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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

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Cap. 1. Die erste Quelle
mand anderst zu dancken, als deinem eigenen ver-
dorbenen, betrüglichen und verführischen Hertzen,
dessen eigene Qualität es ist, deine Seele, das ver-
lassene Täublein, ehe du dich umsiehest, in die Klauen
des Raub-Vogels zu liefern.

§. 15.

III. Prüfe dich endlich auch in Ansehung deines
Sinnes im Umgang mit andern Kindern
und mit jedermann.
Es äussert sich bey den
Kindern nur gar zu bald ein neidischer/ zäncki-
scher und zorniger Sinn/
daß sie einandern
nichts Gutes gönnen, sich erbittern und recht kybig
(eifersüchtig) werden, wann ihnen das andere Kind
nicht geben will, was sie haben wollen. Ja wann
auch ihre Vorgesetzte nicht allezeit thun, was sie ver-
langen, so entstehet in ihnen Widerwillen, Haß,
Zorn und Verdruß, daß man auch an der Verstellung
ihres Gesichtes den boshafften Sinn des Hertzens er-
kennen kan. Wie stehets nun mit dir auch in diesem
Stück? Hast du einen andern liebreichen/ fried-
fertigen und demüthigen Sinn/
wie ihn der
HERR Christus selbst gehabt? Hat das Verhal-
ten JEsu in seiner gesegneten Jugend einen lebendi-
gen Eindruck in deinem Hertzen? Schaffet dir das
unverruckte Angedencken an das liebreiche Hertz dei-
nes HErrn JEsu eine angenehme Leichtigkeit, alles
um des Nächsten willen zu verläugnen, nur damit du
Liebe und Frieden unterhalten möchtest? Jst dir die-
se Gleich-Gesinntheit mit deinem Fried-liebenden
JEsu ungleich kostbarer und erwünschter, als wann
du alle Schätze, Lüste und Ehren der gantzen Welt
in Besitz nehmen konntest? Wilt du lieber an allem

Scha-

Cap. 1. Die erſte Quelle
mand anderſt zu dancken, als deinem eigenen ver-
dorbenen, betruͤglichen und verfuͤhriſchen Hertzen,
deſſen eigene Qualitaͤt es iſt, deine Seele, das ver-
laſſene Taͤublein, ehe du dich umſieheſt, in die Klauen
des Raub-Vogels zu liefern.

§. 15.

III. Pruͤfe dich endlich auch in Anſehung deines
Sinnes im Umgang mit andern Kindern
und mit jedermann.
Es aͤuſſert ſich bey den
Kindern nur gar zu bald ein neidiſcher/ zaͤncki-
ſcher und zorniger Sinn/
daß ſie einandern
nichts Gutes goͤnnen, ſich erbittern und recht kybig
(eiferſuͤchtig) werden, wann ihnen das andere Kind
nicht geben will, was ſie haben wollen. Ja wann
auch ihre Vorgeſetzte nicht allezeit thun, was ſie ver-
langen, ſo entſtehet in ihnen Widerwillen, Haß,
Zorn und Verdruß, daß man auch an der Verſtellung
ihres Geſichtes den boshafften Sinn des Hertzens er-
kennen kan. Wie ſtehets nun mit dir auch in dieſem
Stuͤck? Haſt du einen andern liebreichen/ fried-
fertigen und demuͤthigen Sinn/
wie ihn der
HERR Chriſtus ſelbſt gehabt? Hat das Verhal-
ten JEſu in ſeiner geſegneten Jugend einen lebendi-
gen Eindruck in deinem Hertzen? Schaffet dir das
unverruckte Angedencken an das liebreiche Hertz dei-
nes HErrn JEſu eine angenehme Leichtigkeit, alles
um des Naͤchſten willen zu verlaͤugnen, nur damit du
Liebe und Frieden unterhalten moͤchteſt? Jſt dir die-
ſe Gleich-Geſinntheit mit deinem Fried-liebenden
JEſu ungleich koſtbarer und erwuͤnſchter, als wann
du alle Schaͤtze, Luͤſte und Ehren der gantzen Welt
in Beſitz nehmen konnteſt? Wilt du lieber an allem

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[30/0048] Cap. 1. Die erſte Quelle mand anderſt zu dancken, als deinem eigenen ver- dorbenen, betruͤglichen und verfuͤhriſchen Hertzen, deſſen eigene Qualitaͤt es iſt, deine Seele, das ver- laſſene Taͤublein, ehe du dich umſieheſt, in die Klauen des Raub-Vogels zu liefern. §. 15. III. Pruͤfe dich endlich auch in Anſehung deines Sinnes im Umgang mit andern Kindern und mit jedermann. Es aͤuſſert ſich bey den Kindern nur gar zu bald ein neidiſcher/ zaͤncki- ſcher und zorniger Sinn/ daß ſie einandern nichts Gutes goͤnnen, ſich erbittern und recht kybig (eiferſuͤchtig) werden, wann ihnen das andere Kind nicht geben will, was ſie haben wollen. Ja wann auch ihre Vorgeſetzte nicht allezeit thun, was ſie ver- langen, ſo entſtehet in ihnen Widerwillen, Haß, Zorn und Verdruß, daß man auch an der Verſtellung ihres Geſichtes den boshafften Sinn des Hertzens er- kennen kan. Wie ſtehets nun mit dir auch in dieſem Stuͤck? Haſt du einen andern liebreichen/ fried- fertigen und demuͤthigen Sinn/ wie ihn der HERR Chriſtus ſelbſt gehabt? Hat das Verhal- ten JEſu in ſeiner geſegneten Jugend einen lebendi- gen Eindruck in deinem Hertzen? Schaffet dir das unverruckte Angedencken an das liebreiche Hertz dei- nes HErrn JEſu eine angenehme Leichtigkeit, alles um des Naͤchſten willen zu verlaͤugnen, nur damit du Liebe und Frieden unterhalten moͤchteſt? Jſt dir die- ſe Gleich-Geſinntheit mit deinem Fried-liebenden JEſu ungleich koſtbarer und erwuͤnſchter, als wann du alle Schaͤtze, Luͤſte und Ehren der gantzen Welt in Beſitz nehmen konnteſt? Wilt du lieber an allem Scha-

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/48>, abgerufen am 27.04.2024.