baren Widerwillens. Der Bruder that nichts, diesen Irrthum zu berichtigen; er bestätigte ihn vielmehr. Zuweilen, indem er ihn überlegen bei sich verlachte, wenn Weinlaune und geschmeichelte Eitelkeit ihre Wir¬ kung thaten. Der Stunden der Erschlaffung, der Un¬ zufriedenheit mit sich selbst waren freilich mehr. Dann zwang er sich, Verstellung darin zu sehn, um an dem Mitleid mit sich selber den Haß gegen die Andern, in dem ihm wohl war, zu schärfen. Apollonius wußte wenig von der Lebensweise des Bruders. Fritz Net¬ tenmair verbarg sie ihm aus dem unwillkürlichen Zwang, den Apollonius' tüchtiges Wesen ihm abnöthigte, den er aber Niemand, am wenigsten sich selbst eingestanden haben würde. Und die Arbeiter wußten, daß sie Apol¬ lonius mit Nichts kommen durften, was nach Zuträ¬ gerei aussah, am wenigsten, wenn es seinen Bruder betraf, den er gern von Allen geachtet gesehen hätte, mehr als sich selbst. Aber er hatte bemerkt, Fritz sah ihn als einen Eindringling in seine Rechte an, der ihm Geschäft und Thätigkeit verleidete. Apollonius fühlte sich von dem Tage seiner Rückkehr nicht wohl daheim; er war seinen Liebsten hier eine Last; er dachte oft an Köln, wo er sich willkommen wußte. Bis jetzt hielt ihn die moralische Verpflichtung, die er in Rück¬ sicht der Reparatur auf sich genommen. Diese ging mit raschen Schritten ihrer Vollendung entgegen. So
Ludwig, Zwischen Himmel und Erde. 9
baren Widerwillens. Der Bruder that nichts, dieſen Irrthum zu berichtigen; er beſtätigte ihn vielmehr. Zuweilen, indem er ihn überlegen bei ſich verlachte, wenn Weinlaune und geſchmeichelte Eitelkeit ihre Wir¬ kung thaten. Der Stunden der Erſchlaffung, der Un¬ zufriedenheit mit ſich ſelbſt waren freilich mehr. Dann zwang er ſich, Verſtellung darin zu ſehn, um an dem Mitleid mit ſich ſelber den Haß gegen die Andern, in dem ihm wohl war, zu ſchärfen. Apollonius wußte wenig von der Lebensweiſe des Bruders. Fritz Net¬ tenmair verbarg ſie ihm aus dem unwillkürlichen Zwang, den Apollonius' tüchtiges Weſen ihm abnöthigte, den er aber Niemand, am wenigſten ſich ſelbſt eingeſtanden haben würde. Und die Arbeiter wußten, daß ſie Apol¬ lonius mit Nichts kommen durften, was nach Zuträ¬ gerei ausſah, am wenigſten, wenn es ſeinen Bruder betraf, den er gern von Allen geachtet geſehen hätte, mehr als ſich ſelbſt. Aber er hatte bemerkt, Fritz ſah ihn als einen Eindringling in ſeine Rechte an, der ihm Geſchäft und Thätigkeit verleidete. Apollonius fühlte ſich von dem Tage ſeiner Rückkehr nicht wohl daheim; er war ſeinen Liebſten hier eine Laſt; er dachte oft an Köln, wo er ſich willkommen wußte. Bis jetzt hielt ihn die moraliſche Verpflichtung, die er in Rück¬ ſicht der Reparatur auf ſich genommen. Dieſe ging mit raſchen Schritten ihrer Vollendung entgegen. So
Ludwig, Zwiſchen Himmel und Erde. 9
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baren Widerwillens. Der Bruder that nichts, dieſen
Irrthum zu berichtigen; er beſtätigte ihn vielmehr.
Zuweilen, indem er ihn überlegen bei ſich verlachte,
wenn Weinlaune und geſchmeichelte Eitelkeit ihre Wir¬
kung thaten. Der Stunden der Erſchlaffung, der Un¬
zufriedenheit mit ſich ſelbſt waren freilich mehr. Dann
zwang er ſich, Verſtellung darin zu ſehn, um an dem
Mitleid mit ſich ſelber den Haß gegen die Andern, in
dem ihm wohl war, zu ſchärfen. Apollonius wußte
wenig von der Lebensweiſe des Bruders. Fritz Net¬
tenmair verbarg ſie ihm aus dem unwillkürlichen Zwang,
den Apollonius' tüchtiges Weſen ihm abnöthigte, den
er aber Niemand, am wenigſten ſich ſelbſt eingeſtanden
haben würde. Und die Arbeiter wußten, daß ſie Apol¬
lonius mit Nichts kommen durften, was nach Zuträ¬
gerei ausſah, am wenigſten, wenn es ſeinen Bruder
betraf, den er gern von Allen geachtet geſehen hätte,
mehr als ſich ſelbſt. Aber er hatte bemerkt, Fritz ſah
ihn als einen Eindringling in ſeine Rechte an, der
ihm Geſchäft und Thätigkeit verleidete. Apollonius
fühlte ſich von dem Tage ſeiner Rückkehr nicht wohl
daheim; er war ſeinen Liebſten hier eine Laſt; er dachte
oft an Köln, wo er ſich willkommen wußte. Bis jetzt
hielt ihn die moraliſche Verpflichtung, die er in Rück¬
ſicht der Reparatur auf ſich genommen. Dieſe ging
mit raſchen Schritten ihrer Vollendung entgegen. So
Ludwig, Zwiſchen Himmel und Erde. 9
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/138>, abgerufen am 21.11.2024.
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