Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Weyhnachts-Gedancken.
wachsen erschienen, oder aus den Wolcken herab gefahren wäre,
hätte man ihne vor ein Gespenst mögen ansehen a. Der Heyland
müßte seyn die Wurtzel und Geschlecht Davids, aus Juda Stamm,
der Saame Abrahams, in welchem alle Geschlechter der Erden soll-
ten geseegnet werden b.

Welcher
uns heilig-
lich zu le-
ben drin-
gen. sollte.

§. 5. Sehet! wie herrlich unsere geschändete Natur zu Ehren
kommen, und wie hoch sie geadlet ist, daß GOtt selbst einer von
uns hat seyn wollen. Das soll uns ja über alle Massen fröhlich und
edelmüthig machen. Dencke, GOtt hat Augen, Ohren, Zungen,
Hände, Summa Leib und Seel wie du, und du wie GOtt; wie
heilig sollst du dann trachten zu seyn, weil du einem so heiligen herr-
lichen GOtt so nahe verwandt, sein Vetter und Baaß, ja Bru-
der und Schwester worden bist! Wie sollte dich nicht hertzlich ge-
lüsten, seiner heiligen reinen Natur theilhafftig zu werden, Fleisch
von seinem Fleisch, und Bein von seinen Beinen c; also daß deine
Glieder nicht mehr haben die in der Sünd natürlichen, aber wohl
unseeligen Verrichtungen Adams, sondern übernätürliche, heilige,
Göttliche Verrichtungen, als Glieder Christi, als Werckzeugen
nicht deiner eigenen, menschlichen, sondern seiner Göttlichen Krafft,
Weißheit und Heiligkeit, wie seine heilige Menschheit! Eben da-
rum ist der Sohn GOttes Mensch worden, damit er als das Erst-
lings-Brödlein aus GOttes Hertzen den gantzen Teig des auserwähl-
ten menschlichen Geschlechts heiligte; sintemahl sie alle aus einem
herkommen d, beyde der da heiliget, und die da geheiliget werden;
Um welcher Ursach willen er sich nicht schämet, sie Brüder zu nen-
nen. Ach du elender Mensch! lassest du nun die Sünde herrschen
in deinem sterblichen Leibe, so bist du Fleisch und Bein von des ge-
fallenen Adams Fleisch und Beinen: Durchdringet aber die Gnad
deinen Leib, fäger sie die Sünd aus deinen Gliedern, und weyhet
dich GOtt zur Hütten ein, regieret dich der H. Geist JEsu, nimmt
dich ein, und gebraucht deine Glieder GOtt zum Preiß und Wohl-
gefallen, und dem Nächsten zu heiliger Freud und Wonne; Siehe!
so bist du aus Christo gezogen, wie Eva aus Adam, bist sein Fleisch
und Bein, und ist dein Leben und Wandel geistlich, daß du sagen

kanst:
a Matth. XIV. 26. Apoc. XXII. 16.
b Genes. XXII. 18.
c Eph. V. 30.
d Hebr. II. 11.

Weyhnachts-Gedancken.
wachſen erſchienen, oder aus den Wolcken herab gefahren waͤre,
haͤtte man ihne vor ein Geſpenſt moͤgen anſehen a. Der Heyland
muͤßte ſeyn die Wurtzel und Geſchlecht Davids, aus Juda Stamm,
der Saame Abrahams, in welchem alle Geſchlechter der Erden ſoll-
ten geſeegnet werden b.

Welcher
uns heilig-
lich zu le-
ben drin-
gen. ſollte.

§. 5. Sehet! wie herrlich unſere geſchaͤndete Natur zu Ehren
kommen, und wie hoch ſie geadlet iſt, daß GOtt ſelbſt einer von
uns hat ſeyn wollen. Das ſoll uns ja uͤber alle Maſſen froͤhlich und
edelmuͤthig machen. Dencke, GOtt hat Augen, Ohren, Zungen,
Haͤnde, Summa Leib und Seel wie du, und du wie GOtt; wie
heilig ſollſt du dann trachten zu ſeyn, weil du einem ſo heiligen herr-
lichen GOtt ſo nahe verwandt, ſein Vetter und Baaß, ja Bru-
der und Schweſter worden biſt! Wie ſollte dich nicht hertzlich ge-
luͤſten, ſeiner heiligen reinen Natur theilhafftig zu werden, Fleiſch
von ſeinem Fleiſch, und Bein von ſeinen Beinen c; alſo daß deine
Glieder nicht mehr haben die in der Suͤnd natuͤrlichen, aber wohl
unſeeligen Verrichtungen Adams, ſondern uͤbernaͤtuͤrliche, heilige,
Goͤttliche Verrichtungen, als Glieder Chriſti, als Werckzeugen
nicht deiner eigenen, menſchlichen, ſondern ſeiner Goͤttlichen Krafft,
Weißheit und Heiligkeit, wie ſeine heilige Menſchheit! Eben da-
rum iſt der Sohn GOttes Menſch worden, damit er als das Erſt-
lings-Broͤdlein aus GOttes Hertzen den gantzen Teig des auserwaͤhl-
ten menſchlichen Geſchlechts heiligte; ſintemahl ſie alle aus einem
herkommen d, beyde der da heiliget, und die da geheiliget werden;
Um welcher Urſach willen er ſich nicht ſchaͤmet, ſie Bruͤder zu nen-
nen. Ach du elender Menſch! laſſeſt du nun die Suͤnde herrſchen
in deinem ſterblichen Leibe, ſo biſt du Fleiſch und Bein von des ge-
fallenen Adams Fleiſch und Beinen: Durchdringet aber die Gnad
deinen Leib, faͤger ſie die Suͤnd aus deinen Gliedern, und weyhet
dich GOtt zur Huͤtten ein, regieret dich der H. Geiſt JEſu, nimmt
dich ein, und gebraucht deine Glieder GOtt zum Preiß und Wohl-
gefallen, und dem Naͤchſten zu heiliger Freud und Wonne; Siehe!
ſo biſt du aus Chriſto gezogen, wie Eva aus Adam, biſt ſein Fleiſch
und Bein, und iſt dein Leben und Wandel geiſtlich, daß du ſagen

kanſt:
a Matth. XIV. 26. Apoc. XXII. 16.
b Geneſ. XXII. 18.
c Eph. V. 30.
d Hebr. II. 11.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0700" n="604"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Weyhnachts-Gedancken.</hi></fw><lb/>
wach&#x017F;en er&#x017F;chienen, oder aus den Wolcken herab gefahren wa&#x0364;re,<lb/>
ha&#x0364;tte man ihne vor ein Ge&#x017F;pen&#x017F;t mo&#x0364;gen an&#x017F;ehen <note place="foot" n="a"><hi rendition="#aq">Matth. XIV. 26. Apoc. XXII.</hi> 16.</note>. Der Heyland<lb/>
mu&#x0364;ßte &#x017F;eyn die Wurtzel und Ge&#x017F;chlecht Davids, aus Juda Stamm,<lb/>
der Saame Abrahams, in welchem alle Ge&#x017F;chlechter der Erden &#x017F;oll-<lb/>
ten ge&#x017F;eegnet werden <note place="foot" n="b"><hi rendition="#aq">Gene&#x017F;. XXII.</hi> 18.</note>.</p><lb/>
          <note place="left">Welcher<lb/>
uns heilig-<lb/>
lich zu le-<lb/>
ben drin-<lb/>
gen. &#x017F;ollte.</note>
          <p><hi rendition="#i">§.</hi> 5. Sehet! wie herrlich un&#x017F;ere ge&#x017F;cha&#x0364;ndete Natur zu Ehren<lb/>
kommen, und wie hoch &#x017F;ie geadlet i&#x017F;t, daß GOtt &#x017F;elb&#x017F;t einer von<lb/>
uns hat &#x017F;eyn wollen. Das &#x017F;oll uns ja u&#x0364;ber alle Ma&#x017F;&#x017F;en fro&#x0364;hlich und<lb/>
edelmu&#x0364;thig machen. Dencke, GOtt hat Augen, Ohren, Zungen,<lb/>
Ha&#x0364;nde, Summa Leib und Seel wie du, und du wie GOtt; wie<lb/>
heilig &#x017F;oll&#x017F;t du dann trachten zu &#x017F;eyn, weil du einem &#x017F;o heiligen herr-<lb/>
lichen GOtt &#x017F;o nahe verwandt, &#x017F;ein Vetter und Baaß, ja Bru-<lb/>
der und Schwe&#x017F;ter worden bi&#x017F;t! Wie &#x017F;ollte dich nicht hertzlich ge-<lb/>
lu&#x0364;&#x017F;ten, &#x017F;einer heiligen reinen Natur theilhafftig zu werden, Flei&#x017F;ch<lb/>
von &#x017F;einem Flei&#x017F;ch, und Bein von &#x017F;einen Beinen <note place="foot" n="c"><hi rendition="#aq">Eph. V.</hi> 30.</note>; al&#x017F;o daß deine<lb/>
Glieder nicht mehr haben die in der Su&#x0364;nd natu&#x0364;rlichen, aber wohl<lb/>
un&#x017F;eeligen Verrichtungen Adams, &#x017F;ondern u&#x0364;berna&#x0364;tu&#x0364;rliche, heilige,<lb/>
Go&#x0364;ttliche Verrichtungen, als Glieder Chri&#x017F;ti, als Werckzeugen<lb/>
nicht deiner eigenen, men&#x017F;chlichen, &#x017F;ondern &#x017F;einer Go&#x0364;ttlichen Krafft,<lb/>
Weißheit und Heiligkeit, wie &#x017F;eine heilige Men&#x017F;chheit! Eben da-<lb/>
rum i&#x017F;t der Sohn GOttes Men&#x017F;ch worden, damit er als das Er&#x017F;t-<lb/>
lings-Bro&#x0364;dlein aus GOttes Hertzen den gantzen Teig des auserwa&#x0364;hl-<lb/>
ten men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;chlechts heiligte; &#x017F;intemahl &#x017F;ie alle aus einem<lb/>
herkommen <note place="foot" n="d"><hi rendition="#aq">Hebr. II.</hi> 11.</note>, beyde der da heiliget, und die da geheiliget werden;<lb/>
Um welcher Ur&#x017F;ach willen er &#x017F;ich nicht &#x017F;cha&#x0364;met, &#x017F;ie Bru&#x0364;der zu nen-<lb/>
nen. Ach du elender Men&#x017F;ch! la&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t du nun die Su&#x0364;nde herr&#x017F;chen<lb/>
in deinem &#x017F;terblichen Leibe, &#x017F;o bi&#x017F;t du Flei&#x017F;ch und Bein von des ge-<lb/>
fallenen Adams Flei&#x017F;ch und Beinen: Durchdringet aber die Gnad<lb/>
deinen Leib, fa&#x0364;ger &#x017F;ie die Su&#x0364;nd aus deinen Gliedern, und weyhet<lb/>
dich GOtt zur Hu&#x0364;tten ein, regieret dich der H. Gei&#x017F;t JE&#x017F;u, nimmt<lb/>
dich ein, und gebraucht deine Glieder GOtt zum Preiß und Wohl-<lb/>
gefallen, und dem Na&#x0364;ch&#x017F;ten zu heiliger Freud und Wonne; Siehe!<lb/>
&#x017F;o bi&#x017F;t du aus Chri&#x017F;to gezogen, wie Eva aus Adam, bi&#x017F;t &#x017F;ein Flei&#x017F;ch<lb/>
und Bein, und i&#x017F;t dein Leben und Wandel gei&#x017F;tlich, daß du &#x017F;agen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">kan&#x017F;t:</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[604/0700] Weyhnachts-Gedancken. wachſen erſchienen, oder aus den Wolcken herab gefahren waͤre, haͤtte man ihne vor ein Geſpenſt moͤgen anſehen a. Der Heyland muͤßte ſeyn die Wurtzel und Geſchlecht Davids, aus Juda Stamm, der Saame Abrahams, in welchem alle Geſchlechter der Erden ſoll- ten geſeegnet werden b. §. 5. Sehet! wie herrlich unſere geſchaͤndete Natur zu Ehren kommen, und wie hoch ſie geadlet iſt, daß GOtt ſelbſt einer von uns hat ſeyn wollen. Das ſoll uns ja uͤber alle Maſſen froͤhlich und edelmuͤthig machen. Dencke, GOtt hat Augen, Ohren, Zungen, Haͤnde, Summa Leib und Seel wie du, und du wie GOtt; wie heilig ſollſt du dann trachten zu ſeyn, weil du einem ſo heiligen herr- lichen GOtt ſo nahe verwandt, ſein Vetter und Baaß, ja Bru- der und Schweſter worden biſt! Wie ſollte dich nicht hertzlich ge- luͤſten, ſeiner heiligen reinen Natur theilhafftig zu werden, Fleiſch von ſeinem Fleiſch, und Bein von ſeinen Beinen c; alſo daß deine Glieder nicht mehr haben die in der Suͤnd natuͤrlichen, aber wohl unſeeligen Verrichtungen Adams, ſondern uͤbernaͤtuͤrliche, heilige, Goͤttliche Verrichtungen, als Glieder Chriſti, als Werckzeugen nicht deiner eigenen, menſchlichen, ſondern ſeiner Goͤttlichen Krafft, Weißheit und Heiligkeit, wie ſeine heilige Menſchheit! Eben da- rum iſt der Sohn GOttes Menſch worden, damit er als das Erſt- lings-Broͤdlein aus GOttes Hertzen den gantzen Teig des auserwaͤhl- ten menſchlichen Geſchlechts heiligte; ſintemahl ſie alle aus einem herkommen d, beyde der da heiliget, und die da geheiliget werden; Um welcher Urſach willen er ſich nicht ſchaͤmet, ſie Bruͤder zu nen- nen. Ach du elender Menſch! laſſeſt du nun die Suͤnde herrſchen in deinem ſterblichen Leibe, ſo biſt du Fleiſch und Bein von des ge- fallenen Adams Fleiſch und Beinen: Durchdringet aber die Gnad deinen Leib, faͤger ſie die Suͤnd aus deinen Gliedern, und weyhet dich GOtt zur Huͤtten ein, regieret dich der H. Geiſt JEſu, nimmt dich ein, und gebraucht deine Glieder GOtt zum Preiß und Wohl- gefallen, und dem Naͤchſten zu heiliger Freud und Wonne; Siehe! ſo biſt du aus Chriſto gezogen, wie Eva aus Adam, biſt ſein Fleiſch und Bein, und iſt dein Leben und Wandel geiſtlich, daß du ſagen kanſt: a Matth. XIV. 26. Apoc. XXII. 16. b Geneſ. XXII. 18. c Eph. V. 30. d Hebr. II. 11.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/700
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/700>, abgerufen am 03.07.2024.