Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Wohnhaus, das zu dem Gärtchen gehört,
sieht nicht nach allen Seiten so geschmückt aus, als
nach der Hauptstraße hin. Hier sticht eine blaß rosen¬
farbene Tünche nicht zu grell von den grünen Fenster¬
laden und dem blauen Schieferdache ab; nach dem
Gäßchen zu, die Wetterseite des Hauses erscheint von
Kopf zu Fuß mit Schiefer geharnischt; mit der andern Gie¬
belwand schließt es sich an die Häuserreihe, deren Beginn
oder Ende es bildet, unmittelbar an; nach hinten aber
gibt es einen Beleg zu dem Sprichwort, daß Alles
seine schwache Seite habe. Hier ist dem Hause eine
Emporlaube angebaut, einer halben Dornenkrone nicht
unähnlich. Von roh behauenen Holzstämmen gestüzt,
zieht sie sich längs des obern Stockes hin und erwei¬
tert sich nach links in ein kleines Zimmer. Dahin führt
kein unmittelbarer Durchgang aus dem obern Stock
des Hauses. Wer von da nach der "Gangkammer"
will, muß aus der hintern Hausthüre heraus und an
der Wand hin wohl sechs Schritt an der Hundehütte
vorbei bis zu der hölzernen, hühnersteigartigen Treppe,
dann, ist er diese hinaufgestiegen, die ganze Länge der
Emporlaube nach links wandeln. Der letzte Theil der
Reise wird freilich aufgeheitert durch den Blick in das
Gärtchen hinab. Wenigstens im Sommer. Und vor¬
ausgesetzt, die der Länge des Ganges nach doppelt
aufgezogene Leine ist nicht durchaus mit Wäsche behängt.
Denn im Winter schließen sich die Laden, die man im

Das Wohnhaus, das zu dem Gärtchen gehört,
ſieht nicht nach allen Seiten ſo geſchmückt aus, als
nach der Hauptſtraße hin. Hier ſticht eine blaß roſen¬
farbene Tünche nicht zu grell von den grünen Fenſter¬
laden und dem blauen Schieferdache ab; nach dem
Gäßchen zu, die Wetterſeite des Hauſes erſcheint von
Kopf zu Fuß mit Schiefer geharniſcht; mit der andern Gie¬
belwand ſchließt es ſich an die Häuſerreihe, deren Beginn
oder Ende es bildet, unmittelbar an; nach hinten aber
gibt es einen Beleg zu dem Sprichwort, daß Alles
ſeine ſchwache Seite habe. Hier iſt dem Hauſe eine
Emporlaube angebaut, einer halben Dornenkrone nicht
unähnlich. Von roh behauenen Holzſtämmen geſtüzt,
zieht ſie ſich längs des obern Stockes hin und erwei¬
tert ſich nach links in ein kleines Zimmer. Dahin führt
kein unmittelbarer Durchgang aus dem obern Stock
des Hauſes. Wer von da nach der „Gangkammer“
will, muß aus der hintern Hausthüre heraus und an
der Wand hin wohl ſechs Schritt an der Hundehütte
vorbei bis zu der hölzernen, hühnerſteigartigen Treppe,
dann, iſt er dieſe hinaufgeſtiegen, die ganze Länge der
Emporlaube nach links wandeln. Der letzte Theil der
Reiſe wird freilich aufgeheitert durch den Blick in das
Gärtchen hinab. Wenigſtens im Sommer. Und vor¬
ausgeſetzt, die der Länge des Ganges nach doppelt
aufgezogene Leine iſt nicht durchaus mit Wäſche behängt.
Denn im Winter ſchließen ſich die Laden, die man im

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0011" n="2"/>
        <p>Das Wohnhaus, das zu dem Gärtchen gehört,<lb/>
&#x017F;ieht nicht nach allen Seiten &#x017F;o ge&#x017F;chmückt aus, als<lb/>
nach der Haupt&#x017F;traße hin. Hier &#x017F;ticht eine blaß ro&#x017F;en¬<lb/>
farbene Tünche nicht zu grell von den grünen Fen&#x017F;ter¬<lb/>
laden und dem blauen Schieferdache ab; nach dem<lb/>
Gäßchen zu, die Wetter&#x017F;eite des Hau&#x017F;es er&#x017F;cheint von<lb/>
Kopf zu Fuß mit Schiefer geharni&#x017F;cht; mit der andern Gie¬<lb/>
belwand &#x017F;chließt es &#x017F;ich an die Häu&#x017F;erreihe, deren Beginn<lb/>
oder Ende es bildet, unmittelbar an; nach hinten aber<lb/>
gibt es einen Beleg zu dem Sprichwort, daß Alles<lb/>
&#x017F;eine &#x017F;chwache Seite habe. Hier i&#x017F;t dem Hau&#x017F;e eine<lb/>
Emporlaube angebaut, einer halben Dornenkrone nicht<lb/>
unähnlich. Von roh behauenen Holz&#x017F;tämmen ge&#x017F;tüzt,<lb/>
zieht &#x017F;ie &#x017F;ich längs des obern Stockes hin und erwei¬<lb/>
tert &#x017F;ich nach links in ein kleines Zimmer. Dahin führt<lb/>
kein unmittelbarer Durchgang aus dem obern Stock<lb/>
des Hau&#x017F;es. Wer von da nach der &#x201E;Gangkammer&#x201C;<lb/>
will, muß aus der hintern Hausthüre heraus und an<lb/>
der Wand hin wohl &#x017F;echs Schritt an der Hundehütte<lb/>
vorbei bis zu der hölzernen, hühner&#x017F;teigartigen Treppe,<lb/>
dann, i&#x017F;t er die&#x017F;e hinaufge&#x017F;tiegen, die ganze Länge der<lb/>
Emporlaube nach links wandeln. Der letzte Theil der<lb/>
Rei&#x017F;e wird freilich aufgeheitert durch den Blick in das<lb/>
Gärtchen hinab. Wenig&#x017F;tens im Sommer. Und vor¬<lb/>
ausge&#x017F;etzt, die der Länge des Ganges nach doppelt<lb/>
aufgezogene Leine i&#x017F;t nicht durchaus mit Wä&#x017F;che behängt.<lb/>
Denn im Winter &#x017F;chließen &#x017F;ich die Laden, die man im<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0011] Das Wohnhaus, das zu dem Gärtchen gehört, ſieht nicht nach allen Seiten ſo geſchmückt aus, als nach der Hauptſtraße hin. Hier ſticht eine blaß roſen¬ farbene Tünche nicht zu grell von den grünen Fenſter¬ laden und dem blauen Schieferdache ab; nach dem Gäßchen zu, die Wetterſeite des Hauſes erſcheint von Kopf zu Fuß mit Schiefer geharniſcht; mit der andern Gie¬ belwand ſchließt es ſich an die Häuſerreihe, deren Beginn oder Ende es bildet, unmittelbar an; nach hinten aber gibt es einen Beleg zu dem Sprichwort, daß Alles ſeine ſchwache Seite habe. Hier iſt dem Hauſe eine Emporlaube angebaut, einer halben Dornenkrone nicht unähnlich. Von roh behauenen Holzſtämmen geſtüzt, zieht ſie ſich längs des obern Stockes hin und erwei¬ tert ſich nach links in ein kleines Zimmer. Dahin führt kein unmittelbarer Durchgang aus dem obern Stock des Hauſes. Wer von da nach der „Gangkammer“ will, muß aus der hintern Hausthüre heraus und an der Wand hin wohl ſechs Schritt an der Hundehütte vorbei bis zu der hölzernen, hühnerſteigartigen Treppe, dann, iſt er dieſe hinaufgeſtiegen, die ganze Länge der Emporlaube nach links wandeln. Der letzte Theil der Reiſe wird freilich aufgeheitert durch den Blick in das Gärtchen hinab. Wenigſtens im Sommer. Und vor¬ ausgeſetzt, die der Länge des Ganges nach doppelt aufgezogene Leine iſt nicht durchaus mit Wäſche behängt. Denn im Winter ſchließen ſich die Laden, die man im

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/11
Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/11>, abgerufen am 23.11.2024.