kan JEsus nicht mehr mit dir gehen, wo du nicht in denen mit sei- nem Blut gebahnten Liebes-Pfaden bleibest; dann der häßige, zorni- ge Teufel reisset und stürmet mit deiner Seelen der Höll zu: Urthei- le nur selbst, ob JEsus mit hingehen könne, ob es dem Heil. demü- thigen, langmüthigen Lamm zuzumuthen seye, daß es in so schnöder Gesellschafft der höllischen Wölffen und Drachen wohnen? Nein lie- bes Hertz; du must entweders aufgeben, und o wie seelig wärest du, wann du gar nicht das geringste von des Teufels Larven-Bild an dir behieltest, so würde dich GOTT etwas empfinden lassen, von der seeligen Ruh der Verklärten. Wir müssen uns keine so grobe Bil- der von Himmel und Höll machen; es fahet hier beydes an, geistlich und innerlich. Wie viel Sanfftmuth und Liebe, so viel Himmel hast du; wie viel hingegen Haß und Zorn, so viel Höll ist in dir, da ste- hest du auf Satans Leiter, und steigest hinunter in den Abgrund; entzeuchst du aber diesem Gräuel deinen Willen, so hilfft dir der hei- lige Geist auf die schöne Himmels-Leiter, da die Stämme des HEr- ren hinauf steigen, die Stämme Jsraels biß in die klare heitere Ge- gend der Sanfftmuth des Allerhöchsten. Höre Paulum a von der Vortrefflichkeit und Nothwendigkeit der Liebe reden, wie die höchste Gaben, die herrlichste Wunder-Kräfften, die schönsten, ansehnlich- sten Wercke nichts dagegen seyen, Liebe übersteiget alles, sie ist un- vergleichlich, unüberwindlich, unendlich, sie allein ist fähig das Hertz vor GOTT und Menschen unbeschämt zu machen. Allein, allein, wie gesagt, willt du wissen, ob du dieses alleredelste Liebe Leben in dir habest, und kein Ubertretter mehr seyest dieses Gebotts, so siehe nach, ob du deinen ärgsten Feinden also inniglich günstig seyest, daß du ein recht Mutter-Hertz zu ihnen tragest, und das ungezwungen.
Dann nur Zung und Hand- Bewah- ren ist nicht ge- nug.
§. 6. Einw. Gleichwohl bezähm ich meine Zung und Hand, daß sie nicht ausbrechen in Zeichen des Zorns; hoffe, ich werde in GOttes Gericht vor keinen Todtschläger gehalten werden.
Antw. Sich selbst um der Seelen Seeligkeit bezwingen, ist wohl gut; aber willt du vor GOTT rein seyn, so must du auch keine zor- nige Begierd in dir haben, was man dir auch immer vor Leyd zufü- ge. Es ist nicht gnug, daß du die Bewegung zur Feindschafft in dir dämpfest und unterdruckest, damit sie nicht ausbreche; dann das thut ein Pharisäer ein Gleißner auch, aus Forcht, er möchte den
Ruhm
a 1 Cor. XIII.
Die unter den Stech-Diſteln
kan JEſus nicht mehr mit dir gehen, wo du nicht in denen mit ſei- nem Blut gebahnten Liebes-Pfaden bleibeſt; dann der haͤßige, zorni- ge Teufel reiſſet und ſtuͤrmet mit deiner Seelen der Hoͤll zu: Urthei- le nur ſelbſt, ob JEſus mit hingehen koͤnne, ob es dem Heil. demuͤ- thigen, langmuͤthigen Lamm zuzumuthen ſeye, daß es in ſo ſchnoͤder Geſellſchafft der hoͤlliſchen Woͤlffen und Drachen wohnen? Nein lie- bes Hertz; du muſt entweders aufgeben, und o wie ſeelig waͤreſt du, wann du gar nicht das geringſte von des Teufels Larven-Bild an dir behielteſt, ſo wuͤrde dich GOTT etwas empfinden laſſen, von der ſeeligen Ruh der Verklaͤrten. Wir muͤſſen uns keine ſo grobe Bil- der von Himmel und Hoͤll machen; es fahet hier beydes an, geiſtlich und innerlich. Wie viel Sanfftmuth und Liebe, ſo viel Himmel haſt du; wie viel hingegen Haß und Zorn, ſo viel Hoͤll iſt in dir, da ſte- heſt du auf Satans Leiter, und ſteigeſt hinunter in den Abgrund; entzeuchſt du aber dieſem Graͤuel deinen Willen, ſo hilfft dir der hei- lige Geiſt auf die ſchoͤne Himmels-Leiter, da die Staͤmme des HEr- ren hinauf ſteigen, die Staͤmme Jſraels biß in die klare heitere Ge- gend der Sanfftmuth des Allerhoͤchſten. Hoͤre Paulum a von der Vortrefflichkeit und Nothwendigkeit der Liebe reden, wie die hoͤchſte Gaben, die herrlichſte Wunder-Kraͤfften, die ſchoͤnſten, anſehnlich- ſten Wercke nichts dagegen ſeyen, Liebe uͤberſteiget alles, ſie iſt un- vergleichlich, unuͤberwindlich, unendlich, ſie allein iſt faͤhig das Hertz vor GOTT und Menſchen unbeſchaͤmt zu machen. Allein, allein, wie geſagt, willt du wiſſen, ob du dieſes alleredelſte Liebe Leben in dir habeſt, und kein Ubertretter mehr ſeyeſt dieſes Gebotts, ſo ſiehe nach, ob du deinen aͤrgſten Feinden alſo inniglich guͤnſtig ſeyeſt, daß du ein recht Mutter-Hertz zu ihnen trageſt, und das ungezwungen.
Dann nur Zung und Hand- Bewah- ren iſt nicht ge- nug.
§. 6. Einw. Gleichwohl bezaͤhm ich meine Zung und Hand, daß ſie nicht ausbrechen in Zeichen des Zorns; hoffe, ich werde in GOttes Gericht vor keinen Todtſchlaͤger gehalten werden.
Antw. Sich ſelbſt um der Seelen Seeligkeit bezwingen, iſt wohl gut; aber willt du vor GOTT rein ſeyn, ſo muſt du auch keine zor- nige Begierd in dir haben, was man dir auch immer vor Leyd zufuͤ- ge. Es iſt nicht gnug, daß du die Bewegung zur Feindſchafft in dir daͤmpfeſt und unterdruckeſt, damit ſie nicht ausbreche; dann das thut ein Phariſaͤer ein Gleißner auch, aus Forcht, er moͤchte den
Ruhm
a 1 Cor. XIII.
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Die unter den Stech-Diſteln
kan JEſus nicht mehr mit dir gehen, wo du nicht in denen mit ſei-
nem Blut gebahnten Liebes-Pfaden bleibeſt; dann der haͤßige, zorni-
ge Teufel reiſſet und ſtuͤrmet mit deiner Seelen der Hoͤll zu: Urthei-
le nur ſelbſt, ob JEſus mit hingehen koͤnne, ob es dem Heil. demuͤ-
thigen, langmuͤthigen Lamm zuzumuthen ſeye, daß es in ſo ſchnoͤder
Geſellſchafft der hoͤlliſchen Woͤlffen und Drachen wohnen? Nein lie-
bes Hertz; du muſt entweders aufgeben, und o wie ſeelig waͤreſt du,
wann du gar nicht das geringſte von des Teufels Larven-Bild an dir
behielteſt, ſo wuͤrde dich GOTT etwas empfinden laſſen, von der
ſeeligen Ruh der Verklaͤrten. Wir muͤſſen uns keine ſo grobe Bil-
der von Himmel und Hoͤll machen; es fahet hier beydes an, geiſtlich
und innerlich. Wie viel Sanfftmuth und Liebe, ſo viel Himmel haſt
du; wie viel hingegen Haß und Zorn, ſo viel Hoͤll iſt in dir, da ſte-
heſt du auf Satans Leiter, und ſteigeſt hinunter in den Abgrund;
entzeuchſt du aber dieſem Graͤuel deinen Willen, ſo hilfft dir der hei-
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ren hinauf ſteigen, die Staͤmme Jſraels biß in die klare heitere Ge-
gend der Sanfftmuth des Allerhoͤchſten. Hoͤre Paulum a von der
Vortrefflichkeit und Nothwendigkeit der Liebe reden, wie die hoͤchſte
Gaben, die herrlichſte Wunder-Kraͤfften, die ſchoͤnſten, anſehnlich-
ſten Wercke nichts dagegen ſeyen, Liebe uͤberſteiget alles, ſie iſt un-
vergleichlich, unuͤberwindlich, unendlich, ſie allein iſt faͤhig das Hertz
vor GOTT und Menſchen unbeſchaͤmt zu machen. Allein, allein,
wie geſagt, willt du wiſſen, ob du dieſes alleredelſte Liebe Leben in
dir habeſt, und kein Ubertretter mehr ſeyeſt dieſes Gebotts, ſo ſiehe
nach, ob du deinen aͤrgſten Feinden alſo inniglich guͤnſtig ſeyeſt, daß
du ein recht Mutter-Hertz zu ihnen trageſt, und das ungezwungen.
§. 6. Einw. Gleichwohl bezaͤhm ich meine Zung und Hand,
daß ſie nicht ausbrechen in Zeichen des Zorns; hoffe, ich werde in
GOttes Gericht vor keinen Todtſchlaͤger gehalten werden.
Antw. Sich ſelbſt um der Seelen Seeligkeit bezwingen, iſt wohl
gut; aber willt du vor GOTT rein ſeyn, ſo muſt du auch keine zor-
nige Begierd in dir haben, was man dir auch immer vor Leyd zufuͤ-
ge. Es iſt nicht gnug, daß du die Bewegung zur Feindſchafft in
dir daͤmpfeſt und unterdruckeſt, damit ſie nicht ausbreche; dann das
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 688. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/784>, abgerufen am 22.11.2024.
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