das einige nothwendige besorge a, und dem Gnaden-Werck der neuen Geburt abwarte b; in sein eigen Hertz und nach dem Kindlein sehe? Wer gehet gern in den Stall der dunckelen Abgeschiedenheit von al- len Dingen? Wem grauets nicht ab der stäten Selbst-Erniedrigung? Wer läßt sich von GOttes Klarheit umleuchten? Wer flehet um die Offenbahrung und Verklärung Christi im Hertzen? Wer kan mit Wahrheit sagen: O mein getreuer GOTT schencke mir nur diß Kind, so will ich einem anderen Himmel und Erden gern lassen und was darinnen ist? Ach man liesse nicht einen Batzen dahinden die- sem Kind zu lieb, nicht das geringste Glüstlein gäbe man auf von sei- netwegen; Man hat grössere Lust und Freud an Welt, Geld und Ehr, wann etwan ein Vetter ein Aemtlein bekommt, als daß der allein-reiche, allein-weise, allein-mächtige, herrliche, selige GOtt unser nächster Vetter worden, pfuy der Schand! Jede Kleinigkeit, ja die schnödesten Dinge nehmen das Hertz mehr ein, als dieser Jm- manuel. Die Christen-Welt ist ein unruhiger Gast-Hof, da jeder vorbey-reisende Gedancken-Geist, wo er nur Geld, Vortheil, Re- putation, fleischliche Ergötzlichkeit anbietet, willkommen ist: Nur JEsus, ach der unschätzbare JEsus! findet keinen Raum in der Herberg. Ach daß man doch wenigstens die Hertzens-Kripp wollte lähren lassen vom Koth der Eitelkeit, von Dornen der Welt-Sor- gen, von Steinen des Geitzes und Hochmuths.
Beant- wortung eines dar- über ge- machten Ein- wurffes.
§. 7. Sagst du: Wohl freylich! ich will das Kindlein aufneh- men, werde es noch für eine sonderbahre Ehre haben, und meynen, es sey meinem Hauß groß Heyl wiederfahren. Antwort. Ja wann er zu dir in himmlischer Klarheit käme, umgeben mit viel tausend hei- ligen Englen, und er brächte dir dazu einen Seckel mit Ducaten, so prangetest du noch wohl darmit, wann er dir nur in allem deinen Willen ließ, und deiner verkehrten Natur mit dem Creutz schonete c, und sich keiner Meisterschafft über dich annehme, liessest du es noch gelten d. Aber wann es dir recht um des Kindleins stäte Gegen- wart zu thun wäre, du wurdest selbiges mit unabläßigem Anhalten zu dir ziehen, und in allen Verdrießlichkeiten oder Schlangen-Bissen seines Balsams-Saffts ernstlich begierig seyn e. Es hilfft nichts sich
Christi
aLuc. X. 39. 42.
bJoh. IV. 28.
cLuc. XIX. 14.
dLuc. VIII. 37.
eJerem. XXX. 12. 13.
Weyhnachts-Gedancken.
das einige nothwendige beſorge a, und dem Gnaden-Werck der neuen Geburt abwarte b; in ſein eigen Hertz und nach dem Kindlein ſehe? Wer gehet gern in den Stall der dunckelen Abgeſchiedenheit von al- len Dingen? Wem grauets nicht ab der ſtaͤten Selbſt-Erniedrigung? Wer laͤßt ſich von GOttes Klarheit umleuchten? Wer flehet um die Offenbahrung und Verklaͤrung Chriſti im Hertzen? Wer kan mit Wahrheit ſagen: O mein getreuer GOTT ſchencke mir nur diß Kind, ſo will ich einem anderen Himmel und Erden gern laſſen und was darinnen iſt? Ach man lieſſe nicht einen Batzen dahinden die- ſem Kind zu lieb, nicht das geringſte Gluͤſtlein gaͤbe man auf von ſei- netwegen; Man hat groͤſſere Luſt und Freud an Welt, Geld und Ehr, wann etwan ein Vetter ein Aemtlein bekommt, als daß der allein-reiche, allein-weiſe, allein-maͤchtige, herrliche, ſelige GOtt unſer naͤchſter Vetter worden, pfuy der Schand! Jede Kleinigkeit, ja die ſchnoͤdeſten Dinge nehmen das Hertz mehr ein, als dieſer Jm- manuel. Die Chriſten-Welt iſt ein unruhiger Gaſt-Hof, da jeder vorbey-reiſende Gedancken-Geiſt, wo er nur Geld, Vortheil, Re- putation, fleiſchliche Ergoͤtzlichkeit anbietet, willkommen iſt: Nur JEſus, ach der unſchaͤtzbare JEſus! findet keinen Raum in der Herberg. Ach daß man doch wenigſtens die Hertzens-Kripp wollte laͤhren laſſen vom Koth der Eitelkeit, von Dornen der Welt-Sor- gen, von Steinen des Geitzes und Hochmuths.
Beant- wortung eines dar- uͤber ge- machten Ein- wurffes.
§. 7. Sagſt du: Wohl freylich! ich will das Kindlein aufneh- men, werde es noch fuͤr eine ſonderbahre Ehre haben, und meynen, es ſey meinem Hauß groß Heyl wiederfahren. Antwort. Ja wann er zu dir in himmliſcher Klarheit kaͤme, umgeben mit viel tauſend hei- ligen Englen, und er braͤchte dir dazu einen Seckel mit Ducaten, ſo prangeteſt du noch wohl darmit, wann er dir nur in allem deinen Willen ließ, und deiner verkehrten Natur mit dem Creutz ſchonete c, und ſich keiner Meiſterſchafft uͤber dich annehme, lieſſeſt du es noch gelten d. Aber wann es dir recht um des Kindleins ſtaͤte Gegen- wart zu thun waͤre, du wurdeſt ſelbiges mit unablaͤßigem Anhalten zu dir ziehen, und in allen Verdrießlichkeiten oder Schlangen-Biſſen ſeines Balſams-Saffts ernſtlich begierig ſeyn e. Es hilfft nichts ſich
Chriſti
aLuc. X. 39. 42.
bJoh. IV. 28.
cLuc. XIX. 14.
dLuc. VIII. 37.
eJerem. XXX. 12. 13.
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Weyhnachts-Gedancken.
das einige nothwendige beſorge a, und dem Gnaden-Werck der neuen
Geburt abwarte b; in ſein eigen Hertz und nach dem Kindlein ſehe?
Wer gehet gern in den Stall der dunckelen Abgeſchiedenheit von al-
len Dingen? Wem grauets nicht ab der ſtaͤten Selbſt-Erniedrigung?
Wer laͤßt ſich von GOttes Klarheit umleuchten? Wer flehet um
die Offenbahrung und Verklaͤrung Chriſti im Hertzen? Wer kan
mit Wahrheit ſagen: O mein getreuer GOTT ſchencke mir nur diß
Kind, ſo will ich einem anderen Himmel und Erden gern laſſen und
was darinnen iſt? Ach man lieſſe nicht einen Batzen dahinden die-
ſem Kind zu lieb, nicht das geringſte Gluͤſtlein gaͤbe man auf von ſei-
netwegen; Man hat groͤſſere Luſt und Freud an Welt, Geld und
Ehr, wann etwan ein Vetter ein Aemtlein bekommt, als daß der
allein-reiche, allein-weiſe, allein-maͤchtige, herrliche, ſelige GOtt
unſer naͤchſter Vetter worden, pfuy der Schand! Jede Kleinigkeit,
ja die ſchnoͤdeſten Dinge nehmen das Hertz mehr ein, als dieſer Jm-
manuel. Die Chriſten-Welt iſt ein unruhiger Gaſt-Hof, da jeder
vorbey-reiſende Gedancken-Geiſt, wo er nur Geld, Vortheil, Re-
putation, fleiſchliche Ergoͤtzlichkeit anbietet, willkommen iſt: Nur
JEſus, ach der unſchaͤtzbare JEſus! findet keinen Raum in der
Herberg. Ach daß man doch wenigſtens die Hertzens-Kripp wollte
laͤhren laſſen vom Koth der Eitelkeit, von Dornen der Welt-Sor-
gen, von Steinen des Geitzes und Hochmuths.
§. 7. Sagſt du: Wohl freylich! ich will das Kindlein aufneh-
men, werde es noch fuͤr eine ſonderbahre Ehre haben, und meynen,
es ſey meinem Hauß groß Heyl wiederfahren. Antwort. Ja wann
er zu dir in himmliſcher Klarheit kaͤme, umgeben mit viel tauſend hei-
ligen Englen, und er braͤchte dir dazu einen Seckel mit Ducaten,
ſo prangeteſt du noch wohl darmit, wann er dir nur in allem deinen
Willen ließ, und deiner verkehrten Natur mit dem Creutz ſchonete c,
und ſich keiner Meiſterſchafft uͤber dich annehme, lieſſeſt du es noch
gelten d. Aber wann es dir recht um des Kindleins ſtaͤte Gegen-
wart zu thun waͤre, du wurdeſt ſelbiges mit unablaͤßigem Anhalten
zu dir ziehen, und in allen Verdrießlichkeiten oder Schlangen-Biſſen
ſeines Balſams-Saffts ernſtlich begierig ſeyn e. Es hilfft nichts ſich
Chriſti
a Luc. X. 39. 42.
b Joh. IV. 28.
c Luc. XIX. 14.
d Luc. VIII. 37.
e Jerem. XXX. 12. 13.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 630. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/726>, abgerufen am 22.11.2024.
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