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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

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der Verführung der Jugend.
besser, dem ruchlosen Esau/ oder dem frommen
Jacob/ der die Speise der Wollust jenem über-
lassen, und dargegen die Herrlichkeit der priesterli-
chen und königlichen Würde für sich erwählet, mit-
hin in stiller Abgeschiedenheit vom Welt-Getümmel
am Port der innern Seelen-Ruhe, dem Schatz des
beständigen Hertzens-Friedens bewahret und wesent-
liche Seligkeit in seinem Jnwendigen genossen hat?
Verstelletest du dich nicht etwa vor deinem Lehrer,
und sassest ein bisgen stille, auch dem äussern Schein
nach andächtig, so lang er und andere Vorgesetzte
auf dich sahen? Wie machtest du es aber auf dem
Heimweg, wann du ihnen ab den Augen warest?
Wie wild, wie ungezähmet redetest und gebärdetest du
dich da! wie zerrissest du da alle Bande, und dachtest
nur darauf, daß es die Menschen nicht erfahren!
kame es aus, so griffest du dem Teuffel in sein verma-
ledeytes Handwerck, und bemänteltest deine Tücke
mit groben Lügen, wenigstens brachtest du die Sa-
che gantz anderst vor, als sie in der That sich ver-
hielte.

Was kanst du nun nach sothaner Erforschung bes-
sers urtheilen, als daß du ein sehr eigenwillig
Kind
und deine Seele unter der grausamen Macht
des höllischen Wüterichs bishero gewesen seye? Ach
ja, mein Hertz-geliebtes Kind! deine theure un-
schätzbare Seele, das arme Lämmlein, lage auf des
heiß-hungerigen Wolffes Rücken, der es sanfft zu
seiner Höle hintruge, und alle obige Stücke deines
Verhaltens sind allzuklare Kennzeichen, daß du
nicht eine selige Beute deines Heylands; wohl aber
ein armseliger Raub des höllischen Löwen und Dra-
chen gewesen seyest. Und dieses alles hast du nie-

mand

der Verfuͤhrung der Jugend.
beſſer, dem ruchloſen Eſau/ oder dem frommen
Jacob/ der die Speiſe der Wolluſt jenem uͤber-
laſſen, und dargegen die Herrlichkeit der prieſterli-
chen und koͤniglichen Wuͤrde fuͤr ſich erwaͤhlet, mit-
hin in ſtiller Abgeſchiedenheit vom Welt-Getuͤmmel
am Port der innern Seelen-Ruhe, dem Schatz des
beſtaͤndigen Hertzens-Friedens bewahret und weſent-
liche Seligkeit in ſeinem Jnwendigen genoſſen hat?
Verſtelleteſt du dich nicht etwa vor deinem Lehrer,
und ſaſſeſt ein bisgen ſtille, auch dem aͤuſſern Schein
nach andaͤchtig, ſo lang er und andere Vorgeſetzte
auf dich ſahen? Wie machteſt du es aber auf dem
Heimweg, wann du ihnen ab den Augen wareſt?
Wie wild, wie ungezaͤhmet redeteſt und gebaͤrdeteſt du
dich da! wie zerriſſeſt du da alle Bande, und dachteſt
nur darauf, daß es die Menſchen nicht erfahren!
kame es aus, ſo griffeſt du dem Teuffel in ſein verma-
ledeytes Handwerck, und bemaͤntelteſt deine Tuͤcke
mit groben Luͤgen, wenigſtens brachteſt du die Sa-
che gantz anderſt vor, als ſie in der That ſich ver-
hielte.

Was kanſt du nun nach ſothaner Erforſchung beſ-
ſers urtheilen, als daß du ein ſehr eigenwillig
Kind
und deine Seele unter der grauſamen Macht
des hoͤlliſchen Wuͤterichs bishero geweſen ſeye? Ach
ja, mein Hertz-geliebtes Kind! deine theure un-
ſchaͤtzbare Seele, das arme Laͤmmlein, lage auf des
heiß-hungerigen Wolffes Ruͤcken, der es ſanfft zu
ſeiner Hoͤle hintruge, und alle obige Stuͤcke deines
Verhaltens ſind allzuklare Kennzeichen, daß du
nicht eine ſelige Beute deines Heylands; wohl aber
ein armſeliger Raub des hoͤlliſchen Loͤwen und Dra-
chen geweſen ſeyeſt. Und dieſes alles haſt du nie-

mand
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[29/0047] der Verfuͤhrung der Jugend. beſſer, dem ruchloſen Eſau/ oder dem frommen Jacob/ der die Speiſe der Wolluſt jenem uͤber- laſſen, und dargegen die Herrlichkeit der prieſterli- chen und koͤniglichen Wuͤrde fuͤr ſich erwaͤhlet, mit- hin in ſtiller Abgeſchiedenheit vom Welt-Getuͤmmel am Port der innern Seelen-Ruhe, dem Schatz des beſtaͤndigen Hertzens-Friedens bewahret und weſent- liche Seligkeit in ſeinem Jnwendigen genoſſen hat? Verſtelleteſt du dich nicht etwa vor deinem Lehrer, und ſaſſeſt ein bisgen ſtille, auch dem aͤuſſern Schein nach andaͤchtig, ſo lang er und andere Vorgeſetzte auf dich ſahen? Wie machteſt du es aber auf dem Heimweg, wann du ihnen ab den Augen wareſt? Wie wild, wie ungezaͤhmet redeteſt und gebaͤrdeteſt du dich da! wie zerriſſeſt du da alle Bande, und dachteſt nur darauf, daß es die Menſchen nicht erfahren! kame es aus, ſo griffeſt du dem Teuffel in ſein verma- ledeytes Handwerck, und bemaͤntelteſt deine Tuͤcke mit groben Luͤgen, wenigſtens brachteſt du die Sa- che gantz anderſt vor, als ſie in der That ſich ver- hielte. Was kanſt du nun nach ſothaner Erforſchung beſ- ſers urtheilen, als daß du ein ſehr eigenwillig Kind und deine Seele unter der grauſamen Macht des hoͤlliſchen Wuͤterichs bishero geweſen ſeye? Ach ja, mein Hertz-geliebtes Kind! deine theure un- ſchaͤtzbare Seele, das arme Laͤmmlein, lage auf des heiß-hungerigen Wolffes Ruͤcken, der es ſanfft zu ſeiner Hoͤle hintruge, und alle obige Stuͤcke deines Verhaltens ſind allzuklare Kennzeichen, daß du nicht eine ſelige Beute deines Heylands; wohl aber ein armſeliger Raub des hoͤlliſchen Loͤwen und Dra- chen geweſen ſeyeſt. Und dieſes alles haſt du nie- mand

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/47>, abgerufen am 27.04.2024.