Den Gött- lichen Geistes Trieb ha- ben auch Heyden erkannt.
§. 4. Haben doch Heydnische Dichter dörffen sagen:
Est Deus in nobis, agitante calescimus illo. Jch leb nicht ohne dich: doch wenn dein Geist mich drin- get, So ist mein alles dir gehorsam, schallt und klinget.
Wie in einer Orgel alle Pfeiffen von Wind thönen. Der vor- treffliche Berner Synodus lehret, ein Prediger solle nach vorge- nommenem Text so lange im Gebett anhalten biß etwas göttlichen Verstands von oben herab einfliesse, und stracks gedencken, daß der Heil. Geist in ihme rede, da solle er frey ausgeschieden alle Creatu- ren zwischen ihm und GOTT allein handlen und weiter Liecht von ihm empfahen.
Erasmi Zeugnuß, und Luthe- ri.
§. 5. Der fromme hoch-verständige Erasmus schreibt, er habe auf seinen Reisen einen Prediger mit Erstaunung angehört, ihne deßwegen gefragt, wie er studiere, welcher ihm hierauf diesen Be- richt ertheilet habe: Er werffe sich auf seine Knye vor GOTT nie- der mit Loben und Dancken seiner grossen Barmhertzigkeit in Christo, klage ihm im Vertrauen seinen geistlichen Mangel und Blindheit, bette mit hertzlicher Zuversicht um grössere Gnad und wie ihn sonst sein innwendig verborgen Anligen reitze und treibe, darmit setze er sein einfältig Gespräch also lange fort, biß sein Hertz rechtschaffen einbrünstig werde von der Göttlichen Liebes-Flamm: wann dann das Gnaden-Liecht in ihme helle brenne, so nehme er einen Spruch aus Paulo oder Petro vor sich, schaue denselben steiff an, darbey ihm viel heilige, gute Gedancken einfallen, das eintemahl reichlicher als das andere, daran er zuvor nicht gedacht; Nach dem Wort: Jn deinem Liecht sehen wir das Liechta, wann nun alles so in ihme brudle, so lauffe er auf die Cantzel und predige drey viertel oder auch nur kaum eine halbe Stund, und auf diese Weise predigte er wohl sieben mahl in einem Tag. Erasmus bezeuget: Er treffe das Hertz und predige recht erstaunlich.
Lutherus sagt von sich, er habe mehr Verstands H. Schrifft aus Studieren und Gebett gehöret zusam- men.dem Gebett geschöpfft als von allem Studieren und Meditieren.
§. 6. Es studieret zwar ein Gottsförchtiger Lehrer allezeit, sintemahl er mit der Wegweisung des HErren umgehet Tag und Nacht, und be-
reitet
aPsal. XXXVI. 10.
Vorrede.
Den Goͤtt- lichen Geiſtes Trieb ha- ben auch Heyden erkannt.
§. 4. Haben doch Heydniſche Dichter doͤrffen ſagen:
Eſt Deus in nobis, agitante caleſcimus illô. Jch leb nicht ohne dich: doch wenn dein Geiſt mich drin- get, So iſt mein alles dir gehorſam, ſchallt und klinget.
Wie in einer Orgel alle Pfeiffen von Wind thoͤnen. Der vor- treffliche Berner Synodus lehret, ein Prediger ſolle nach vorge- nommenem Text ſo lange im Gebett anhalten biß etwas goͤttlichen Verſtands von oben herab einflieſſe, und ſtracks gedencken, daß der Heil. Geiſt in ihme rede, da ſolle er frey ausgeſchieden alle Creatu- ren zwiſchen ihm und GOTT allein handlen und weiter Liecht von ihm empfahen.
Eraſmi Zeugnuß, und Luthe- ri.
§. 5. Der fromme hoch-verſtaͤndige Eraſmus ſchreibt, er habe auf ſeinen Reiſen einen Prediger mit Erſtaunung angehoͤrt, ihne deßwegen gefragt, wie er ſtudiere, welcher ihm hierauf dieſen Be- richt ertheilet habe: Er werffe ſich auf ſeine Knye vor GOTT nie- der mit Loben und Dancken ſeiner groſſen Barmhertzigkeit in Chriſto, klage ihm im Vertrauen ſeinen geiſtlichen Mangel und Blindheit, bette mit hertzlicher Zuverſicht um groͤſſere Gnad und wie ihn ſonſt ſein innwendig verborgen Anligen reitze und treibe, darmit ſetze er ſein einfaͤltig Geſpraͤch alſo lange fort, biß ſein Hertz rechtſchaffen einbruͤnſtig werde von der Goͤttlichen Liebes-Flamm: wann dann das Gnaden-Liecht in ihme helle brenne, ſo nehme er einen Spruch aus Paulo oder Petro vor ſich, ſchaue denſelben ſteiff an, darbey ihm viel heilige, gute Gedancken einfallen, das eintemahl reichlicher als das andere, daran er zuvor nicht gedacht; Nach dem Wort: Jn deinem Liecht ſehen wir das Liechta, wann nun alles ſo in ihme brudle, ſo lauffe er auf die Cantzel und predige drey viertel oder auch nur kaum eine halbe Stund, und auf dieſe Weiſe predigte er wohl ſieben mahl in einem Tag. Eraſmus bezeuget: Er treffe das Hertz und predige recht erſtaunlich.
Lutherus ſagt von ſich, er habe mehr Verſtands H. Schrifft aus Studieren und Gebett gehoͤret zuſam- men.dem Gebett geſchoͤpfft als von allem Studieren und Meditieren.
§. 6. Es ſtudieret zwar ein Gottsfoͤrchtiger Lehrer allezeit, ſintemahl er mit der Wegweiſung des HErren umgehet Tag und Nacht, und be-
reitet
aPſal. XXXVI. 10.
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Vorrede.
§. 4. Haben doch Heydniſche Dichter doͤrffen ſagen:
Eſt Deus in nobis, agitante caleſcimus illô.
Jch leb nicht ohne dich: doch wenn dein Geiſt mich drin-
get,
So iſt mein alles dir gehorſam, ſchallt und klinget.
Wie in einer Orgel alle Pfeiffen von Wind thoͤnen. Der vor-
treffliche Berner Synodus lehret, ein Prediger ſolle nach vorge-
nommenem Text ſo lange im Gebett anhalten biß etwas goͤttlichen
Verſtands von oben herab einflieſſe, und ſtracks gedencken, daß der
Heil. Geiſt in ihme rede, da ſolle er frey ausgeſchieden alle Creatu-
ren zwiſchen ihm und GOTT allein handlen und weiter Liecht von
ihm empfahen.
§. 5. Der fromme hoch-verſtaͤndige Eraſmus ſchreibt, er habe
auf ſeinen Reiſen einen Prediger mit Erſtaunung angehoͤrt, ihne
deßwegen gefragt, wie er ſtudiere, welcher ihm hierauf dieſen Be-
richt ertheilet habe: Er werffe ſich auf ſeine Knye vor GOTT nie-
der mit Loben und Dancken ſeiner groſſen Barmhertzigkeit in Chriſto,
klage ihm im Vertrauen ſeinen geiſtlichen Mangel und Blindheit,
bette mit hertzlicher Zuverſicht um groͤſſere Gnad und wie ihn ſonſt
ſein innwendig verborgen Anligen reitze und treibe, darmit ſetze er
ſein einfaͤltig Geſpraͤch alſo lange fort, biß ſein Hertz rechtſchaffen
einbruͤnſtig werde von der Goͤttlichen Liebes-Flamm: wann dann das
Gnaden-Liecht in ihme helle brenne, ſo nehme er einen Spruch aus
Paulo oder Petro vor ſich, ſchaue denſelben ſteiff an, darbey ihm
viel heilige, gute Gedancken einfallen, das eintemahl reichlicher als
das andere, daran er zuvor nicht gedacht; Nach dem Wort:
Jn deinem Liecht ſehen wir das Liecht a, wann nun
alles ſo in ihme brudle, ſo lauffe er auf die Cantzel und predige drey
viertel oder auch nur kaum eine halbe Stund, und auf dieſe Weiſe
predigte er wohl ſieben mahl in einem Tag. Eraſmus bezeuget: Er
treffe das Hertz und predige recht erſtaunlich.
Lutherus ſagt von ſich, er habe mehr Verſtands H. Schrifft aus
dem Gebett geſchoͤpfft als von allem Studieren und Meditieren.
Studieren
und Gebett
gehoͤret
zuſam-
men.
§. 6. Es ſtudieret zwar ein Gottsfoͤrchtiger Lehrer allezeit, ſintemahl
er mit der Wegweiſung des HErren umgehet Tag und Nacht, und be-
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 774. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/870>, abgerufen am 22.11.2024.
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