ein Greuel, seine Händ sind voll Menschen-Seelen-Blut, und sein Gebett wie das Brummen eines Bären a.
Er wagets und trittet mit einer Wolfs-Haut und Schlangen- Balg in den Hochzeit-Saal, wann er zu des HERREN Tisch gehet; die Predigten, so er anhört, sind ein Zeugniß wider ihn, und werden in der Ewigkeit in seinem Gewissen donneren.
§. 8. O armer Mensch! Gib niemand schuld; Dann willt duund ligt die Schuld dessen nur an ihme. darum ein Dorn-Strauch seyn, weil dein Nächster ein Distel ist? Es ist wunderlich, daß man den geistlichen unvergänglichen Reich- thum, Freud und Ehre immer auf andere schiebt, und sich der un- schätzbaren Güter des ewigen Lebens nicht annehmen will, es ma- chen dann andere den Anfang; man will nicht demüthig, schonend, liebseelig seyn, wo nicht ein anderer es zu erst ist, man will sich nicht von Satans Koth reinigen, und mit GOttes Bild auszie- ren lassen, wofern nicht der ander sich zu erst an diesen Schätzen reich und seelig machen laßt. Wie kommt es aber, daß sich nie- mand beschwehrt viel Geld, Ehr, Glück und Gesundheit zu haben, so lang seine Bekannte und Nachbaren neben ihm arm, veracht, kranck und elend sind?
§. 9. Was ist dann wohl die Ursach einer so närrischen Auffüh-Ursach des- sen. rung? Keine andere, als der verkehrte, ja schlimmer als Heydni- sche Begriff, so man von der Heiligung ins gemein hat, als einer überlästigen, beschwehrlichen, unerträglichen Sach; da sie doch Himmel-hoch über alles Glück, Ruhm, Vortheil und Ansehen, so ein sterblicher auf Erden erjagen kan, erhaben ist. Heilige Liebe GOttes und des Nächsten, ist warlich der Seelen Schmuck, Schatz, Gesundheit, ihr edelstes Kleinod und Schönheit; welches alles nicht vergehet, sondern bleibt ins ewige Leben: Was ver- zeuchst du dann alles aus der Fülle Christi zu nehmen?
§. 10. Was zauderst du, und gaffest deinen Widerpart an, ob
er
aMatth. V. 24.
A a a a a 3
hervor bluͤhende Lilien-Zweig.
ein Greuel, ſeine Haͤnd ſind voll Menſchen-Seelen-Blut, und ſein Gebett wie das Brummen eines Baͤren a.
Er wagets und trittet mit einer Wolfs-Haut und Schlangen- Balg in den Hochzeit-Saal, wann er zu des HERREN Tiſch gehet; die Predigten, ſo er anhoͤrt, ſind ein Zeugniß wider ihn, und werden in der Ewigkeit in ſeinem Gewiſſen donneren.
§. 8. O armer Menſch! Gib niemand ſchuld; Dann willt duund ligt die Schuld deſſen nur an ihme. darum ein Dorn-Strauch ſeyn, weil dein Naͤchſter ein Diſtel iſt? Es iſt wunderlich, daß man den geiſtlichen unvergaͤnglichen Reich- thum, Freud und Ehre immer auf andere ſchiebt, und ſich der un- ſchaͤtzbaren Guͤter des ewigen Lebens nicht annehmen will, es ma- chen dann andere den Anfang; man will nicht demuͤthig, ſchonend, liebſeelig ſeyn, wo nicht ein anderer es zu erſt iſt, man will ſich nicht von Satans Koth reinigen, und mit GOttes Bild auszie- ren laſſen, wofern nicht der ander ſich zu erſt an dieſen Schaͤtzen reich und ſeelig machen laßt. Wie kommt es aber, daß ſich nie- mand beſchwehrt viel Geld, Ehr, Gluͤck und Geſundheit zu haben, ſo lang ſeine Bekannte und Nachbaren neben ihm arm, veracht, kranck und elend ſind?
§. 9. Was iſt dann wohl die Urſach einer ſo naͤrriſchen Auffuͤh-Urſach deſ- ſen. rung? Keine andere, als der verkehrte, ja ſchlimmer als Heydni- ſche Begriff, ſo man von der Heiligung ins gemein hat, als einer uͤberlaͤſtigen, beſchwehrlichen, unertraͤglichen Sach; da ſie doch Himmel-hoch uͤber alles Gluͤck, Ruhm, Vortheil und Anſehen, ſo ein ſterblicher auf Erden erjagen kan, erhaben iſt. Heilige Liebe GOttes und des Naͤchſten, iſt warlich der Seelen Schmuck, Schatz, Geſundheit, ihr edelſtes Kleinod und Schoͤnheit; welches alles nicht vergehet, ſondern bleibt ins ewige Leben: Was ver- zeuchſt du dann alles aus der Fuͤlle Chriſti zu nehmen?
§. 10. Was zauderſt du, und gaffeſt deinen Widerpart an, ob
er
aMatth. V. 24.
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hervor bluͤhende Lilien-Zweig.
ein Greuel, ſeine Haͤnd ſind voll Menſchen-Seelen-Blut, und ſein
Gebett wie das Brummen eines Baͤren a.
Er wagets und trittet mit einer Wolfs-Haut und Schlangen-
Balg in den Hochzeit-Saal, wann er zu des HERREN Tiſch
gehet; die Predigten, ſo er anhoͤrt, ſind ein Zeugniß wider ihn,
und werden in der Ewigkeit in ſeinem Gewiſſen donneren.
§. 8. O armer Menſch! Gib niemand ſchuld; Dann willt du
darum ein Dorn-Strauch ſeyn, weil dein Naͤchſter ein Diſtel iſt?
Es iſt wunderlich, daß man den geiſtlichen unvergaͤnglichen Reich-
thum, Freud und Ehre immer auf andere ſchiebt, und ſich der un-
ſchaͤtzbaren Guͤter des ewigen Lebens nicht annehmen will, es ma-
chen dann andere den Anfang; man will nicht demuͤthig, ſchonend,
liebſeelig ſeyn, wo nicht ein anderer es zu erſt iſt, man will ſich
nicht von Satans Koth reinigen, und mit GOttes Bild auszie-
ren laſſen, wofern nicht der ander ſich zu erſt an dieſen Schaͤtzen
reich und ſeelig machen laßt. Wie kommt es aber, daß ſich nie-
mand beſchwehrt viel Geld, Ehr, Gluͤck und Geſundheit zu haben,
ſo lang ſeine Bekannte und Nachbaren neben ihm arm, veracht,
kranck und elend ſind?
und ligt
die Schuld
deſſen nur
an ihme.
§. 9. Was iſt dann wohl die Urſach einer ſo naͤrriſchen Auffuͤh-
rung? Keine andere, als der verkehrte, ja ſchlimmer als Heydni-
ſche Begriff, ſo man von der Heiligung ins gemein hat, als einer
uͤberlaͤſtigen, beſchwehrlichen, unertraͤglichen Sach; da ſie doch
Himmel-hoch uͤber alles Gluͤck, Ruhm, Vortheil und Anſehen,
ſo ein ſterblicher auf Erden erjagen kan, erhaben iſt. Heilige Liebe
GOttes und des Naͤchſten, iſt warlich der Seelen Schmuck,
Schatz, Geſundheit, ihr edelſtes Kleinod und Schoͤnheit; welches
alles nicht vergehet, ſondern bleibt ins ewige Leben: Was ver-
zeuchſt du dann alles aus der Fuͤlle Chriſti zu nehmen?
Urſach deſ-
ſen.
§. 10. Was zauderſt du, und gaffeſt deinen Widerpart an, ob
er
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 741. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/837>, abgerufen am 22.11.2024.
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