Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.Cap. 1. Die erste Quelle einen Eckel an dem eingezogenen, andächtigen, gott-seligen Wandel anderer Kindern haben, so, daß sie sterben zu müssen meynten, wann sie also lebten; sie- hest du, sage ich, dergleichen unselige Kinder; so schmähe sie nicht, und erhebe dich nicht über sie; son- dern rühme vielmehr GOttes erstaunliche Barmher- tzigkeit, die er gegen dir elendesten Sünden-Wurm erwiesen, und sage mit tiefster Beugung und Ver- wunderung: Ach! warum hat die ewige allmäch- tige Majestät mich von so vielen, vielen andern Kin- dern unterschieden, und mich so gnädig angesehen? Was habe ich ihme zuvor gegeben, daß mir wieder vergolten werde? Warum bin ich des Teuffels Stricken entgangen, alldieweil unzehlich andere um mich herum gefangen werden zum Verderben? Warum doch mein GOtt? §. 39. Es ist ein unendlich-vortrefflicher Feigen- schätzbare
Cap. 1. Die erſte Quelle einen Eckel an dem eingezogenen, andaͤchtigen, gott-ſeligen Wandel anderer Kindern haben, ſo, daß ſie ſterben zu muͤſſen meynten, wann ſie alſo lebten; ſie- heſt du, ſage ich, dergleichen unſelige Kinder; ſo ſchmaͤhe ſie nicht, und erhebe dich nicht uͤber ſie; ſon- dern ruͤhme vielmehr GOttes erſtaunliche Barmher- tzigkeit, die er gegen dir elendeſten Suͤnden-Wurm erwieſen, und ſage mit tiefſter Beugung und Ver- wunderung: Ach! warum hat die ewige allmaͤch- tige Majeſtaͤt mich von ſo vielen, vielen andern Kin- dern unterſchieden, und mich ſo gnaͤdig angeſehen? Was habe ich ihme zuvor gegeben, daß mir wieder vergolten werde? Warum bin ich des Teuffels Stricken entgangen, alldieweil unzehlich andere um mich herum gefangen werden zum Verderben? Warum doch mein GOtt? §. 39. Es iſt ein unendlich-vortrefflicher Feigen- ſchaͤtzbare
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0078" n="60"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 1. Die erſte Quelle</hi></fw><lb/> einen Eckel an dem eingezogenen, andaͤchtigen, gott-<lb/> ſeligen Wandel anderer Kindern haben, ſo, daß ſie<lb/> ſterben zu muͤſſen meynten, wann ſie alſo lebten; ſie-<lb/> heſt du, ſage ich, dergleichen unſelige Kinder; ſo<lb/> ſchmaͤhe ſie nicht, und erhebe dich nicht uͤber ſie; ſon-<lb/> dern ruͤhme vielmehr GOttes erſtaunliche Barmher-<lb/> tzigkeit, die er gegen dir elendeſten Suͤnden-Wurm<lb/> erwieſen, und ſage mit tiefſter Beugung und Ver-<lb/> wunderung: Ach! warum hat die ewige allmaͤch-<lb/> tige Majeſtaͤt mich von ſo vielen, vielen andern Kin-<lb/> dern unterſchieden, und mich ſo gnaͤdig angeſehen?<lb/> Was habe ich ihme zuvor gegeben, daß mir wieder<lb/> vergolten werde? Warum bin ich des Teuffels<lb/> Stricken entgangen, alldieweil unzehlich andere um<lb/> mich herum gefangen werden zum Verderben?<lb/> Warum doch mein GOtt?</p> </div><lb/> <div n="2"> <head>§. 39.</head><lb/> <p>Es iſt ein unendlich-vortrefflicher <hi rendition="#fr">Feigen-<lb/> Baum/ Weinſtock</hi> und <hi rendition="#fr">Oel-Baum.</hi> (Stelle<lb/> dir, mein Kind, unter dem Bild derſelben vor GOtt<lb/> den Vatter, den Sohn, und den H. Geiſt, in<lb/> deren Namen du getaufft, und heiliglich eingetauchet<lb/> biſt.) Dieſe drey majeſtaͤtiſche <hi rendition="#fr">Baͤume</hi> ſind voll<lb/> unvergleichlicher Fruͤchten, und ſtehen auf den Plan<lb/> einer ſehr groſſen Stadt, ihre Aeſte in viele Gaſſen<lb/> weit auszubreiten: Es ſind auch <hi rendition="#fr">Herolden/</hi> wel-<lb/> che ihre hell-klingende Trommeten ſchallen laſſen, und<lb/> gegen alle vier Ende der groſſen Stadt mit lauter<lb/> Stimme ausrufen: Kommet ihr Einwohner, brechet<lb/> ab, ſammelt, eſſet; mit dem Anhang, daß, wer am mei-<lb/> ſten ſammle, hoch am Brett ſitze und im Koͤnigreich<lb/> der naͤchſte am Koͤnig ſeyn ſolle; wer aber dieſe un-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſchaͤtzbare</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60/0078]
Cap. 1. Die erſte Quelle
einen Eckel an dem eingezogenen, andaͤchtigen, gott-
ſeligen Wandel anderer Kindern haben, ſo, daß ſie
ſterben zu muͤſſen meynten, wann ſie alſo lebten; ſie-
heſt du, ſage ich, dergleichen unſelige Kinder; ſo
ſchmaͤhe ſie nicht, und erhebe dich nicht uͤber ſie; ſon-
dern ruͤhme vielmehr GOttes erſtaunliche Barmher-
tzigkeit, die er gegen dir elendeſten Suͤnden-Wurm
erwieſen, und ſage mit tiefſter Beugung und Ver-
wunderung: Ach! warum hat die ewige allmaͤch-
tige Majeſtaͤt mich von ſo vielen, vielen andern Kin-
dern unterſchieden, und mich ſo gnaͤdig angeſehen?
Was habe ich ihme zuvor gegeben, daß mir wieder
vergolten werde? Warum bin ich des Teuffels
Stricken entgangen, alldieweil unzehlich andere um
mich herum gefangen werden zum Verderben?
Warum doch mein GOtt?
§. 39.
Es iſt ein unendlich-vortrefflicher Feigen-
Baum/ Weinſtock und Oel-Baum. (Stelle
dir, mein Kind, unter dem Bild derſelben vor GOtt
den Vatter, den Sohn, und den H. Geiſt, in
deren Namen du getaufft, und heiliglich eingetauchet
biſt.) Dieſe drey majeſtaͤtiſche Baͤume ſind voll
unvergleichlicher Fruͤchten, und ſtehen auf den Plan
einer ſehr groſſen Stadt, ihre Aeſte in viele Gaſſen
weit auszubreiten: Es ſind auch Herolden/ wel-
che ihre hell-klingende Trommeten ſchallen laſſen, und
gegen alle vier Ende der groſſen Stadt mit lauter
Stimme ausrufen: Kommet ihr Einwohner, brechet
ab, ſammelt, eſſet; mit dem Anhang, daß, wer am mei-
ſten ſammle, hoch am Brett ſitze und im Koͤnigreich
der naͤchſte am Koͤnig ſeyn ſolle; wer aber dieſe un-
ſchaͤtzbare
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |