſer, gedencken, ey das ſeyen ja bekehr-<lb/>
te Chriſten, denen es alſo gehet; Ach nein, nein! Dann wiewohlen<lb/>
nicht zu laugnen, daß dieſes nicht Vorbotten ſeyn koͤnnen im ſeeligen<lb/>
Gnaden-Stand, ſintemal gleichwie ein Glaͤubiger wohl einen Vor-<lb/>ſchmack unterweilen genieſſen kan der ewigen Herrlichkeit, ſo mag<lb/>
auch ein Menſch in ſeinem Natur-Stand bereits etwas zum Vor-<lb/>ſchein kriegen von der Offenbahrung der Gnad, als zwitzerende Stern-<lb/>
lein vor der Sonnen. Oder wie Joſephs heimliche Geſchenck der<lb/>
vollen Entdeckung ſeines Bruder-Hertzens. Daß aber darauf nicht<lb/>
allemahl zu fuſſen ſeye, lehret Paulus, anzeigende, daß ein Menſch<lb/>
koͤnne die Kraͤfften der kuͤnfftigen Welt ſchmecken ꝛc. und dannoch als<lb/>
ein verfluchter Heuchler endlich von GOTT verſtoſſen und verworf-<lb/>
fen werden, da ihm dann eben ſolche Gnaden-Blicke die Hoͤll uner-<lb/>
traͤglicher und heiſſer machen werden, wann er dieſem ſo freundlich<lb/>
anklopffenden Braͤutigam nicht aufgethan, und ihne nicht mit ſeinem<lb/>
gantzen Creutz aufgenommen haben wird; gewiß wird ſich der weniger<lb/>
verantworten koͤnnen, der die Stimm der allergroͤſten Liebe, der un-<lb/>
ergruͤndlichen Barmhertzigkeit, die Stimm des Lamms, der Gluck-<lb/>
Hennen, die Stimm des verſoͤhnenden Bluts, der allerfruchtbar-<lb/>ſten Wunden mit Honig-ſuͤſſer Empfindung begleitet, ſich nicht hat<lb/>
ziehen laſſen in alle Verlaͤugnung, Aufopfferung und Nachfolg ſeines<lb/>ſo lieblich lockenden Seeligmachers, als derjenige, den entweders<lb/>
nur die Stimm des Richters, und der Donner-Schall des Geſetz-<lb/>
gebers, als eines bruͤllenden Loͤwens erſchrecket, oder die Stimm<lb/><fwplace="bottom"type="catch">der</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[14/0070]
richtig, aber die Seelen-Flecken ſind ſo tieff eingebacken, die Suͤn-
den-Wunden ſo gifftig, vermodert und unzaͤhlich, und der gantze
Acker des Hertzens mit ſo vielem Gſtruͤpp und Unkraut uͤberwachſen,
daß ſie nicht wiſſen wo anfangen?
§. 2. Der gnaͤdige und holdſelige JEſus laßt ſie zwar viel Gu-
tes von ſich und ſeiner erworbenen Erloͤſung hoͤren, gibt ihnen auch
recht Seel-zerſchmeltzende Freuden-Blicke zu genieſſen, daß ſie ſo
froͤlich darab werden, daß ſie dunckt, ſie wollten wohl mit Freuden
ſterben, an ihrer Seeligkeit keines wegs zweifflende; ſie werden auch
zu Zeiten durch dieſe und jene Verheiſſung der Heil. Schrifft inner-
lich ſo ſehr bewegt, daß ſie wohl mit heiſſen Thraͤnen und Seufftzen
um deren Erfuͤllung anhalten, auch einige Ruhe daruͤber in ſich em-
pfinden, die ihnen erfreulich und erwuͤnſcht iſt.
§. 3. Moͤchteſt du, lieber Leſer, gedencken, ey das ſeyen ja bekehr-
te Chriſten, denen es alſo gehet; Ach nein, nein! Dann wiewohlen
nicht zu laugnen, daß dieſes nicht Vorbotten ſeyn koͤnnen im ſeeligen
Gnaden-Stand, ſintemal gleichwie ein Glaͤubiger wohl einen Vor-
ſchmack unterweilen genieſſen kan der ewigen Herrlichkeit, ſo mag
auch ein Menſch in ſeinem Natur-Stand bereits etwas zum Vor-
ſchein kriegen von der Offenbahrung der Gnad, als zwitzerende Stern-
lein vor der Sonnen. Oder wie Joſephs heimliche Geſchenck der
vollen Entdeckung ſeines Bruder-Hertzens. Daß aber darauf nicht
allemahl zu fuſſen ſeye, lehret Paulus, anzeigende, daß ein Menſch
koͤnne die Kraͤfften der kuͤnfftigen Welt ſchmecken ꝛc. und dannoch als
ein verfluchter Heuchler endlich von GOTT verſtoſſen und verworf-
fen werden, da ihm dann eben ſolche Gnaden-Blicke die Hoͤll uner-
traͤglicher und heiſſer machen werden, wann er dieſem ſo freundlich
anklopffenden Braͤutigam nicht aufgethan, und ihne nicht mit ſeinem
gantzen Creutz aufgenommen haben wird; gewiß wird ſich der weniger
verantworten koͤnnen, der die Stimm der allergroͤſten Liebe, der un-
ergruͤndlichen Barmhertzigkeit, die Stimm des Lamms, der Gluck-
Hennen, die Stimm des verſoͤhnenden Bluts, der allerfruchtbar-
ſten Wunden mit Honig-ſuͤſſer Empfindung begleitet, ſich nicht hat
ziehen laſſen in alle Verlaͤugnung, Aufopfferung und Nachfolg ſeines
ſo lieblich lockenden Seeligmachers, als derjenige, den entweders
nur die Stimm des Richters, und der Donner-Schall des Geſetz-
gebers, als eines bruͤllenden Loͤwens erſchrecket, oder die Stimm
der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/70>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.