in den Schatten stellte, Thaten der Aufopferung thun. So auch jetzt. Wie er unter den bedeutenden Leuten saß, die er mit Champagner traktirte, und in den Augen seiner Frau die Befriedigung las, mit der sie ihn mit Ehren überhäuft sah, kam die Empfindung über ihn, als habe er dem Bruder ein großes Unrecht verziehn und er sei ein außerordentlich edler Mensch, der all' die Ehrenbezeugungen verdiene und in wunderbarer Anspruchslosigkeit sich dennoch herablasse, sich durch sie rühren zu lassen. Eben tanzte Apollonius vorüber. Er sah, der war der alte Träumer nicht mehr, aber er vergab ihm auch das. Alle Augen waren auf den schönen Tänzer und seinen gewandten Anstand gerich¬ tet. Er zog seine Frau auf und in der Gewißheit, wie sehr er den Bruder überglänzen müsse, hatte er noch die Wollust, dem Bruder, wer weiß wie viel Un¬ recht, das ihm dieser nie zugefügt, zu verzeihn.
Aber der Undankbare! Er ließ sich nicht überglänzen. Fritz Nettenmair tanzte jovial und wie einer, der die Welt kennt und mit der Art umzugehn weiß, die lange Haare hat und Schürzen trägt; der Bruder war ein steifes Bild dagegen. Der nickte den Takt nicht mit dem Kopfe, der warf nicht, trat der linke Fuß im Niedertakte auf, den Oberleib auf die rechte Seite und umgekehrt; der fuhr nicht mit kühner Genialität hin und wieder queer über den Tanzsaal und stach andere Paare aus; der tanzte durchaus weder jovial, noch
in den Schatten ſtellte, Thaten der Aufopferung thun. So auch jetzt. Wie er unter den bedeutenden Leuten ſaß, die er mit Champagner traktirte, und in den Augen ſeiner Frau die Befriedigung las, mit der ſie ihn mit Ehren überhäuft ſah, kam die Empfindung über ihn, als habe er dem Bruder ein großes Unrecht verziehn und er ſei ein außerordentlich edler Menſch, der all' die Ehrenbezeugungen verdiene und in wunderbarer Anſpruchsloſigkeit ſich dennoch herablaſſe, ſich durch ſie rühren zu laſſen. Eben tanzte Apollonius vorüber. Er ſah, der war der alte Träumer nicht mehr, aber er vergab ihm auch das. Alle Augen waren auf den ſchönen Tänzer und ſeinen gewandten Anſtand gerich¬ tet. Er zog ſeine Frau auf und in der Gewißheit, wie ſehr er den Bruder überglänzen müſſe, hatte er noch die Wolluſt, dem Bruder, wer weiß wie viel Un¬ recht, das ihm dieſer nie zugefügt, zu verzeihn.
Aber der Undankbare! Er ließ ſich nicht überglänzen. Fritz Nettenmair tanzte jovial und wie einer, der die Welt kennt und mit der Art umzugehn weiß, die lange Haare hat und Schürzen trägt; der Bruder war ein ſteifes Bild dagegen. Der nickte den Takt nicht mit dem Kopfe, der warf nicht, trat der linke Fuß im Niedertakte auf, den Oberleib auf die rechte Seite und umgekehrt; der fuhr nicht mit kühner Genialität hin und wieder queer über den Tanzſaal und ſtach andere Paare aus; der tanzte durchaus weder jovial, noch
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in den Schatten ſtellte, Thaten der Aufopferung thun.
So auch jetzt. Wie er unter den bedeutenden Leuten
ſaß, die er mit Champagner traktirte, und in den Augen
ſeiner Frau die Befriedigung las, mit der ſie ihn mit
Ehren überhäuft ſah, kam die Empfindung über ihn,
als habe er dem Bruder ein großes Unrecht verziehn
und er ſei ein außerordentlich edler Menſch, der all'
die Ehrenbezeugungen verdiene und in wunderbarer
Anſpruchsloſigkeit ſich dennoch herablaſſe, ſich durch ſie
rühren zu laſſen. Eben tanzte Apollonius vorüber. Er
ſah, der war der alte Träumer nicht mehr, aber er
vergab ihm auch das. Alle Augen waren auf den
ſchönen Tänzer und ſeinen gewandten Anſtand gerich¬
tet. Er zog ſeine Frau auf und in der Gewißheit,
wie ſehr er den Bruder überglänzen müſſe, hatte er
noch die Wolluſt, dem Bruder, wer weiß wie viel Un¬
recht, das ihm dieſer nie zugefügt, zu verzeihn.
Aber der Undankbare! Er ließ ſich nicht überglänzen.
Fritz Nettenmair tanzte jovial und wie einer, der die
Welt kennt und mit der Art umzugehn weiß, die lange
Haare hat und Schürzen trägt; der Bruder war ein
ſteifes Bild dagegen. Der nickte den Takt nicht mit
dem Kopfe, der warf nicht, trat der linke Fuß im
Niedertakte auf, den Oberleib auf die rechte Seite und
umgekehrt; der fuhr nicht mit kühner Genialität hin
und wieder queer über den Tanzſaal und ſtach andere
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/64>, abgerufen am 21.11.2024.
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