ihn nie an einem öffentlichen Orte, es müßte denn sein, daß etwas Gemeinnütziges zu berathen oder in Gang zu bringen wäre. Die Erholung, die er sich gönnt, sucht er in seinem Gärtchen. Sonst sitzt er hinter seinen Geschäftsbüchern oder beaufsichtigt im Schuppen das Ab- und Aufladen des Schiefers, den er aus eigener Grube gewinnt und weit in's Land und über dessen Grenzen hinaus vertreibt. Eine ver¬ wittwete Schwägerin besorgt sein Hauswesen und ihre Söhne das Schieferdeckergeschäft, das mit dem Handel verbunden ist und an Umfang diesem wenig nachgibt. Es ist der Geist des Oheims, der Geist der Ordnung, der Gewissenhaftigkeit bis zum Eigensinn, der auf den Neffen ruht und ihnen das Zutrauen erwirbt und er¬ hält, das sie von weit umher beruft, wo die Deckung eines neuen Gebäudes oder eine umfassendere Repa¬ ratur an einem alten der Hülfe des Schieferdeckers bedarf.
Es ist ein eigenes Zusammenleben in dem Hause mit den grünen Fensterladen. Die Schwägerin, eine noch immer schöne Frau, wenig jünger als der Haus¬ herr, behandelt diesen mit einer Art stiller Verehrung, ja Andacht. Ebenso die Söhne. Der alte Herr da¬ gegen beweist der Schwägerin eine achtungsvolle Rück¬ sicht, eine Art Ritterlichkeit, die in ihrer ernsten Zurück¬ haltung etwas Rührendes hat, den Neffen die Zunei¬ gung eines Vaters. Doch steht auch hier etwas
ihn nie an einem öffentlichen Orte, es müßte denn ſein, daß etwas Gemeinnütziges zu berathen oder in Gang zu bringen wäre. Die Erholung, die er ſich gönnt, ſucht er in ſeinem Gärtchen. Sonſt ſitzt er hinter ſeinen Geſchäftsbüchern oder beaufſichtigt im Schuppen das Ab- und Aufladen des Schiefers, den er aus eigener Grube gewinnt und weit in's Land und über deſſen Grenzen hinaus vertreibt. Eine ver¬ wittwete Schwägerin beſorgt ſein Hausweſen und ihre Söhne das Schieferdeckergeſchäft, das mit dem Handel verbunden iſt und an Umfang dieſem wenig nachgibt. Es iſt der Geiſt des Oheims, der Geiſt der Ordnung, der Gewiſſenhaftigkeit bis zum Eigenſinn, der auf den Neffen ruht und ihnen das Zutrauen erwirbt und er¬ hält, das ſie von weit umher beruft, wo die Deckung eines neuen Gebäudes oder eine umfaſſendere Repa¬ ratur an einem alten der Hülfe des Schieferdeckers bedarf.
Es iſt ein eigenes Zuſammenleben in dem Hauſe mit den grünen Fenſterladen. Die Schwägerin, eine noch immer ſchöne Frau, wenig jünger als der Haus¬ herr, behandelt dieſen mit einer Art ſtiller Verehrung, ja Andacht. Ebenſo die Söhne. Der alte Herr da¬ gegen beweiſt der Schwägerin eine achtungsvolle Rück¬ ſicht, eine Art Ritterlichkeit, die in ihrer ernſten Zurück¬ haltung etwas Rührendes hat, den Neffen die Zunei¬ gung eines Vaters. Doch ſteht auch hier etwas
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ihn nie an einem öffentlichen Orte, es müßte denn
ſein, daß etwas Gemeinnütziges zu berathen oder in
Gang zu bringen wäre. Die Erholung, die er ſich
gönnt, ſucht er in ſeinem Gärtchen. Sonſt ſitzt er
hinter ſeinen Geſchäftsbüchern oder beaufſichtigt im
Schuppen das Ab- und Aufladen des Schiefers, den
er aus eigener Grube gewinnt und weit in's Land
und über deſſen Grenzen hinaus vertreibt. Eine ver¬
wittwete Schwägerin beſorgt ſein Hausweſen und ihre
Söhne das Schieferdeckergeſchäft, das mit dem Handel
verbunden iſt und an Umfang dieſem wenig nachgibt.
Es iſt der Geiſt des Oheims, der Geiſt der Ordnung,
der Gewiſſenhaftigkeit bis zum Eigenſinn, der auf den
Neffen ruht und ihnen das Zutrauen erwirbt und er¬
hält, das ſie von weit umher beruft, wo die Deckung
eines neuen Gebäudes oder eine umfaſſendere Repa¬
ratur an einem alten der Hülfe des Schieferdeckers
bedarf.
Es iſt ein eigenes Zuſammenleben in dem Hauſe
mit den grünen Fenſterladen. Die Schwägerin, eine
noch immer ſchöne Frau, wenig jünger als der Haus¬
herr, behandelt dieſen mit einer Art ſtiller Verehrung,
ja Andacht. Ebenſo die Söhne. Der alte Herr da¬
gegen beweiſt der Schwägerin eine achtungsvolle Rück¬
ſicht, eine Art Ritterlichkeit, die in ihrer ernſten Zurück¬
haltung etwas Rührendes hat, den Neffen die Zunei¬
gung eines Vaters. Doch ſteht auch hier etwas
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/15>, abgerufen am 21.11.2024.
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