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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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hervor blühende Lilien-Zweig.
Ruhm der Frommkeit verliehren, und möchte ihm also die Zierde
seiner Heiligkeit auf einmahl abfallen, deßwegen verbirgt er den
wütenden Behemot, und rauchenden Leviathan im Hertzen; aber der
Augen hat wie Feur-Flammen, siehet in diese den Menschen zwar
verdeckte, vor ihm aber gantz offene Hölle hinein, und riechet das
blaue Schwefel-Feur der gifftigen Raach-gierigen Begierden, wel-
ches abscheulich stincket in der Nasen des HErren Zebaoth, es kostet
ein entsetzlich Kampf-Ringen, ehe die zähen Wurtzeln des Hasses aus
dem Hertzen ausgerissen sind, also daß wohl Leib und Seel darüber
vergehen möchte a; eben wie die mit Macht ausgewurtzelte Zäserlein
entweder zerreissen, oder vom Grund mit sich ziehen. Die Eigen-
Liebe steckt gar zu tieff, und sucht der Mensch immer sein eigenes,
Eigen-Nutz, Ehr und Willen, und nicht GOttes und des Näch-
sten; und obschon der Heil. Geist treulich warnet, die Wunden grund-
lich heilen zu lassen, damit sie nicht nachmahls unvermuthet Eiter aus-
werffen, und den Hertzens-Garten von allen verborgenen Würtzlein
getreulich zu säuberen, auf daß nicht unvorsichtiger Weise lieblose
Wort und Werck hervor schiessen, so ist der Mensch dennoch nicht
fleißig darinnen, sondern mißbraucht auch GOttes Gnaden-Schein,
so gar, daß dem im Wohlstand trotzigen Hertzen gar leicht freche,
stoltze Worte entfahren: Alldieweil es dem Teufel ein leichtes ist,
das Hertz bey empfindlicher Gnad aufzublasen, daß es sich selbst der-
massen wohlgefällt, und sich über den Nächsten erhebt; alsdann ist
die Seel dem Fall nahe, indem sie nicht auf der Hut ist, und vom
Feind hinterschlichen wird, daß es in solche Thorheiten und Fehltrit-
te gerathet, darvon das Hertz früh oder spat mit tausend Schmer-
tzen durchstochen wird. Also gibt der Mensch JESU, oder viel-
mehr seiner eigenen Seel Gall und Eßig zu trincken; nehmlich Wort
und Werck, die vom Wurm der Bitterkeit angegriffen sind, und die
Gallen nicht abgelegt haben, und im verrauchten Eßig der Liebloßig-
keit gebeitzt sind, daran sich die Seel gar kranck isset, wie dann ein
jeder Ungehorsam gegen denen Erinnerungen des heiligen Geistes un-
ermeßlichen Schaden nach sich ziehet, welches eine kranck zu seyn ge-
wohnte Seel nicht so schleunig mercket, biß sie endlich mit grossem
Trauren und Schmertzen erfahret, daß es mit der Gesundheit nir-

gend
a Rom. VII. 25.
S s s s

hervor bluͤhende Lilien-Zweig.
Ruhm der Frommkeit verliehren, und moͤchte ihm alſo die Zierde
ſeiner Heiligkeit auf einmahl abfallen, deßwegen verbirgt er den
wuͤtenden Behemot, und rauchenden Leviathan im Hertzen; aber der
Augen hat wie Feur-Flammen, ſiehet in dieſe den Menſchen zwar
verdeckte, vor ihm aber gantz offene Hoͤlle hinein, und riechet das
blaue Schwefel-Feur der gifftigen Raach-gierigen Begierden, wel-
ches abſcheulich ſtincket in der Naſen des HErren Zebaoth, es koſtet
ein entſetzlich Kampf-Ringen, ehe die zaͤhen Wurtzeln des Haſſes aus
dem Hertzen ausgeriſſen ſind, alſo daß wohl Leib und Seel daruͤber
vergehen moͤchte a; eben wie die mit Macht ausgewurtzelte Zaͤſerlein
entweder zerreiſſen, oder vom Grund mit ſich ziehen. Die Eigen-
Liebe ſteckt gar zu tieff, und ſucht der Menſch immer ſein eigenes,
Eigen-Nutz, Ehr und Willen, und nicht GOttes und des Naͤch-
ſten; und obſchon der Heil. Geiſt treulich warnet, die Wunden grund-
lich heilen zu laſſen, damit ſie nicht nachmahls unvermuthet Eiter aus-
werffen, und den Hertzens-Garten von allen verborgenen Wuͤrtzlein
getreulich zu ſaͤuberen, auf daß nicht unvorſichtiger Weiſe liebloſe
Wort und Werck hervor ſchieſſen, ſo iſt der Menſch dennoch nicht
fleißig darinnen, ſondern mißbraucht auch GOttes Gnaden-Schein,
ſo gar, daß dem im Wohlſtand trotzigen Hertzen gar leicht freche,
ſtoltze Worte entfahren: Alldieweil es dem Teufel ein leichtes iſt,
das Hertz bey empfindlicher Gnad aufzublaſen, daß es ſich ſelbſt der-
maſſen wohlgefaͤllt, und ſich uͤber den Naͤchſten erhebt; alsdann iſt
die Seel dem Fall nahe, indem ſie nicht auf der Hut iſt, und vom
Feind hinterſchlichen wird, daß es in ſolche Thorheiten und Fehltrit-
te gerathet, darvon das Hertz fruͤh oder ſpat mit tauſend Schmer-
tzen durchſtochen wird. Alſo gibt der Menſch JESU, oder viel-
mehr ſeiner eigenen Seel Gall und Eßig zu trincken; nehmlich Wort
und Werck, die vom Wurm der Bitterkeit angegriffen ſind, und die
Gallen nicht abgelegt haben, und im verrauchten Eßig der Liebloßig-
keit gebeitzt ſind, daran ſich die Seel gar kranck iſſet, wie dann ein
jeder Ungehorſam gegen denen Erinnerungen des heiligen Geiſtes un-
ermeßlichen Schaden nach ſich ziehet, welches eine kranck zu ſeyn ge-
wohnte Seel nicht ſo ſchleunig mercket, biß ſie endlich mit groſſem
Trauren und Schmertzen erfahret, daß es mit der Geſundheit nir-

gend
a Rom. VII. 25.
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[689/0785] hervor bluͤhende Lilien-Zweig. Ruhm der Frommkeit verliehren, und moͤchte ihm alſo die Zierde ſeiner Heiligkeit auf einmahl abfallen, deßwegen verbirgt er den wuͤtenden Behemot, und rauchenden Leviathan im Hertzen; aber der Augen hat wie Feur-Flammen, ſiehet in dieſe den Menſchen zwar verdeckte, vor ihm aber gantz offene Hoͤlle hinein, und riechet das blaue Schwefel-Feur der gifftigen Raach-gierigen Begierden, wel- ches abſcheulich ſtincket in der Naſen des HErren Zebaoth, es koſtet ein entſetzlich Kampf-Ringen, ehe die zaͤhen Wurtzeln des Haſſes aus dem Hertzen ausgeriſſen ſind, alſo daß wohl Leib und Seel daruͤber vergehen moͤchte a; eben wie die mit Macht ausgewurtzelte Zaͤſerlein entweder zerreiſſen, oder vom Grund mit ſich ziehen. Die Eigen- Liebe ſteckt gar zu tieff, und ſucht der Menſch immer ſein eigenes, Eigen-Nutz, Ehr und Willen, und nicht GOttes und des Naͤch- ſten; und obſchon der Heil. Geiſt treulich warnet, die Wunden grund- lich heilen zu laſſen, damit ſie nicht nachmahls unvermuthet Eiter aus- werffen, und den Hertzens-Garten von allen verborgenen Wuͤrtzlein getreulich zu ſaͤuberen, auf daß nicht unvorſichtiger Weiſe liebloſe Wort und Werck hervor ſchieſſen, ſo iſt der Menſch dennoch nicht fleißig darinnen, ſondern mißbraucht auch GOttes Gnaden-Schein, ſo gar, daß dem im Wohlſtand trotzigen Hertzen gar leicht freche, ſtoltze Worte entfahren: Alldieweil es dem Teufel ein leichtes iſt, das Hertz bey empfindlicher Gnad aufzublaſen, daß es ſich ſelbſt der- maſſen wohlgefaͤllt, und ſich uͤber den Naͤchſten erhebt; alsdann iſt die Seel dem Fall nahe, indem ſie nicht auf der Hut iſt, und vom Feind hinterſchlichen wird, daß es in ſolche Thorheiten und Fehltrit- te gerathet, darvon das Hertz fruͤh oder ſpat mit tauſend Schmer- tzen durchſtochen wird. Alſo gibt der Menſch JESU, oder viel- mehr ſeiner eigenen Seel Gall und Eßig zu trincken; nehmlich Wort und Werck, die vom Wurm der Bitterkeit angegriffen ſind, und die Gallen nicht abgelegt haben, und im verrauchten Eßig der Liebloßig- keit gebeitzt ſind, daran ſich die Seel gar kranck iſſet, wie dann ein jeder Ungehorſam gegen denen Erinnerungen des heiligen Geiſtes un- ermeßlichen Schaden nach ſich ziehet, welches eine kranck zu ſeyn ge- wohnte Seel nicht ſo ſchleunig mercket, biß ſie endlich mit groſſem Trauren und Schmertzen erfahret, daß es mit der Geſundheit nir- gend a Rom. VII. 25. S s s s

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 689. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/785>, abgerufen am 22.11.2024.