Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

hervor blühende Lilien-Zweig.
keit, im Geben und Nehmen, was ihm beliebt, und bitte ihn, daß
er nur alles wolle auf dich zustürmen lassen, biß dein Eigenwill nicht
nur gebrochen, sondern gar ausgerottet ist: Lasse dirs wohl gefallen,
daß dich dein guter GOTT durch allerhand Anstösse also mürb ma-
che, daß dir gleich sey, die Menschen hassen oder lieben, ehren oder
verachten dich, du sterbest oder lebest. Alsdann freue dich, dann
GOttes Reich ist zu dir kommen, in tieff verborgenem Fried und
Freud im heiligen Geist, du bist mit Christo gecreutziget, dein Will
hat verzapplet, ist tod, und reget sich nicht mehr; hinfort lebet Chri-
stus in dir, er hat das Reich nach langem Ringen eingenommen, er
herrschet mit seiner göttlichen Lust, Begierden, Weißheit und Krafft
in dir. Hier ist die Seele zur Stille kommen in Salem, und weißt
von keinem Paradiese als in GOttes Wille ruhen, wie er es alle
Augenblick mit ihr fügt; da es freylich grosse Proben gibt, welche
der seelige Geschmack göttlichen Willens erträglich macht, biß der
liebe GOtt kommt, und mit dem Tod allem ein Ende schaffet; biß
dahin bittet der glaubig Mensch allweg; Abba zukomme dein Reich!
Amen.

§. 8. Jn diesen wunderbahren Zustand zu kommen, must du alleUnd das
Leiden
und die
Beleidiger
als Werck-
zeuge an-
sehen,

und jede Beleidiger als Werckzeuge der unergründlichen Weißheit
deines HErren ansehen, wie der Leinwand die Stampffe.

Was muß der liebe Leinwad an diesen Orten nicht leiden, ehe er
zu Ehren kommt, und in fremde Länder verschickt wird? O Seele!
Gedencke, hier ist der Ort der Zubereitung, die dir zwar schmertzli-
cher ist als dem Leinwad; wie aber auch dieser keine Freud hat Schnee-
weiß zu seyn, so wirst du hingegen ewige Wonne haben, dich selbst
zu sehen ohne Sünden-Flecken, gläntzen von Heiligkeit.

§. 9. Darum murre niemahls über die Leidens-Stampfe, oderwordurch
man zur
Seeligkeit
bereitet
wird.

meynest du, GOtt wisse nicht besser mit dir umzugehen, als du mit
deinem Leinwad? Oder du seyest ihm nicht eben so lieb, und er trage
nicht eben so gute Sorg zu dir? Bedencke, du kostest ihn mehr als
dich dein Leinwad, der aus deinen Händen kommt, und mit der
Zeit vergehet; dein GOtt aber bereitet dich zur Ewigkeit, ihm selbst
zum Ruhm und Freud. Fahret dich also jemand an mit rauhen Wor-
ten, oder thut dir Schaden; so dencke, das sey dir von Ewigkeit her
in deinem Lebens-Lauff bestimmt gewesen, und der Bach der stäts
lauffenden göttlichen Vorsehung habe diesen Menschen-Stämpfel

wollen
T t t t

hervor bluͤhende Lilien-Zweig.
keit, im Geben und Nehmen, was ihm beliebt, und bitte ihn, daß
er nur alles wolle auf dich zuſtuͤrmen laſſen, biß dein Eigenwill nicht
nur gebrochen, ſondern gar ausgerottet iſt: Laſſe dirs wohl gefallen,
daß dich dein guter GOTT durch allerhand Anſtoͤſſe alſo muͤrb ma-
che, daß dir gleich ſey, die Menſchen haſſen oder lieben, ehren oder
verachten dich, du ſterbeſt oder lebeſt. Alsdann freue dich, dann
GOttes Reich iſt zu dir kommen, in tieff verborgenem Fried und
Freud im heiligen Geiſt, du biſt mit Chriſto gecreutziget, dein Will
hat verzapplet, iſt tod, und reget ſich nicht mehr; hinfort lebet Chri-
ſtus in dir, er hat das Reich nach langem Ringen eingenommen, er
herrſchet mit ſeiner goͤttlichen Luſt, Begierden, Weißheit und Krafft
in dir. Hier iſt die Seele zur Stille kommen in Salem, und weißt
von keinem Paradieſe als in GOttes Wille ruhen, wie er es alle
Augenblick mit ihr fuͤgt; da es freylich groſſe Proben gibt, welche
der ſeelige Geſchmack goͤttlichen Willens ertraͤglich macht, biß der
liebe GOtt kommt, und mit dem Tod allem ein Ende ſchaffet; biß
dahin bittet der glaubig Menſch allweg; Abba zukomme dein Reich!
Amen.

§. 8. Jn dieſen wunderbahren Zuſtand zu kommen, muſt du alleUnd das
Leiden
und die
Beleidiger
als Werck-
zeuge an-
ſehen,

und jede Beleidiger als Werckzeuge der unergruͤndlichen Weißheit
deines HErren anſehen, wie der Leinwand die Stampffe.

Was muß der liebe Leinwad an dieſen Orten nicht leiden, ehe er
zu Ehren kommt, und in fremde Laͤnder verſchickt wird? O Seele!
Gedencke, hier iſt der Ort der Zubereitung, die dir zwar ſchmertzli-
cher iſt als dem Leinwad; wie aber auch dieſer keine Freud hat Schnee-
weiß zu ſeyn, ſo wirſt du hingegen ewige Wonne haben, dich ſelbſt
zu ſehen ohne Suͤnden-Flecken, glaͤntzen von Heiligkeit.

§. 9. Darum murre niemahls uͤber die Leidens-Stampfe, oderwordurch
man zur
Seeligkeit
bereitet
wird.

meyneſt du, GOtt wiſſe nicht beſſer mit dir umzugehen, als du mit
deinem Leinwad? Oder du ſeyeſt ihm nicht eben ſo lieb, und er trage
nicht eben ſo gute Sorg zu dir? Bedencke, du koſteſt ihn mehr als
dich dein Leinwad, der aus deinen Haͤnden kommt, und mit der
Zeit vergehet; dein GOtt aber bereitet dich zur Ewigkeit, ihm ſelbſt
zum Ruhm und Freud. Fahret dich alſo jemand an mit rauhen Wor-
ten, oder thut dir Schaden; ſo dencke, das ſey dir von Ewigkeit her
in deinem Lebens-Lauff beſtimmt geweſen, und der Bach der ſtaͤts
lauffenden goͤttlichen Vorſehung habe dieſen Menſchen-Staͤmpfel

wollen
T t t t
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0793" n="697"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">hervor blu&#x0364;hende Lilien-Zweig.</hi></fw><lb/>
keit, im Geben und Nehmen, was ihm beliebt, und bitte ihn, daß<lb/>
er nur alles wolle auf dich zu&#x017F;tu&#x0364;rmen la&#x017F;&#x017F;en, biß dein Eigenwill nicht<lb/>
nur gebrochen, &#x017F;ondern gar ausgerottet i&#x017F;t: La&#x017F;&#x017F;e dirs wohl gefallen,<lb/>
daß dich dein guter GOTT durch allerhand An&#x017F;to&#x0364;&#x017F;&#x017F;e al&#x017F;o mu&#x0364;rb ma-<lb/>
che, daß dir gleich &#x017F;ey, die Men&#x017F;chen ha&#x017F;&#x017F;en oder lieben, ehren oder<lb/>
verachten dich, du &#x017F;terbe&#x017F;t oder lebe&#x017F;t. Alsdann freue dich, dann<lb/>
GOttes Reich i&#x017F;t zu dir kommen, in tieff verborgenem Fried und<lb/>
Freud im heiligen Gei&#x017F;t, du bi&#x017F;t mit Chri&#x017F;to gecreutziget, dein Will<lb/>
hat verzapplet, i&#x017F;t tod, und reget &#x017F;ich nicht mehr; hinfort lebet Chri-<lb/>
&#x017F;tus in dir, er hat das Reich nach langem Ringen eingenommen, er<lb/>
herr&#x017F;chet mit &#x017F;einer go&#x0364;ttlichen Lu&#x017F;t, Begierden, Weißheit und Krafft<lb/>
in dir. Hier i&#x017F;t die Seele zur Stille kommen in Salem, und weißt<lb/>
von keinem Paradie&#x017F;e als in GOttes Wille ruhen, wie er es alle<lb/>
Augenblick mit ihr fu&#x0364;gt; da es freylich gro&#x017F;&#x017F;e Proben gibt, welche<lb/>
der &#x017F;eelige Ge&#x017F;chmack go&#x0364;ttlichen Willens ertra&#x0364;glich macht, biß der<lb/>
liebe GOtt kommt, und mit dem Tod allem ein Ende &#x017F;chaffet; biß<lb/>
dahin bittet der glaubig Men&#x017F;ch allweg; Abba zukomme dein Reich!<lb/>
Amen.</p><lb/>
          <p>§. 8. Jn die&#x017F;en wunderbahren Zu&#x017F;tand zu kommen, mu&#x017F;t du alle<note place="right">Und das<lb/>
Leiden<lb/>
und die<lb/>
Beleidiger<lb/>
als Werck-<lb/>
zeuge an-<lb/>
&#x017F;ehen,</note><lb/>
und jede Beleidiger als Werckzeuge der unergru&#x0364;ndlichen Weißheit<lb/>
deines HErren an&#x017F;ehen, wie der Leinwand die Stampffe.</p><lb/>
          <p>Was muß der liebe <hi rendition="#fr">Leinwad</hi> an die&#x017F;en Orten nicht leiden, ehe er<lb/>
zu Ehren kommt, und in fremde La&#x0364;nder ver&#x017F;chickt wird? O Seele!<lb/>
Gedencke, hier i&#x017F;t der Ort der Zubereitung, die dir zwar &#x017F;chmertzli-<lb/>
cher i&#x017F;t als dem Leinwad; wie aber auch die&#x017F;er keine Freud hat Schnee-<lb/>
weiß zu &#x017F;eyn, &#x017F;o wir&#x017F;t du hingegen ewige Wonne haben, dich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
zu &#x017F;ehen ohne Su&#x0364;nden-Flecken, gla&#x0364;ntzen von Heiligkeit.</p><lb/>
          <p>§. 9. Darum murre niemahls u&#x0364;ber die Leidens-Stampfe, oder<note place="right">wordurch<lb/>
man zur<lb/>
Seeligkeit<lb/>
bereitet<lb/>
wird.</note><lb/>
meyne&#x017F;t du, GOtt wi&#x017F;&#x017F;e nicht be&#x017F;&#x017F;er mit dir umzugehen, als du mit<lb/>
deinem Leinwad? Oder du &#x017F;eye&#x017F;t ihm nicht eben &#x017F;o lieb, und er trage<lb/>
nicht eben &#x017F;o gute Sorg zu dir? Bedencke, du ko&#x017F;te&#x017F;t ihn mehr als<lb/>
dich dein Leinwad, der aus deinen Ha&#x0364;nden kommt, und mit der<lb/>
Zeit vergehet; dein GOtt aber bereitet dich zur Ewigkeit, ihm &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
zum Ruhm und Freud. Fahret dich al&#x017F;o jemand an mit rauhen Wor-<lb/>
ten, oder thut dir Schaden; &#x017F;o dencke, das &#x017F;ey dir von Ewigkeit her<lb/>
in deinem Lebens-Lauff be&#x017F;timmt gewe&#x017F;en, und der Bach der &#x017F;ta&#x0364;ts<lb/>
lauffenden go&#x0364;ttlichen Vor&#x017F;ehung habe die&#x017F;en Men&#x017F;chen-Sta&#x0364;mpfel<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">T t t t</fw><fw place="bottom" type="catch">wollen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[697/0793] hervor bluͤhende Lilien-Zweig. keit, im Geben und Nehmen, was ihm beliebt, und bitte ihn, daß er nur alles wolle auf dich zuſtuͤrmen laſſen, biß dein Eigenwill nicht nur gebrochen, ſondern gar ausgerottet iſt: Laſſe dirs wohl gefallen, daß dich dein guter GOTT durch allerhand Anſtoͤſſe alſo muͤrb ma- che, daß dir gleich ſey, die Menſchen haſſen oder lieben, ehren oder verachten dich, du ſterbeſt oder lebeſt. Alsdann freue dich, dann GOttes Reich iſt zu dir kommen, in tieff verborgenem Fried und Freud im heiligen Geiſt, du biſt mit Chriſto gecreutziget, dein Will hat verzapplet, iſt tod, und reget ſich nicht mehr; hinfort lebet Chri- ſtus in dir, er hat das Reich nach langem Ringen eingenommen, er herrſchet mit ſeiner goͤttlichen Luſt, Begierden, Weißheit und Krafft in dir. Hier iſt die Seele zur Stille kommen in Salem, und weißt von keinem Paradieſe als in GOttes Wille ruhen, wie er es alle Augenblick mit ihr fuͤgt; da es freylich groſſe Proben gibt, welche der ſeelige Geſchmack goͤttlichen Willens ertraͤglich macht, biß der liebe GOtt kommt, und mit dem Tod allem ein Ende ſchaffet; biß dahin bittet der glaubig Menſch allweg; Abba zukomme dein Reich! Amen. §. 8. Jn dieſen wunderbahren Zuſtand zu kommen, muſt du alle und jede Beleidiger als Werckzeuge der unergruͤndlichen Weißheit deines HErren anſehen, wie der Leinwand die Stampffe. Und das Leiden und die Beleidiger als Werck- zeuge an- ſehen, Was muß der liebe Leinwad an dieſen Orten nicht leiden, ehe er zu Ehren kommt, und in fremde Laͤnder verſchickt wird? O Seele! Gedencke, hier iſt der Ort der Zubereitung, die dir zwar ſchmertzli- cher iſt als dem Leinwad; wie aber auch dieſer keine Freud hat Schnee- weiß zu ſeyn, ſo wirſt du hingegen ewige Wonne haben, dich ſelbſt zu ſehen ohne Suͤnden-Flecken, glaͤntzen von Heiligkeit. §. 9. Darum murre niemahls uͤber die Leidens-Stampfe, oder meyneſt du, GOtt wiſſe nicht beſſer mit dir umzugehen, als du mit deinem Leinwad? Oder du ſeyeſt ihm nicht eben ſo lieb, und er trage nicht eben ſo gute Sorg zu dir? Bedencke, du koſteſt ihn mehr als dich dein Leinwad, der aus deinen Haͤnden kommt, und mit der Zeit vergehet; dein GOtt aber bereitet dich zur Ewigkeit, ihm ſelbſt zum Ruhm und Freud. Fahret dich alſo jemand an mit rauhen Wor- ten, oder thut dir Schaden; ſo dencke, das ſey dir von Ewigkeit her in deinem Lebens-Lauff beſtimmt geweſen, und der Bach der ſtaͤts lauffenden goͤttlichen Vorſehung habe dieſen Menſchen-Staͤmpfel wollen wordurch man zur Seeligkeit bereitet wird. T t t t

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/793
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 697. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/793>, abgerufen am 22.11.2024.