war, wie er es sich gedacht, und doch wieder so ganz anders, nahm ihm Unbefangenheit und Muth.
Der Bruder machte der peinlichen Pause, denn seine Frau antwortete mit keinem Laute, ein willkommenes Ende. Er zeigte auf die Kinder. Sie drängten sich noch immer, unbeirrt von Allem, was die Erwachsenen bedrängte und sie nicht bemerkten und verstanden, um den neuen Onkel; und dieser war froh über den Anlaß, sich zu ihnen herabzubeugen und tausenderlei Fragen beantworten zu müssen.
Die Brut ist aufdringlich, sagte der Bruder. Er zeigte auf die Kinder, aber er sah verstohlen nach der Frau. Bei alledem wundert's mich, wie ihr bekannt geworden seid. Und so schnell so vertraut, fügte er hinzu. Er mochte in Gedanken seine letzte Bemerkung weiter spinnen: es scheint, du verstehst schnell vertraut zu werden und zu machen. Ein Schatten wie von Besorgniß legte sich über sein rothes Gesicht. Aber den Kindern galt die Besorgniß nicht; er hätte sonst dabei nach den Kindern gesehn und nicht nach seiner Frau.
Der Ankömmling sprach immer eifriger mit den Kindern. Er hatte die Frage überhört, oder er wollte vor der zürnenden Frau sich nicht merken lassen, wessen Bild er so lebendig in sich trage. Die Aehnlichkeit mit der Mutter hatte ihn die Kleinen, die ihm zufällig begeg¬ net, als seines Bruders Kinder erkennen lassen. Die Frage aber, wie sie so schnell mit ihm vertraut werden
war, wie er es ſich gedacht, und doch wieder ſo ganz anders, nahm ihm Unbefangenheit und Muth.
Der Bruder machte der peinlichen Pauſe, denn ſeine Frau antwortete mit keinem Laute, ein willkommenes Ende. Er zeigte auf die Kinder. Sie drängten ſich noch immer, unbeirrt von Allem, was die Erwachſenen bedrängte und ſie nicht bemerkten und verſtanden, um den neuen Onkel; und dieſer war froh über den Anlaß, ſich zu ihnen herabzubeugen und tauſenderlei Fragen beantworten zu müſſen.
Die Brut iſt aufdringlich, ſagte der Bruder. Er zeigte auf die Kinder, aber er ſah verſtohlen nach der Frau. Bei alledem wundert's mich, wie ihr bekannt geworden ſeid. Und ſo ſchnell ſo vertraut, fügte er hinzu. Er mochte in Gedanken ſeine letzte Bemerkung weiter ſpinnen: es ſcheint, du verſtehſt ſchnell vertraut zu werden und zu machen. Ein Schatten wie von Beſorgniß legte ſich über ſein rothes Geſicht. Aber den Kindern galt die Beſorgniß nicht; er hätte ſonſt dabei nach den Kindern geſehn und nicht nach ſeiner Frau.
Der Ankömmling ſprach immer eifriger mit den Kindern. Er hatte die Frage überhört, oder er wollte vor der zürnenden Frau ſich nicht merken laſſen, weſſen Bild er ſo lebendig in ſich trage. Die Aehnlichkeit mit der Mutter hatte ihn die Kleinen, die ihm zufällig begeg¬ net, als ſeines Bruders Kinder erkennen laſſen. Die Frage aber, wie ſie ſo ſchnell mit ihm vertraut werden
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0055"n="46"/>
war, wie er es ſich gedacht, und doch wieder ſo ganz<lb/>
anders, nahm ihm Unbefangenheit und Muth.</p><lb/><p>Der Bruder machte der peinlichen Pauſe, denn ſeine<lb/>
Frau antwortete mit keinem Laute, ein willkommenes<lb/>
Ende. Er zeigte auf die Kinder. Sie drängten ſich<lb/>
noch immer, unbeirrt von Allem, was die Erwachſenen<lb/>
bedrängte und ſie nicht bemerkten und verſtanden, um<lb/>
den neuen Onkel; und dieſer war froh über den Anlaß,<lb/>ſich zu ihnen herabzubeugen und tauſenderlei Fragen<lb/>
beantworten zu müſſen.</p><lb/><p>Die Brut iſt aufdringlich, ſagte der Bruder. Er<lb/>
zeigte auf die Kinder, aber er ſah verſtohlen nach der<lb/>
Frau. Bei alledem wundert's mich, wie ihr bekannt<lb/>
geworden ſeid. Und ſo ſchnell ſo vertraut, fügte er<lb/>
hinzu. Er mochte in Gedanken ſeine letzte Bemerkung<lb/>
weiter ſpinnen: es ſcheint, du verſtehſt ſchnell vertraut<lb/>
zu werden und zu machen. Ein Schatten wie von<lb/>
Beſorgniß legte ſich über ſein rothes Geſicht. Aber den<lb/>
Kindern galt die Beſorgniß nicht; er hätte ſonſt dabei<lb/>
nach den Kindern geſehn und nicht nach ſeiner Frau.</p><lb/><p>Der Ankömmling ſprach immer eifriger mit den<lb/>
Kindern. Er hatte die Frage überhört, oder er wollte<lb/>
vor der zürnenden Frau ſich nicht merken laſſen, weſſen<lb/>
Bild er ſo lebendig in ſich trage. Die Aehnlichkeit mit<lb/>
der Mutter hatte ihn die Kleinen, die ihm zufällig begeg¬<lb/>
net, als ſeines Bruders Kinder erkennen laſſen. Die<lb/>
Frage aber, wie ſie ſo ſchnell mit ihm vertraut werden<lb/></p></div></body></text></TEI>
[46/0055]
war, wie er es ſich gedacht, und doch wieder ſo ganz
anders, nahm ihm Unbefangenheit und Muth.
Der Bruder machte der peinlichen Pauſe, denn ſeine
Frau antwortete mit keinem Laute, ein willkommenes
Ende. Er zeigte auf die Kinder. Sie drängten ſich
noch immer, unbeirrt von Allem, was die Erwachſenen
bedrängte und ſie nicht bemerkten und verſtanden, um
den neuen Onkel; und dieſer war froh über den Anlaß,
ſich zu ihnen herabzubeugen und tauſenderlei Fragen
beantworten zu müſſen.
Die Brut iſt aufdringlich, ſagte der Bruder. Er
zeigte auf die Kinder, aber er ſah verſtohlen nach der
Frau. Bei alledem wundert's mich, wie ihr bekannt
geworden ſeid. Und ſo ſchnell ſo vertraut, fügte er
hinzu. Er mochte in Gedanken ſeine letzte Bemerkung
weiter ſpinnen: es ſcheint, du verſtehſt ſchnell vertraut
zu werden und zu machen. Ein Schatten wie von
Beſorgniß legte ſich über ſein rothes Geſicht. Aber den
Kindern galt die Beſorgniß nicht; er hätte ſonſt dabei
nach den Kindern geſehn und nicht nach ſeiner Frau.
Der Ankömmling ſprach immer eifriger mit den
Kindern. Er hatte die Frage überhört, oder er wollte
vor der zürnenden Frau ſich nicht merken laſſen, weſſen
Bild er ſo lebendig in ſich trage. Die Aehnlichkeit mit
der Mutter hatte ihn die Kleinen, die ihm zufällig begeg¬
net, als ſeines Bruders Kinder erkennen laſſen. Die
Frage aber, wie ſie ſo ſchnell mit ihm vertraut werden
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/55>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.