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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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nicht gebracht, im Ernst an solche Dinge zu denken.
Aber wenn sie Apollonius davon sagt, dann muß er's,
und sie trägt die Schuld. Er bewacht ihr jeden Tritt,
sie kann nichts thun, was er nicht erfährt. Und läßt
sie's ihn durch einen Dritten wissen, so wird er's
ihm ansehn. O Fritz Nettenmair ist einer, der -- !
Den ganzen Tag über, die halben Nächte geht dann
die Frau wie im Fieber umher. An der leidenschaft¬
lichen Angst wächst ihre Liebe zu Apollonius zur Lei¬
denschaft. Und sie kann's nicht hindern, denn die
Leidenschaft mehrt wiederum die Angst. Und vor dem
Gedanken der Angst hat kein anderer Platz in ihrer
Seele. Hin zu ihm will sie stürzen, ihn mit pressen¬
den Armen umfangen, ihn beschwören -- dann wieder
will sie in die Gerichte -- aber es ist ja nur ein wil¬
der Scherz, und sie wird ihn erst zum Ernste machen,
sagt sie Jemand davon. Sie geht nicht mehr aus der
Stube, tritt nicht mehr an's Fenster vor Furcht; sie
will jeden Schritt meiden, jede Bewegung, Alles was
nur als ein Umsehen nach Apollonius erscheinen könnte.
Sie hat nicht mehr den Muth, mit Jemand zu reden,
weil ihr Mann es erfahren kann, und meinen, sie trägt
ihm eine Botschaft an Apollonius auf. Und der Mann
sieht ihre wachsende Leidenschaft, sieht, wie wiederum
sein Mittel, was kommen muß, aufzuhalten, es nur
beschleunigen wird, und wartet und zählt immer unge¬

nicht gebracht, im Ernſt an ſolche Dinge zu denken.
Aber wenn ſie Apollonius davon ſagt, dann muß er's,
und ſie trägt die Schuld. Er bewacht ihr jeden Tritt,
ſie kann nichts thun, was er nicht erfährt. Und läßt
ſie's ihn durch einen Dritten wiſſen, ſo wird er's
ihm anſehn. O Fritz Nettenmair iſt einer, der — !
Den ganzen Tag über, die halben Nächte geht dann
die Frau wie im Fieber umher. An der leidenſchaft¬
lichen Angſt wächſt ihre Liebe zu Apollonius zur Lei¬
denſchaft. Und ſie kann's nicht hindern, denn die
Leidenſchaft mehrt wiederum die Angſt. Und vor dem
Gedanken der Angſt hat kein anderer Platz in ihrer
Seele. Hin zu ihm will ſie ſtürzen, ihn mit preſſen¬
den Armen umfangen, ihn beſchwören — dann wieder
will ſie in die Gerichte — aber es iſt ja nur ein wil¬
der Scherz, und ſie wird ihn erſt zum Ernſte machen,
ſagt ſie Jemand davon. Sie geht nicht mehr aus der
Stube, tritt nicht mehr an's Fenſter vor Furcht; ſie
will jeden Schritt meiden, jede Bewegung, Alles was
nur als ein Umſehen nach Apollonius erſcheinen könnte.
Sie hat nicht mehr den Muth, mit Jemand zu reden,
weil ihr Mann es erfahren kann, und meinen, ſie trägt
ihm eine Botſchaft an Apollonius auf. Und der Mann
ſieht ihre wachſende Leidenſchaft, ſieht, wie wiederum
ſein Mittel, was kommen muß, aufzuhalten, es nur
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[181/0190] nicht gebracht, im Ernſt an ſolche Dinge zu denken. Aber wenn ſie Apollonius davon ſagt, dann muß er's, und ſie trägt die Schuld. Er bewacht ihr jeden Tritt, ſie kann nichts thun, was er nicht erfährt. Und läßt ſie's ihn durch einen Dritten wiſſen, ſo wird er's ihm anſehn. O Fritz Nettenmair iſt einer, der — ! Den ganzen Tag über, die halben Nächte geht dann die Frau wie im Fieber umher. An der leidenſchaft¬ lichen Angſt wächſt ihre Liebe zu Apollonius zur Lei¬ denſchaft. Und ſie kann's nicht hindern, denn die Leidenſchaft mehrt wiederum die Angſt. Und vor dem Gedanken der Angſt hat kein anderer Platz in ihrer Seele. Hin zu ihm will ſie ſtürzen, ihn mit preſſen¬ den Armen umfangen, ihn beſchwören — dann wieder will ſie in die Gerichte — aber es iſt ja nur ein wil¬ der Scherz, und ſie wird ihn erſt zum Ernſte machen, ſagt ſie Jemand davon. Sie geht nicht mehr aus der Stube, tritt nicht mehr an's Fenſter vor Furcht; ſie will jeden Schritt meiden, jede Bewegung, Alles was nur als ein Umſehen nach Apollonius erſcheinen könnte. Sie hat nicht mehr den Muth, mit Jemand zu reden, weil ihr Mann es erfahren kann, und meinen, ſie trägt ihm eine Botſchaft an Apollonius auf. Und der Mann ſieht ihre wachſende Leidenſchaft, ſieht, wie wiederum ſein Mittel, was kommen muß, aufzuhalten, es nur beſchleunigen wird, und wartet und zählt immer unge¬

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/190>, abgerufen am 11.12.2024.