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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Der unter den Stech-Disteln
gend hin will; in dem der Eyter der heimlichen Abkehr vom Nächsten,
und des schädlichen Neids die Gebein durchfrisset. O wie erkennt
da der Mensch die unaussprechliche Nothwendigkeit durchaus und
überall rein zu seyn von gar allem Unwillen; weil derselbe, er mag so
gering und verborgen seyn als er will, ein Bann ist, und so lang der
im Hertzen bleibt, vermag er nicht zu stehen gegen seine grausame
Feinde a. Zorn und Grimm müssen nicht nur geschwächt und ge-
hemmet, sondern gar getödtet, und alle Stäublein dieses jährenden,
brausenden, aufblähenden Saurteigs rein ausgefegt werden, soll je
das in GOtt verborgene Leben Christi aus der Seel hervor grünen;
Wird noch die geringste Widrigkeit geheget, so ist das Geschirr un-
sauber, und kan sich die durchleuchtige Liebe GOttes darmit nicht
vermengen.

So wenig
als die
Liebe ge-
gen denen
die uns
nichts
leyd thun.

§. 7. Einw. Sagst du, ich liebe alle Menschen, bin mit jeder-
mann zufrieden, und weiß niemand dem ich aufsetzig sey.

Antw. Also schmeichlet sich die Eigen-Liebe; So lang sie nicht ge-
reitzt wird, so hat sie eine Sanfftmuth, eben wie Schlangen und Lö-
wen auch haben: Sintemahl es wohl ein teuflischer Zorn ist, dieje-
nigen schädigen, so uns nicht beleidigen; dann auch die Dornsträuch
stechen niemand, als der ihnen zu nahe trittet, siehe nun, wie fein
du dich schmuckest, du bist also weit kommen mit deiner Sanfftmuth,
daß du einem Dorn-Zweig ähnlich siehest.

Dann nie-
mand
kommet in
Himmel
als der so
seinen
Feind
liebt und
sich bey
aufstei-
gendem
Grollen
gleich
selbst ver-
bammet.

§. 8. Einw. Wir müßten auf diese Weiß alle am Himmelreich
verzagen, und würde niemand seelig, wann man so gar unempfind-
lich seyn, und stäts von reiner Liebe gegen alle und jede Beleidiger
brennen sollte. Antw. Niemand kommt in Himmel, als der da
glaubt, daß GOtt solches von ihm fordere, und daß er nothwendig
also müsse beschaffen seyn. Dann ein solcher demüthiget sich, hat
ein groß Mißfallen an sich selbst, wird durch den Glantz des Gesetzes
im Antlitz Mosis sehr erschrecket, schämet sich seiner greulichen Un-
arth und Mißgestalt, erkennt, daß er der unendlichen Barmhertzigkeit
GOttes mehr bedörffe dann sonst kein Mensch, er seuffzet nach Gnad,
laufft in allen Anfällen zu Christo und suchet Hülff bey ihm, und schreitet
durch seine Gnad und Krafft allgemach immer näher zum vorgesteckten Ziel
seiner himmlischen Beruffung; es ist ihm das schwerste Creutz, daß er
seine Widersächer nicht also brünstig lieben kan, und ihm noch unter-

weilen
a Jes. VII. 13.

Der unter den Stech-Diſteln
gend hin will; in dem der Eyter der heimlichen Abkehr vom Naͤchſten,
und des ſchaͤdlichen Neids die Gebein durchfriſſet. O wie erkennt
da der Menſch die unausſprechliche Nothwendigkeit durchaus und
uͤberall rein zu ſeyn von gar allem Unwillen; weil derſelbe, er mag ſo
gering und verborgen ſeyn als er will, ein Bann iſt, und ſo lang der
im Hertzen bleibt, vermag er nicht zu ſtehen gegen ſeine grauſame
Feinde a. Zorn und Grimm muͤſſen nicht nur geſchwaͤcht und ge-
hemmet, ſondern gar getoͤdtet, und alle Staͤublein dieſes jaͤhrenden,
brauſenden, aufblaͤhenden Saurteigs rein ausgefegt werden, ſoll je
das in GOtt verborgene Leben Chriſti aus der Seel hervor gruͤnen;
Wird noch die geringſte Widrigkeit geheget, ſo iſt das Geſchirr un-
ſauber, und kan ſich die durchleuchtige Liebe GOttes darmit nicht
vermengen.

So wenig
als die
Liebe ge-
gen denen
die uns
nichts
leyd thun.

§. 7. Einw. Sagſt du, ich liebe alle Menſchen, bin mit jeder-
mann zufrieden, und weiß niemand dem ich aufſetzig ſey.

Antw. Alſo ſchmeichlet ſich die Eigen-Liebe; So lang ſie nicht ge-
reitzt wird, ſo hat ſie eine Sanfftmuth, eben wie Schlangen und Loͤ-
wen auch haben: Sintemahl es wohl ein teufliſcher Zorn iſt, dieje-
nigen ſchaͤdigen, ſo uns nicht beleidigen; dann auch die Dornſtraͤuch
ſtechen niemand, als der ihnen zu nahe trittet, ſiehe nun, wie fein
du dich ſchmuckeſt, du biſt alſo weit kommen mit deiner Sanfftmuth,
daß du einem Dorn-Zweig aͤhnlich ſieheſt.

Dann nie-
mand
kommet in
Himmel
als der ſo
ſeinen
Feind
liebt und
ſich bey
aufſtei-
gendem
Grollen
gleich
ſelbſt ver-
bammet.

§. 8. Einw. Wir muͤßten auf dieſe Weiß alle am Himmelreich
verzagen, und wuͤrde niemand ſeelig, wann man ſo gar unempfind-
lich ſeyn, und ſtaͤts von reiner Liebe gegen alle und jede Beleidiger
brennen ſollte. Antw. Niemand kommt in Himmel, als der da
glaubt, daß GOtt ſolches von ihm fordere, und daß er nothwendig
alſo muͤſſe beſchaffen ſeyn. Dann ein ſolcher demuͤthiget ſich, hat
ein groß Mißfallen an ſich ſelbſt, wird durch den Glantz des Geſetzes
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arth und Mißgeſtalt, erkennt, daß er der unendlichen Barmhertzigkeit
GOttes mehr bedoͤrffe dann ſonſt kein Menſch, er ſeuffzet nach Gnad,
laufft in allen Anfaͤllen zu Chriſto und ſuchet Huͤlff bey ihm, und ſchreitet
durch ſeine Gnad und Krafft allgemach im̃er naͤher zum vorgeſteckten Ziel
ſeiner himmliſchen Beruffung; es iſt ihm das ſchwerſte Creutz, daß er
ſeine Widerſaͤcher nicht alſo bruͤnſtig lieben kan, und ihm noch unter-

weilen
a Jeſ. VII. 13.
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[690/0786] Der unter den Stech-Diſteln gend hin will; in dem der Eyter der heimlichen Abkehr vom Naͤchſten, und des ſchaͤdlichen Neids die Gebein durchfriſſet. O wie erkennt da der Menſch die unausſprechliche Nothwendigkeit durchaus und uͤberall rein zu ſeyn von gar allem Unwillen; weil derſelbe, er mag ſo gering und verborgen ſeyn als er will, ein Bann iſt, und ſo lang der im Hertzen bleibt, vermag er nicht zu ſtehen gegen ſeine grauſame Feinde a. Zorn und Grimm muͤſſen nicht nur geſchwaͤcht und ge- hemmet, ſondern gar getoͤdtet, und alle Staͤublein dieſes jaͤhrenden, brauſenden, aufblaͤhenden Saurteigs rein ausgefegt werden, ſoll je das in GOtt verborgene Leben Chriſti aus der Seel hervor gruͤnen; Wird noch die geringſte Widrigkeit geheget, ſo iſt das Geſchirr un- ſauber, und kan ſich die durchleuchtige Liebe GOttes darmit nicht vermengen. §. 7. Einw. Sagſt du, ich liebe alle Menſchen, bin mit jeder- mann zufrieden, und weiß niemand dem ich aufſetzig ſey. Antw. Alſo ſchmeichlet ſich die Eigen-Liebe; So lang ſie nicht ge- reitzt wird, ſo hat ſie eine Sanfftmuth, eben wie Schlangen und Loͤ- wen auch haben: Sintemahl es wohl ein teufliſcher Zorn iſt, dieje- nigen ſchaͤdigen, ſo uns nicht beleidigen; dann auch die Dornſtraͤuch ſtechen niemand, als der ihnen zu nahe trittet, ſiehe nun, wie fein du dich ſchmuckeſt, du biſt alſo weit kommen mit deiner Sanfftmuth, daß du einem Dorn-Zweig aͤhnlich ſieheſt. §. 8. Einw. Wir muͤßten auf dieſe Weiß alle am Himmelreich verzagen, und wuͤrde niemand ſeelig, wann man ſo gar unempfind- lich ſeyn, und ſtaͤts von reiner Liebe gegen alle und jede Beleidiger brennen ſollte. Antw. Niemand kommt in Himmel, als der da glaubt, daß GOtt ſolches von ihm fordere, und daß er nothwendig alſo muͤſſe beſchaffen ſeyn. Dann ein ſolcher demuͤthiget ſich, hat ein groß Mißfallen an ſich ſelbſt, wird durch den Glantz des Geſetzes im Antlitz Moſis ſehr erſchrecket, ſchaͤmet ſich ſeiner greulichen Un- arth und Mißgeſtalt, erkennt, daß er der unendlichen Barmhertzigkeit GOttes mehr bedoͤrffe dann ſonſt kein Menſch, er ſeuffzet nach Gnad, laufft in allen Anfaͤllen zu Chriſto und ſuchet Huͤlff bey ihm, und ſchreitet durch ſeine Gnad und Krafft allgemach im̃er naͤher zum vorgeſteckten Ziel ſeiner himmliſchen Beruffung; es iſt ihm das ſchwerſte Creutz, daß er ſeine Widerſaͤcher nicht alſo bruͤnſtig lieben kan, und ihm noch unter- weilen a Jeſ. VII. 13.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 690. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/786>, abgerufen am 01.07.2024.