Umkränzung des Thurmdaches mit der Blechzier vol¬ lenden, und Fahrzeug, Flaschenzug, Ring und Leiter wieder herabnehmen. Sein Tritt mußte fest, sein Auge klar sein. Für die einzige Stunde, bis der Arbeitstag begann, wollte er sich nicht erst ausziehn und zu Bett legen. Er hatte sich bis jetzt des Sophas noch nicht bedient, darauf zu liegen. Er vermied Alles, was zur Verweichlichung führen konnte; ein gleich starker Beweggrund war sein Bedürfniß gewesen, Dinge um sich zu haben, die er liebend hüten, an denen er bürsten und poliren konnte. Auch in dem Zustand von Verstörung und Ermüdung, worin er vom Vater kam, vergaß er diese Schonung nicht. Er fuhr unwillkühr¬ lich mit leise liebkosender Hand über den Bezug des Sophas und setzte sich dann auf den hölzernen Stuhl, worauf er beim Schreiben saß. Hier kam ihm der Schlaf früher, als er es erwartet. Aber es war kein Schlaf, wie er ihn bedurfte; es war ein ununterbro¬ chener aufregender Traum. Christiane lag in seinen Armen wie gestern, er kämpfte wieder, aber diesmal siegte er nicht; er preßte sie an sich. Da stand der Bruder neben ihnen, und sie standen nicht mehr auf dem Gange zwischen Schuppen und Haus, sondern oben am Thurmdach auf der fliegenden Rüstung. Der Bruder wollte ihm die Besinnungslose aus den Armen reißen, um sie zu mißhandeln; er warf im schmerzlichen Zorne dem Bruder Alles vor, was er an
Umkränzung des Thurmdaches mit der Blechzier vol¬ lenden, und Fahrzeug, Flaſchenzug, Ring und Leiter wieder herabnehmen. Sein Tritt mußte feſt, ſein Auge klar ſein. Für die einzige Stunde, bis der Arbeitstag begann, wollte er ſich nicht erſt ausziehn und zu Bett legen. Er hatte ſich bis jetzt des Sophas noch nicht bedient, darauf zu liegen. Er vermied Alles, was zur Verweichlichung führen konnte; ein gleich ſtarker Beweggrund war ſein Bedürfniß geweſen, Dinge um ſich zu haben, die er liebend hüten, an denen er bürſten und poliren konnte. Auch in dem Zuſtand von Verſtörung und Ermüdung, worin er vom Vater kam, vergaß er dieſe Schonung nicht. Er fuhr unwillkühr¬ lich mit leiſe liebkoſender Hand über den Bezug des Sophas und ſetzte ſich dann auf den hölzernen Stuhl, worauf er beim Schreiben ſaß. Hier kam ihm der Schlaf früher, als er es erwartet. Aber es war kein Schlaf, wie er ihn bedurfte; es war ein ununterbro¬ chener aufregender Traum. Chriſtiane lag in ſeinen Armen wie geſtern, er kämpfte wieder, aber diesmal ſiegte er nicht; er preßte ſie an ſich. Da ſtand der Bruder neben ihnen, und ſie ſtanden nicht mehr auf dem Gange zwiſchen Schuppen und Haus, ſondern oben am Thurmdach auf der fliegenden Rüſtung. Der Bruder wollte ihm die Beſinnungsloſe aus den Armen reißen, um ſie zu mißhandeln; er warf im ſchmerzlichen Zorne dem Bruder Alles vor, was er an
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Umkränzung des Thurmdaches mit der Blechzier vol¬
lenden, und Fahrzeug, Flaſchenzug, Ring und Leiter
wieder herabnehmen. Sein Tritt mußte feſt, ſein Auge
klar ſein. Für die einzige Stunde, bis der Arbeitstag
begann, wollte er ſich nicht erſt ausziehn und zu
Bett legen. Er hatte ſich bis jetzt des Sophas noch
nicht bedient, darauf zu liegen. Er vermied Alles,
was zur Verweichlichung führen konnte; ein gleich
ſtarker Beweggrund war ſein Bedürfniß geweſen, Dinge
um ſich zu haben, die er liebend hüten, an denen er
bürſten und poliren konnte. Auch in dem Zuſtand von
Verſtörung und Ermüdung, worin er vom Vater kam,
vergaß er dieſe Schonung nicht. Er fuhr unwillkühr¬
lich mit leiſe liebkoſender Hand über den Bezug des
Sophas und ſetzte ſich dann auf den hölzernen Stuhl,
worauf er beim Schreiben ſaß. Hier kam ihm der
Schlaf früher, als er es erwartet. Aber es war kein
Schlaf, wie er ihn bedurfte; es war ein ununterbro¬
chener aufregender Traum. Chriſtiane lag in ſeinen
Armen wie geſtern, er kämpfte wieder, aber diesmal
ſiegte er nicht; er preßte ſie an ſich. Da ſtand der
Bruder neben ihnen, und ſie ſtanden nicht mehr auf
dem Gange zwiſchen Schuppen und Haus, ſondern
oben am Thurmdach auf der fliegenden Rüſtung.
Der Bruder wollte ihm die Beſinnungsloſe aus den
Armen reißen, um ſie zu mißhandeln; er warf im
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/262>, abgerufen am 18.12.2024.
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