esse a: Oder wer stellt auch sein Hertz die gantze Nacht in tieffer Ein- kehr, Andacht und Begierd der Göttlichen Liebe unter, wie die lie- ben Kinder ihre Schüsselein, um des Morgens mit Jauchtzen nach- zusehen, was dieser freygebige König bey nächtlicher Stille gesteurt haben möchte?
§. 6. O todte Seelen! Wer hört den Englischen Gesang, daßFortse- tzung die- ser Be- straffung. das Hertz darvon durchsüsset, gestillet und ins himmlische Wesen versetzet werde b? Wer freuet sich inniglich der Freuden-Bezeugungen und Gunst-Gewogenheit dieser hohen Himmels-Fürsten der heiligen Englen, gegen uns elenden Würmern, daß sie sich so frölich bezei- gen, und uns so freundlich Glück wünschen zu der Ehr, die uns wi- derfahren, die sie uns sowohl gönnen, daß sie alle einhellig singen und klingen? Wer ist ohne Eigensinn oder Anhang der Creatur, ohne Anklebung an geist- oder leiblichem Gemach oder Ruh, oder Gaben, als wie auf freyem Feld unter GOttes Gewalt, daß er nach vielem Ringen, nach mancherley Zerstörung der inneren Stille durch Zu- spruch der Menschen auch andere Zufäll und Sturmwind der plötz- lich-überfallenden Versuchungen, diese allerseeligste Himmels-Post hören, und deutlich genug vernehmen könne, mit den Hirten? Wer ist nicht im faulen Fleisches-Sinn eingeschlummert? Wer lässet sich nicht vom Getümmel irrdischer Passionen und Leidenschafften hinde- ren die Göttliche Music anzuhören, und seinen Willen mit süssen Ge- dancken von JEsu zu weyden? Uber das ist die Unerkanntnuß, son- derbahr unter uns, ungemein groß; darum kennen und lieben sie die- ses Kind nicht und fragen diesem Sohn nichts nach. Es ware da- mahls wohl eine grausamme Nacht ob dem undanckbaren Bethle- hem, einer schaffte diß der andere das, und fragten wenig nach dem armen Kind im Stall, vermeinende sie hätten wohl viel nöthigers zu thun; nur etliche gemeine Leutlin verwunderten sich über den Din- gen die zu ihnen von den Hirten waren gesagt worden: Ach gehts jetzt wohl um ein Haar besser bey allem dem grossen Ruhm und Geschrey von diesem Kind? Oder wem scheinet der Stern? Wer hat acht auf das veste Prophetische Wort als auf ein Liecht, das da scheinet in ei- nem duncklen Ort, biß der Tag anbreche, und der Morgenstern im Hertzen aufgehe c? Wer bricht seinen Welt-Geschäfften ab, daß er
das
aProv. XXIII. 26.
bEph. II. 6.
c 2 Petr. I. 19.
K k k k 3
Weyhnachts-Gedancken.
eſſe a: Oder wer ſtellt auch ſein Hertz die gantze Nacht in tieffer Ein- kehr, Andacht und Begierd der Goͤttlichen Liebe unter, wie die lie- ben Kinder ihre Schuͤſſelein, um des Morgens mit Jauchtzen nach- zuſehen, was dieſer freygebige Koͤnig bey naͤchtlicher Stille geſteurt haben moͤchte?
§. 6. O todte Seelen! Wer hoͤrt den Engliſchen Geſang, daßFortſe- tzung die- ſer Be- ſtraffung. das Hertz darvon durchſuͤſſet, geſtillet und ins himmliſche Weſen verſetzet werde b? Wer freuet ſich inniglich der Freuden-Bezeugungen und Gunſt-Gewogenheit dieſer hohen Himmels-Fuͤrſten der heiligen Englen, gegen uns elenden Wuͤrmern, daß ſie ſich ſo froͤlich bezei- gen, und uns ſo freundlich Gluͤck wuͤnſchen zu der Ehr, die uns wi- derfahren, die ſie uns ſowohl goͤnnen, daß ſie alle einhellig ſingen und klingen? Wer iſt ohne Eigenſinn oder Anhang der Creatur, ohne Anklebung an geiſt- oder leiblichem Gemach oder Ruh, oder Gaben, als wie auf freyem Feld unter GOttes Gewalt, daß er nach vielem Ringen, nach mancherley Zerſtoͤrung der inneren Stille durch Zu- ſpruch der Menſchen auch andere Zufaͤll und Sturmwind der ploͤtz- lich-uͤberfallenden Verſuchungen, dieſe allerſeeligſte Himmels-Poſt hoͤren, und deutlich genug vernehmen koͤnne, mit den Hirten? Wer iſt nicht im faulen Fleiſches-Sinn eingeſchlummert? Wer laͤſſet ſich nicht vom Getuͤmmel irrdiſcher Paſſionen und Leidenſchafften hinde- ren die Goͤttliche Muſic anzuhoͤren, und ſeinen Willen mit ſuͤſſen Ge- dancken von JEſu zu weyden? Uber das iſt die Unerkanntnuß, ſon- derbahr unter uns, ungemein groß; darum kennen und lieben ſie die- ſes Kind nicht und fragen dieſem Sohn nichts nach. Es ware da- mahls wohl eine grauſamme Nacht ob dem undanckbaren Bethle- hem, einer ſchaffte diß der andere das, und fragten wenig nach dem armen Kind im Stall, vermeinende ſie haͤtten wohl viel noͤthigers zu thun; nur etliche gemeine Leutlin verwunderten ſich uͤber den Din- gen die zu ihnen von den Hirten waren geſagt worden: Ach gehts jetzt wohl um ein Haar beſſer bey allem dem groſſen Ruhm und Geſchrey von dieſem Kind? Oder wem ſcheinet der Stern? Wer hat acht auf das veſte Prophetiſche Wort als auf ein Liecht, das da ſcheinet in ei- nem duncklen Ort, biß der Tag anbreche, und der Morgenſtern im Hertzen aufgehe c? Wer bricht ſeinen Welt-Geſchaͤfften ab, daß er
das
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bEph. II. 6.
c 2 Petr. I. 19.
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Weyhnachts-Gedancken.
eſſe a: Oder wer ſtellt auch ſein Hertz die gantze Nacht in tieffer Ein-
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ben Kinder ihre Schuͤſſelein, um des Morgens mit Jauchtzen nach-
zuſehen, was dieſer freygebige Koͤnig bey naͤchtlicher Stille geſteurt
haben moͤchte?
§. 6. O todte Seelen! Wer hoͤrt den Engliſchen Geſang, daß
das Hertz darvon durchſuͤſſet, geſtillet und ins himmliſche Weſen
verſetzet werde b? Wer freuet ſich inniglich der Freuden-Bezeugungen
und Gunſt-Gewogenheit dieſer hohen Himmels-Fuͤrſten der heiligen
Englen, gegen uns elenden Wuͤrmern, daß ſie ſich ſo froͤlich bezei-
gen, und uns ſo freundlich Gluͤck wuͤnſchen zu der Ehr, die uns wi-
derfahren, die ſie uns ſowohl goͤnnen, daß ſie alle einhellig ſingen und
klingen? Wer iſt ohne Eigenſinn oder Anhang der Creatur, ohne
Anklebung an geiſt- oder leiblichem Gemach oder Ruh, oder Gaben,
als wie auf freyem Feld unter GOttes Gewalt, daß er nach vielem
Ringen, nach mancherley Zerſtoͤrung der inneren Stille durch Zu-
ſpruch der Menſchen auch andere Zufaͤll und Sturmwind der ploͤtz-
lich-uͤberfallenden Verſuchungen, dieſe allerſeeligſte Himmels-Poſt
hoͤren, und deutlich genug vernehmen koͤnne, mit den Hirten? Wer
iſt nicht im faulen Fleiſches-Sinn eingeſchlummert? Wer laͤſſet ſich
nicht vom Getuͤmmel irrdiſcher Paſſionen und Leidenſchafften hinde-
ren die Goͤttliche Muſic anzuhoͤren, und ſeinen Willen mit ſuͤſſen Ge-
dancken von JEſu zu weyden? Uber das iſt die Unerkanntnuß, ſon-
derbahr unter uns, ungemein groß; darum kennen und lieben ſie die-
ſes Kind nicht und fragen dieſem Sohn nichts nach. Es ware da-
mahls wohl eine grauſamme Nacht ob dem undanckbaren Bethle-
hem, einer ſchaffte diß der andere das, und fragten wenig nach dem
armen Kind im Stall, vermeinende ſie haͤtten wohl viel noͤthigers
zu thun; nur etliche gemeine Leutlin verwunderten ſich uͤber den Din-
gen die zu ihnen von den Hirten waren geſagt worden: Ach gehts jetzt
wohl um ein Haar beſſer bey allem dem groſſen Ruhm und Geſchrey
von dieſem Kind? Oder wem ſcheinet der Stern? Wer hat acht auf
das veſte Prophetiſche Wort als auf ein Liecht, das da ſcheinet in ei-
nem duncklen Ort, biß der Tag anbreche, und der Morgenſtern im
Hertzen aufgehe c? Wer bricht ſeinen Welt-Geſchaͤfften ab, daß er
das
Fortſe-
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b Eph. II. 6.
c 2 Petr. I. 19.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 629. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/725>, abgerufen am 22.11.2024.
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