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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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duldiger, daß die Breter nicht brechen und das Tau
nicht reißt.

Es war eine trübe, schwüle Nacht. Die Nacht
vor dem Tage, an welchem Apollonius die Bekrän¬
zung des Thurmdachs beginnen wollte. Fritz Netten¬
mair schlich durch die Hinterthür auf den Gang nach
dem Schuppen, um nach Apollonius Fenster heraufzu¬
sehn. Wenn er das Licht darin erloschen sah, dann
pflegte er die Hinterthür zu verschließen und seinen
wüsten Neigungen nachzugehen. Seit jener Nacht,
wo Valentin die Hinterthür mit dem Schuppenschlüs¬
sel geöffnet, hängte Fritz Nettenmair an den Riegel noch
ein Vorlegeschloß. Apollonius war noch nicht zu
Bett gegangen. Fritz Nettenmair wußte, Apollonius
löschte in seiner eigensinnigen Vorsicht nie das Licht,
wenn er schon in's Bette gestiegen war. Es stand dem
Bette fern auf seinem Schreibtisch; dort setzte er es in
ein Becken und löschte es, eh er nach dem Bette ging.
Fritz Nettenmair ballte die Faust nach dem Fenster hin¬
auf. Apollonius zögerte ihm auch hier zu lang. Er
war müde und ging nach dem Schuppen. Der Schlüs¬
sel zur Hinterthür schloß auch den Schuppen. Es war
dunkel darin. Wenn der Schieferdecker seine Platten
zurichtet, sitzt er rittlings auf einer Bank, in deren Mitte
das Haueisen, sein kleiner Ambos eingeschlagen ist. An
eine solche stieß Fritz Nettenmair mit dem Bein und

duldiger, daß die Breter nicht brechen und das Tau
nicht reißt.

Es war eine trübe, ſchwüle Nacht. Die Nacht
vor dem Tage, an welchem Apollonius die Bekrän¬
zung des Thurmdachs beginnen wollte. Fritz Netten¬
mair ſchlich durch die Hinterthür auf den Gang nach
dem Schuppen, um nach Apollonius Fenſter heraufzu¬
ſehn. Wenn er das Licht darin erloſchen ſah, dann
pflegte er die Hinterthür zu verſchließen und ſeinen
wüſten Neigungen nachzugehen. Seit jener Nacht,
wo Valentin die Hinterthür mit dem Schuppenſchlüſ¬
ſel geöffnet, hängte Fritz Nettenmair an den Riegel noch
ein Vorlegeſchloß. Apollonius war noch nicht zu
Bett gegangen. Fritz Nettenmair wußte, Apollonius
löſchte in ſeiner eigenſinnigen Vorſicht nie das Licht,
wenn er ſchon in's Bette geſtiegen war. Es ſtand dem
Bette fern auf ſeinem Schreibtiſch; dort ſetzte er es in
ein Becken und löſchte es, eh er nach dem Bette ging.
Fritz Nettenmair ballte die Fauſt nach dem Fenſter hin¬
auf. Apollonius zögerte ihm auch hier zu lang. Er
war müde und ging nach dem Schuppen. Der Schlüſ¬
ſel zur Hinterthür ſchloß auch den Schuppen. Es war
dunkel darin. Wenn der Schieferdecker ſeine Platten
zurichtet, ſitzt er rittlings auf einer Bank, in deren Mitte
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[182/0191] duldiger, daß die Breter nicht brechen und das Tau nicht reißt. Es war eine trübe, ſchwüle Nacht. Die Nacht vor dem Tage, an welchem Apollonius die Bekrän¬ zung des Thurmdachs beginnen wollte. Fritz Netten¬ mair ſchlich durch die Hinterthür auf den Gang nach dem Schuppen, um nach Apollonius Fenſter heraufzu¬ ſehn. Wenn er das Licht darin erloſchen ſah, dann pflegte er die Hinterthür zu verſchließen und ſeinen wüſten Neigungen nachzugehen. Seit jener Nacht, wo Valentin die Hinterthür mit dem Schuppenſchlüſ¬ ſel geöffnet, hängte Fritz Nettenmair an den Riegel noch ein Vorlegeſchloß. Apollonius war noch nicht zu Bett gegangen. Fritz Nettenmair wußte, Apollonius löſchte in ſeiner eigenſinnigen Vorſicht nie das Licht, wenn er ſchon in's Bette geſtiegen war. Es ſtand dem Bette fern auf ſeinem Schreibtiſch; dort ſetzte er es in ein Becken und löſchte es, eh er nach dem Bette ging. Fritz Nettenmair ballte die Fauſt nach dem Fenſter hin¬ auf. Apollonius zögerte ihm auch hier zu lang. Er war müde und ging nach dem Schuppen. Der Schlüſ¬ ſel zur Hinterthür ſchloß auch den Schuppen. Es war dunkel darin. Wenn der Schieferdecker ſeine Platten zurichtet, ſitzt er rittlings auf einer Bank, in deren Mitte das Haueiſen, ſein kleiner Ambos eingeſchlagen iſt. An eine ſolche ſtieß Fritz Nettenmair mit dem Bein und

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/191>, abgerufen am 04.12.2024.