Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

der Verführung der Jugend.
schätzbare Früchte verschmähe, und andern ungleich-
schlechtern den Vorzug gebe, die königliche Ungnade
sehränachdrücklich erfahren werde. Es war aber
aussert der Stadt langs der Land-Strasse ein dor-
nichtes Gesträuch, voll-hangender sauren, herben,
ungesunden, und wehe-machende Schlehen und
Erbselein: Worzu ein Zauberer, der denen Ein-
wohnern Spinnen-feind ware, und alles Unglück
gönnete, gekommen, und es durch seine verzweiffelte
Kunst-Griffe und Bubenstücke dahin gebracht hat,
daß die Einwohner allzumal, als Verhexete und
Unsinnige, die drey herrlich-gläntzende und ausneh-
mend-köstliche Bäume geflohen, sich hinter die
Stauden gemachet, und von denen Schlangen-
Beeren und tödtlichen Früchten mehr als gut ware,
und so viel gefressen, daß sie auch alle nacheinander
dahin gestorben, und in ein tiefes Loch verscharret
worden; als worüber der verfluchte Neidhart, als
ob er eben was treffliches ausgerichtet hätte, noch in
die Faust gelachet. Welches dann den König der-
massen gejammert, daß er, um diesem Elend nicht
länger zuzusehen, selbsten seinen einigen Sohn und
Cron-Erben gesendet hatte, damit durch ihne allen,
die es nur an denselben begehrten, von diesem Teuffe-
lischen Blendwerck geholffen, und also die unaus-
dencklich-köstliche Bäume mit ihren alle Herrlich-
und Süßigkeit dieser Welt übersteigenden Früchten
bekannt und genußbar wurden, zur Erfahrung, welch
hohe GOttes-Wunder sie an armen verlohrnen
Menschen ausrichten können. Es waren aber die
Ein wohner in die Hecken-Beere der Eitelkeiten und
Lüsten der Augen, und des Fleisches dermassen ver-
narret, daß sich leyder, ohngeachtet alles Bittens,

Flehens

der Verfuͤhrung der Jugend.
ſchaͤtzbare Fruͤchte verſchmaͤhe, und andern ungleich-
ſchlechtern den Vorzug gebe, die koͤnigliche Ungnade
ſehraͤnachdruͤcklich erfahren werde. Es war aber
auſſert der Stadt langs der Land-Straſſe ein dor-
nichtes Geſtraͤuch, voll-hangender ſauren, herben,
ungeſunden, und wehe-machende Schlehen und
Erbſelein: Worzu ein Zauberer, der denen Ein-
wohnern Spinnen-feind ware, und alles Ungluͤck
goͤnnete, gekommen, und es durch ſeine verzweiffelte
Kunſt-Griffe und Bubenſtuͤcke dahin gebracht hat,
daß die Einwohner allzumal, als Verhexete und
Unſinnige, die drey herrlich-glaͤntzende und ausneh-
mend-koͤſtliche Baͤume geflohen, ſich hinter die
Stauden gemachet, und von denen Schlangen-
Beeren und toͤdtlichen Fruͤchten mehr als gut ware,
und ſo viel gefreſſen, daß ſie auch alle nacheinander
dahin geſtorben, und in ein tiefes Loch verſcharret
worden; als woruͤber der verfluchte Neidhart, als
ob er eben was treffliches ausgerichtet haͤtte, noch in
die Fauſt gelachet. Welches dann den Koͤnig der-
maſſen gejammert, daß er, um dieſem Elend nicht
laͤnger zuzuſehen, ſelbſten ſeinen einigen Sohn und
Cron-Erben geſendet hatte, damit durch ihne allen,
die es nur an denſelben begehrten, von dieſem Teuffe-
liſchen Blendwerck geholffen, und alſo die unaus-
dencklich-koͤſtliche Baͤume mit ihren alle Herrlich-
und Suͤßigkeit dieſer Welt uͤberſteigenden Fruͤchten
bekannt und genußbar wurden, zur Erfahrung, welch
hohe GOttes-Wunder ſie an armen verlohrnen
Menſchen ausrichten koͤnnen. Es waren aber die
Ein wohner in die Hecken-Beere der Eitelkeiten und
Luͤſten der Augen, und des Fleiſches dermaſſen ver-
narret, daß ſich leyder, ohngeachtet alles Bittens,

Flehens
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0079" n="61"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Verfu&#x0364;hrung der Jugend.</hi></fw><lb/>
&#x017F;cha&#x0364;tzbare Fru&#x0364;chte ver&#x017F;chma&#x0364;he, und andern ungleich-<lb/>
&#x017F;chlechtern den Vorzug gebe, die ko&#x0364;nigliche Ungnade<lb/>
&#x017F;ehra&#x0364;nachdru&#x0364;cklich erfahren werde. Es war aber<lb/>
au&#x017F;&#x017F;ert der Stadt langs der Land-Stra&#x017F;&#x017F;e ein dor-<lb/>
nichtes Ge&#x017F;tra&#x0364;uch, voll-hangender &#x017F;auren, herben,<lb/>
unge&#x017F;unden, und wehe-machende Schlehen und<lb/>
Erb&#x017F;elein: Worzu ein Zauberer, der denen Ein-<lb/>
wohnern Spinnen-feind ware, und alles Unglu&#x0364;ck<lb/>
go&#x0364;nnete, gekommen, und es durch &#x017F;eine verzweiffelte<lb/>
Kun&#x017F;t-Griffe und Buben&#x017F;tu&#x0364;cke dahin gebracht hat,<lb/>
daß die Einwohner allzumal, als Verhexete und<lb/>
Un&#x017F;innige, die drey herrlich-gla&#x0364;ntzende und ausneh-<lb/>
mend-ko&#x0364;&#x017F;tliche Ba&#x0364;ume geflohen, &#x017F;ich hinter die<lb/>
Stauden gemachet, und von denen Schlangen-<lb/>
Beeren und to&#x0364;dtlichen Fru&#x0364;chten mehr als gut ware,<lb/>
und &#x017F;o viel gefre&#x017F;&#x017F;en, daß &#x017F;ie auch alle nacheinander<lb/>
dahin ge&#x017F;torben, und in ein tiefes Loch ver&#x017F;charret<lb/>
worden; als woru&#x0364;ber der verfluchte Neidhart, als<lb/>
ob er eben was treffliches ausgerichtet ha&#x0364;tte, noch in<lb/>
die Fau&#x017F;t gelachet. Welches dann den Ko&#x0364;nig der-<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;en gejammert, daß er, um die&#x017F;em Elend nicht<lb/>
la&#x0364;nger zuzu&#x017F;ehen, &#x017F;elb&#x017F;ten &#x017F;einen einigen Sohn und<lb/>
Cron-Erben ge&#x017F;endet hatte, damit durch ihne allen,<lb/>
die es nur an den&#x017F;elben begehrten, von die&#x017F;em Teuffe-<lb/>
li&#x017F;chen Blendwerck geholffen, und al&#x017F;o die unaus-<lb/>
dencklich-ko&#x0364;&#x017F;tliche Ba&#x0364;ume mit ihren alle Herrlich-<lb/>
und Su&#x0364;ßigkeit die&#x017F;er Welt u&#x0364;ber&#x017F;teigenden Fru&#x0364;chten<lb/>
bekannt und genußbar wurden, zur Erfahrung, welch<lb/>
hohe GOttes-Wunder &#x017F;ie an armen verlohrnen<lb/>
Men&#x017F;chen ausrichten ko&#x0364;nnen. Es waren aber die<lb/>
Ein wohner in die Hecken-Beere der Eitelkeiten und<lb/>
Lu&#x0364;&#x017F;ten der Augen, und des Flei&#x017F;ches derma&#x017F;&#x017F;en ver-<lb/>
narret, daß &#x017F;ich leyder, ohngeachtet alles Bittens,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Flehens</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0079] der Verfuͤhrung der Jugend. ſchaͤtzbare Fruͤchte verſchmaͤhe, und andern ungleich- ſchlechtern den Vorzug gebe, die koͤnigliche Ungnade ſehraͤnachdruͤcklich erfahren werde. Es war aber auſſert der Stadt langs der Land-Straſſe ein dor- nichtes Geſtraͤuch, voll-hangender ſauren, herben, ungeſunden, und wehe-machende Schlehen und Erbſelein: Worzu ein Zauberer, der denen Ein- wohnern Spinnen-feind ware, und alles Ungluͤck goͤnnete, gekommen, und es durch ſeine verzweiffelte Kunſt-Griffe und Bubenſtuͤcke dahin gebracht hat, daß die Einwohner allzumal, als Verhexete und Unſinnige, die drey herrlich-glaͤntzende und ausneh- mend-koͤſtliche Baͤume geflohen, ſich hinter die Stauden gemachet, und von denen Schlangen- Beeren und toͤdtlichen Fruͤchten mehr als gut ware, und ſo viel gefreſſen, daß ſie auch alle nacheinander dahin geſtorben, und in ein tiefes Loch verſcharret worden; als woruͤber der verfluchte Neidhart, als ob er eben was treffliches ausgerichtet haͤtte, noch in die Fauſt gelachet. Welches dann den Koͤnig der- maſſen gejammert, daß er, um dieſem Elend nicht laͤnger zuzuſehen, ſelbſten ſeinen einigen Sohn und Cron-Erben geſendet hatte, damit durch ihne allen, die es nur an denſelben begehrten, von dieſem Teuffe- liſchen Blendwerck geholffen, und alſo die unaus- dencklich-koͤſtliche Baͤume mit ihren alle Herrlich- und Suͤßigkeit dieſer Welt uͤberſteigenden Fruͤchten bekannt und genußbar wurden, zur Erfahrung, welch hohe GOttes-Wunder ſie an armen verlohrnen Menſchen ausrichten koͤnnen. Es waren aber die Ein wohner in die Hecken-Beere der Eitelkeiten und Luͤſten der Augen, und des Fleiſches dermaſſen ver- narret, daß ſich leyder, ohngeachtet alles Bittens, Flehens

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/79
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/79>, abgerufen am 24.11.2024.