ten: Andere meynens besser zu treffen, verlassen sich auf eigene Ein- bildungen und auf ein wenig vergängliche Gedancken. Gleichwol aber lehret der Perlen Gebrauch was besseres. Sollen diese einem Patienten helffen, so muß man sie nicht bloß an den Hals hängen, oder nur ansehen, davon reden, dencken; sondern sie müssen wol zubereitet; in das Jnnerste hineingebracht und also ins Leben mit verwandlet werden.
Thorheit deren, die erst im Tode die Perl zu erlangen hoffen.
§. 7. Darzu schlagt Unlust und Faulheit, dann es hoffet dennoch der gröste Hauff in Himmel einzugehen, und da soll sie der Tod im Augenblick vollkommen heilig und rein machen, was nach ihrer Aus- sag das Evangelium in viertzig, sechstzig Jahren nicht könnte aus- richten, und in diesem Jrrthum lassen sie es auf den Tod ankom- men: Aber du liebes Hertz! Höre, auf daß dich GOTT auch höre in deiner letzten Noth.
Wann man die Perlen-Muschel öffnet, so macht diese Oeffnung keine Perlen wachsen, sondern entdecket und bringt an Tag, was in den Schalen verborgen ist, und da erscheints, wie empsig, sorgfäl- tig oder nachläßig der Schneck die bey seiner Bildung und Geburt aus dem Himmel oder aus den Wolcken empfangene und von der Sonne zubereitete und belebete Säffte bewahret und menagiert ha- be; Ebensfalls änderet die Zerbrechung des Leibs nichts, sondern of- fenbahret, wie der Mensch das Werck des HErren in der neuen Ge- burt getrieben oder verwahrloset. Wann ein Mensch stirbt in völli- ger Ubergab, welche er in vielen Zufällen wohl gelernet practiciren durch die Erkanntnuß Christi, so sencket er in GOtt; Aber es ist weit ein anders, sich endlich, wann es nicht anders zu machen ist, in GOttes Willen ergeben, dann da gehet erst die Reinigung un- sers Willens an, welcher noch zuvor gereiniget werden muß, ehe er mit GOtt vereiniget werden kan; Wer aber an seiner Perl, unend- lich genug habende, sich in GOtt verlieret, ist ewig seelig: Also bleibts darbey, daß der Tod die Seel nicht änderet, sondern sie er- scheint wie sie ist, und was sie gesammlet hat bey Leibes Leben, kommt hervor; Eben wie das Ablegen des Kleids, den Leib nicht änderet, sondern offenbahret nur dessen Gestalt; Wilt du aber an dir selbs er- fahren, obs möglich seye, auf Erden Gewißheit der Verklärung zu haben; und die theure Perl JEsum zu erhandlen, so gebrauche nur die Heyls-Mittel fleißig.
Laßt
Betrachtungen
ten: Andere meynens beſſer zu treffen, verlaſſen ſich auf eigene Ein- bildungen und auf ein wenig vergaͤngliche Gedancken. Gleichwol aber lehret der Perlen Gebrauch was beſſeres. Sollen dieſe einem Patienten helffen, ſo muß man ſie nicht bloß an den Hals haͤngen, oder nur anſehen, davon reden, dencken; ſondern ſie muͤſſen wol zubereitet; in das Jnnerſte hineingebracht und alſo ins Leben mit verwandlet werden.
Thorheit deren, die erſt im Tode die Perl zu erlangen hoffen.
§. 7. Darzu ſchlagt Unluſt und Faulheit, dann es hoffet dennoch der groͤſte Hauff in Himmel einzugehen, und da ſoll ſie der Tod im Augenblick vollkommen heilig und rein machen, was nach ihrer Aus- ſag das Evangelium in viertzig, ſechstzig Jahren nicht koͤnnte aus- richten, und in dieſem Jrrthum laſſen ſie es auf den Tod ankom- men: Aber du liebes Hertz! Hoͤre, auf daß dich GOTT auch hoͤre in deiner letzten Noth.
Wann man die Perlen-Muſchel oͤffnet, ſo macht dieſe Oeffnung keine Perlen wachſen, ſondern entdecket und bringt an Tag, was in den Schalen verborgen iſt, und da erſcheints, wie empſig, ſorgfaͤl- tig oder nachlaͤßig der Schneck die bey ſeiner Bildung und Geburt aus dem Himmel oder aus den Wolcken empfangene und von der Sonne zubereitete und belebete Saͤffte bewahret und menagiert ha- be; Ebensfalls aͤnderet die Zerbrechung des Leibs nichts, ſondern of- fenbahret, wie der Menſch das Werck des HErren in der neuen Ge- burt getrieben oder verwahrloſet. Wann ein Menſch ſtirbt in voͤlli- ger Ubergab, welche er in vielen Zufaͤllen wohl gelernet practiciren durch die Erkanntnuß Chriſti, ſo ſencket er in GOtt; Aber es iſt weit ein anders, ſich endlich, wann es nicht anders zu machen iſt, in GOttes Willen ergeben, dann da gehet erſt die Reinigung un- ſers Willens an, welcher noch zuvor gereiniget werden muß, ehe er mit GOtt vereiniget werden kan; Wer aber an ſeiner Perl, unend- lich genug habende, ſich in GOtt verlieret, iſt ewig ſeelig: Alſo bleibts darbey, daß der Tod die Seel nicht aͤnderet, ſondern ſie er- ſcheint wie ſie iſt, und was ſie geſammlet hat bey Leibes Leben, kommt hervor; Eben wie das Ablegen des Kleids, den Leib nicht aͤnderet, ſondern offenbahret nur deſſen Geſtalt; Wilt du aber an dir ſelbs er- fahren, obs moͤglich ſeye, auf Erden Gewißheit der Verklaͤrung zu haben; und die theure Perl JEſum zu erhandlen, ſo gebrauche nur die Heyls-Mittel fleißig.
Laßt
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Betrachtungen
ten: Andere meynens beſſer zu treffen, verlaſſen ſich auf eigene Ein-
bildungen und auf ein wenig vergaͤngliche Gedancken. Gleichwol
aber lehret der Perlen Gebrauch was beſſeres. Sollen dieſe einem
Patienten helffen, ſo muß man ſie nicht bloß an den Hals haͤngen,
oder nur anſehen, davon reden, dencken; ſondern ſie muͤſſen wol
zubereitet; in das Jnnerſte hineingebracht und alſo ins Leben mit
verwandlet werden.
§. 7. Darzu ſchlagt Unluſt und Faulheit, dann es hoffet dennoch
der groͤſte Hauff in Himmel einzugehen, und da ſoll ſie der Tod im
Augenblick vollkommen heilig und rein machen, was nach ihrer Aus-
ſag das Evangelium in viertzig, ſechstzig Jahren nicht koͤnnte aus-
richten, und in dieſem Jrrthum laſſen ſie es auf den Tod ankom-
men: Aber du liebes Hertz! Hoͤre, auf daß dich GOTT auch hoͤre
in deiner letzten Noth.
Wann man die Perlen-Muſchel oͤffnet, ſo macht dieſe Oeffnung
keine Perlen wachſen, ſondern entdecket und bringt an Tag, was in
den Schalen verborgen iſt, und da erſcheints, wie empſig, ſorgfaͤl-
tig oder nachlaͤßig der Schneck die bey ſeiner Bildung und Geburt
aus dem Himmel oder aus den Wolcken empfangene und von der
Sonne zubereitete und belebete Saͤffte bewahret und menagiert ha-
be; Ebensfalls aͤnderet die Zerbrechung des Leibs nichts, ſondern of-
fenbahret, wie der Menſch das Werck des HErren in der neuen Ge-
burt getrieben oder verwahrloſet. Wann ein Menſch ſtirbt in voͤlli-
ger Ubergab, welche er in vielen Zufaͤllen wohl gelernet practiciren
durch die Erkanntnuß Chriſti, ſo ſencket er in GOtt; Aber es iſt
weit ein anders, ſich endlich, wann es nicht anders zu machen iſt,
in GOttes Willen ergeben, dann da gehet erſt die Reinigung un-
ſers Willens an, welcher noch zuvor gereiniget werden muß, ehe er
mit GOtt vereiniget werden kan; Wer aber an ſeiner Perl, unend-
lich genug habende, ſich in GOtt verlieret, iſt ewig ſeelig: Alſo
bleibts darbey, daß der Tod die Seel nicht aͤnderet, ſondern ſie er-
ſcheint wie ſie iſt, und was ſie geſammlet hat bey Leibes Leben, kommt
hervor; Eben wie das Ablegen des Kleids, den Leib nicht aͤnderet,
ſondern offenbahret nur deſſen Geſtalt; Wilt du aber an dir ſelbs er-
fahren, obs moͤglich ſeye, auf Erden Gewißheit der Verklaͤrung zu
haben; und die theure Perl JEſum zu erhandlen, ſo gebrauche nur
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 898. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/994>, abgerufen am 22.11.2024.
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