Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.Cap. 2. Von Begehungs-Sünden offenbahrte, und nicht der Vater in dem Him-mel; dann wann jenes wäre, so hätten freylich Herren-Leute, die gemeiniglich eine etwas schärf- fere Vernunfft haben, disfalls einen etwelchen Vorzug, sonsten aber ist es ein gemeines Sprüch- Wort: Es seye nichts einfältigers an dem Bauren/ als sein Kittel (Rock.) 3) Weißt man aus Erfahrung, daß Herren-Leu- te in Sachen, so die Ewigkeit betreffen, eben so tumm sind als das Land-Volck; sie schwätzen und raisonieren zwar etwas fertiger daher, aber zum Suchen, Finden, Geniessen Göttlicher Süßigkei- ten sind sie noch wohl ungeschickter als die Land- Leute; ja so sauber ist ihr hoher Begriff von Göttlichen Dingen, worüber sie sich also brüsten, daß viele sie fast gar für ein Mährlein in ihrem stoltzen Unglauben halten. 4) Quillet ja alles Licht und Leben aus Christi Wunden und seinem Heiligen Geist; Beydes nun stehet den Bau- ren nicht weniger als den Herren offen, nur mit diesem Unterscheid, daß jene noch einen Vortheil vor diesen haben; dann je weniger Schlangen- Witz, und je weniger Geschmiers von aufble- hender Gelehrsamkeit (ich rede nicht von nützlichen heilsamen Wissenschafften, die mit Hertzens-De- muth, Geistes-Armuth und Seelen-Begierde nach der Einleuchtung des Gnaden-Lichts von oben begleitet sind) im Menschen ist, je kräfftiger und tiefer dringet der Wein und das Oel in die giff- tige Sünden-Wunden zu ihrer Genesung. Die Sonnen-Strahlen fallen viel heller und reiner in eine Kirch, da einfältige Glas-Scheiben sind, als
Cap. 2. Von Begehungs-Suͤnden offenbahrte, und nicht der Vater in dem Him-mel; dann wann jenes waͤre, ſo haͤtten freylich Herren-Leute, die gemeiniglich eine etwas ſchaͤrf- fere Vernunfft haben, disfalls einen etwelchen Vorzug, ſonſten aber iſt es ein gemeines Spruͤch- Wort: Es ſeye nichts einfaͤltigers an dem Bauren/ als ſein Kittel (Rock.) 3) Weißt man aus Erfahrung, daß Herren-Leu- te in Sachen, ſo die Ewigkeit betreffen, eben ſo tumm ſind als das Land-Volck; ſie ſchwaͤtzen und raiſonieren zwar etwas fertiger daher, aber zum Suchen, Finden, Genieſſen Goͤttlicher Suͤßigkei- ten ſind ſie noch wohl ungeſchickter als die Land- Leute; ja ſo ſauber iſt ihr hoher Begriff von Goͤttlichen Dingen, woruͤber ſie ſich alſo bruͤſten, daß viele ſie faſt gar fuͤr ein Maͤhrlein in ihrem ſtoltzen Unglauben halten. 4) Quillet ja alles Licht und Leben aus Chriſti Wunden und ſeinem Heiligen Geiſt; Beydes nun ſtehet den Bau- ren nicht weniger als den Herren offen, nur mit dieſem Unterſcheid, daß jene noch einen Vortheil vor dieſen haben; dann je weniger Schlangen- Witz, und je weniger Geſchmiers von aufble- hender Gelehrſamkeit (ich rede nicht von nuͤtzlichen heilſamen Wiſſenſchafften, die mit Hertzens-De- muth, Geiſtes-Armuth und Seelen-Begierde nach der Einleuchtung des Gnaden-Lichts von oben begleitet ſind) im Menſchen iſt, je kraͤfftiger und tiefer dringet der Wein und das Oel in die giff- tige Suͤnden-Wunden zu ihrer Geneſung. Die Sonnen-Strahlen fallen viel heller und reiner in eine Kirch, da einfaͤltige Glas-Scheiben ſind, als
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Cap. 2. Von Begehungs-Suͤnden
offenbahrte, und nicht der Vater in dem Him-
mel; dann wann jenes waͤre, ſo haͤtten freylich
Herren-Leute, die gemeiniglich eine etwas ſchaͤrf-
fere Vernunfft haben, disfalls einen etwelchen
Vorzug, ſonſten aber iſt es ein gemeines Spruͤch-
Wort: Es ſeye nichts einfaͤltigers an
dem Bauren/ als ſein Kittel (Rock.)
3) Weißt man aus Erfahrung, daß Herren-Leu-
te in Sachen, ſo die Ewigkeit betreffen, eben ſo
tumm ſind als das Land-Volck; ſie ſchwaͤtzen und
raiſonieren zwar etwas fertiger daher, aber zum
Suchen, Finden, Genieſſen Goͤttlicher Suͤßigkei-
ten ſind ſie noch wohl ungeſchickter als die Land-
Leute; ja ſo ſauber iſt ihr hoher Begriff von
Goͤttlichen Dingen, woruͤber ſie ſich alſo bruͤſten,
daß viele ſie faſt gar fuͤr ein Maͤhrlein in ihrem
ſtoltzen Unglauben halten. 4) Quillet ja alles
Licht und Leben aus Chriſti Wunden und ſeinem
Heiligen Geiſt; Beydes nun ſtehet den Bau-
ren nicht weniger als den Herren offen, nur mit
dieſem Unterſcheid, daß jene noch einen Vortheil
vor dieſen haben; dann je weniger Schlangen-
Witz, und je weniger Geſchmiers von aufble-
hender Gelehrſamkeit (ich rede nicht von nuͤtzlichen
heilſamen Wiſſenſchafften, die mit Hertzens-De-
muth, Geiſtes-Armuth und Seelen-Begierde nach
der Einleuchtung des Gnaden-Lichts von oben
begleitet ſind) im Menſchen iſt, je kraͤfftiger und
tiefer dringet der Wein und das Oel in die giff-
tige Suͤnden-Wunden zu ihrer Geneſung. Die
Sonnen-Strahlen fallen viel heller und reiner in
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