Suchet allein ohne Schein Christi freyer Knecht zu seyn.
Jch kannte zwey Töchter vom Jüdischen Ge- schlecht, welche aber ob der Lehre Christi feste hiel- ten, und schon im dreyzehenden Jahr ihres Alters, zur Erstaunung aller deren, die mit ihnen umzuge- hen das Glück hatten, nicht nur mit Erkänntniß und Verstand in göttlichen und weltlichen Dingen ausnehmend begnadiget waren, sondern auch den HErrn JEsum aufrichtig und von Hertzen liebe- ten, mithin gantz eingezogen und verborgen lebten, und niemand anders zu sich liessen, als die sie für wahre Christen und rechtschaffene Zions-Burger annehmen kunten. Diese bezogen jährlich in unserer grossen Stadt den Zinns von dreyzehen tausend Species-Thaler, wand- ten aber alles säuberlich an Arme und Krancke/ und lebten lediglich von ihrer Hand-Arbeit. Es wäre zu weitläufftig ihre gan- tze Historie zu erzehlen. Jhr Ende ist muthmaßlich ein grausamer Marter-Tod gewesen, sintemahlen sie, von Begierde, ihr Volck in der allerseligsten Gnade Christi zu sehen, rechtschaffen brenneten, darüber aber zu Avignon in Franckreich verlohren giengen, so daß man von ihnen nichts mehr hat erfragen können, und darum auf die nicht unbegründete Gedancken gefal- len, daß sie von denen Juden in Geheim hingerichtet und gezwungen worden seyen, entweder den Namen JEsu zu lästern, oder bey jedem Abschlag die entsetzlichste Peinigung auszustehen.
Das
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der Verfuͤhrung der Jugend
Suchet allein ohne Schein Chriſti freyer Knecht zu ſeyn.
Jch kannte zwey Toͤchter vom Juͤdiſchen Ge- ſchlecht, welche aber ob der Lehre Chriſti feſte hiel- ten, und ſchon im dreyzehenden Jahr ihres Alters, zur Erſtaunung aller deren, die mit ihnen umzuge- hen das Gluͤck hatten, nicht nur mit Erkaͤnntniß und Verſtand in goͤttlichen und weltlichen Dingen ausnehmend begnadiget waren, ſondern auch den HErrn JEſum aufrichtig und von Hertzen liebe- ten, mithin gantz eingezogen und verborgen lebten, und niemand anders zu ſich lieſſen, als die ſie fuͤr wahre Chriſten und rechtſchaffene Zions-Burger annehmen kunten. Dieſe bezogen jaͤhrlich in unſerer groſſen Stadt den Zinns von dreyzehen tauſend Species-Thaler, wand- ten aber alles ſaͤuberlich an Arme und Krancke/ und lebten lediglich von ihrer Hand-Arbeit. Es waͤre zu weitlaͤufftig ihre gan- tze Hiſtorie zu erzehlen. Jhr Ende iſt muthmaßlich ein grauſamer Marter-Tod geweſen, ſintemahlen ſie, von Begierde, ihr Volck in der allerſeligſten Gnade Chriſti zu ſehen, rechtſchaffen brenneten, daruͤber aber zu Avignon in Franckreich verlohren giengen, ſo daß man von ihnen nichts mehr hat erfragen koͤnnen, und darum auf die nicht unbegruͤndete Gedancken gefal- len, daß ſie von denen Juden in Geheim hingerichtet und gezwungen worden ſeyen, entweder den Namen JEſu zu laͤſtern, oder bey jedem Abſchlag die entſetzlichſte Peinigung auszuſtehen.
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der Verfuͤhrung der Jugend
Suchet allein ohne Schein
Chriſti freyer Knecht zu ſeyn.
Jch kannte zwey Toͤchter vom Juͤdiſchen Ge-
ſchlecht, welche aber ob der Lehre Chriſti feſte hiel-
ten, und ſchon im dreyzehenden Jahr ihres Alters,
zur Erſtaunung aller deren, die mit ihnen umzuge-
hen das Gluͤck hatten, nicht nur mit Erkaͤnntniß
und Verſtand in goͤttlichen und weltlichen Dingen
ausnehmend begnadiget waren, ſondern auch den
HErrn JEſum aufrichtig und von Hertzen liebe-
ten, mithin gantz eingezogen und verborgen lebten,
und niemand anders zu ſich lieſſen, als die ſie fuͤr
wahre Chriſten und rechtſchaffene Zions-Burger
annehmen kunten. Dieſe bezogen jaͤhrlich
in unſerer groſſen Stadt den Zinns von
dreyzehen tauſend Species-Thaler, wand-
ten aber alles ſaͤuberlich an Arme und
Krancke/ und lebten lediglich von ihrer
Hand-Arbeit. Es waͤre zu weitlaͤufftig ihre gan-
tze Hiſtorie zu erzehlen. Jhr Ende iſt muthmaßlich
ein grauſamer Marter-Tod geweſen, ſintemahlen ſie,
von Begierde, ihr Volck in der allerſeligſten Gnade
Chriſti zu ſehen, rechtſchaffen brenneten, daruͤber aber
zu Avignon in Franckreich verlohren giengen, ſo daß
man von ihnen nichts mehr hat erfragen koͤnnen, und
darum auf die nicht unbegruͤndete Gedancken gefal-
len, daß ſie von denen Juden in Geheim hingerichtet
und gezwungen worden ſeyen, entweder den
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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/409>, abgerufen am 22.11.2024.
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