lassen, als ihm das Geschäft förmlich übergeben; er wollte sich, wo er es nöthig fände, ein souveraines Ein¬ schreiten frei halten.
Der alte Herr hörte die Kommenden schon von Weitem und tastete sich nach der Bank in seiner Laube. Da saß er, als sie eintraten. Nach geschehener Be¬ grüßung fragte der Bauherr nach Herrn Nettenmair's Befinden. Ich danke Ihnen, entgegnete der alte Herr; ich leide etwas an den Augen, aber es hat nichts zu sagen. Er lächelte dazu und der Bauherr wechselte mit Apollonius einen Blick, der dem Manne Apol¬ lonius ganze Seele gewann. Dann erzählte er dem alten Herrn die ganze Berathung und machte, daß Apollonius in seiner Bescheidenheit erröthete, und lange nicht seine gewöhnliche Farbe wiederfand. Der alte Herr rückte seinen Schirm tiefer in's Gesicht, um Nie¬ mand die Gedanken sehen zu lassen, die da wunderlich mit einander kämpften. Wer unter den Schirm sehen konnte, hätte gemeint, zuerst, der alte Herr freut sich; der Schatten von Argwohn, mit dem er gestern Apol¬ lonius empfing, schwindet. So braucht er doch nicht zu fürchten, der wird mit dem Bruder gemeine Sache gegen ihn machen! Ja, es erschien ein Etwas auf dem Antlitz, das sich zu schadenfreuen schien über die Demüthigung des älteren. Vielleicht wär' er nach sei¬ ner Weise eingeschritten mit einem lakonischen: du ver¬ siehst meine Stelle von nun, Apollonius, hörst du?
laſſen, als ihm das Geſchäft förmlich übergeben; er wollte ſich, wo er es nöthig fände, ein ſouveraines Ein¬ ſchreiten frei halten.
Der alte Herr hörte die Kommenden ſchon von Weitem und taſtete ſich nach der Bank in ſeiner Laube. Da ſaß er, als ſie eintraten. Nach geſchehener Be¬ grüßung fragte der Bauherr nach Herrn Nettenmair's Befinden. Ich danke Ihnen, entgegnete der alte Herr; ich leide etwas an den Augen, aber es hat nichts zu ſagen. Er lächelte dazu und der Bauherr wechſelte mit Apollonius einen Blick, der dem Manne Apol¬ lonius ganze Seele gewann. Dann erzählte er dem alten Herrn die ganze Berathung und machte, daß Apollonius in ſeiner Beſcheidenheit erröthete, und lange nicht ſeine gewöhnliche Farbe wiederfand. Der alte Herr rückte ſeinen Schirm tiefer in's Geſicht, um Nie¬ mand die Gedanken ſehen zu laſſen, die da wunderlich mit einander kämpften. Wer unter den Schirm ſehen konnte, hätte gemeint, zuerſt, der alte Herr freut ſich; der Schatten von Argwohn, mit dem er geſtern Apol¬ lonius empfing, ſchwindet. So braucht er doch nicht zu fürchten, der wird mit dem Bruder gemeine Sache gegen ihn machen! Ja, es erſchien ein Etwas auf dem Antlitz, das ſich zu ſchadenfreuen ſchien über die Demüthigung des älteren. Vielleicht wär' er nach ſei¬ ner Weiſe eingeſchritten mit einem lakoniſchen: du ver¬ ſiehſt meine Stelle von nun, Apollonius, hörſt du?
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[64/0073]
laſſen, als ihm das Geſchäft förmlich übergeben; er
wollte ſich, wo er es nöthig fände, ein ſouveraines Ein¬
ſchreiten frei halten.
Der alte Herr hörte die Kommenden ſchon von
Weitem und taſtete ſich nach der Bank in ſeiner Laube.
Da ſaß er, als ſie eintraten. Nach geſchehener Be¬
grüßung fragte der Bauherr nach Herrn Nettenmair's
Befinden. Ich danke Ihnen, entgegnete der alte Herr;
ich leide etwas an den Augen, aber es hat nichts zu
ſagen. Er lächelte dazu und der Bauherr wechſelte
mit Apollonius einen Blick, der dem Manne Apol¬
lonius ganze Seele gewann. Dann erzählte er dem
alten Herrn die ganze Berathung und machte, daß
Apollonius in ſeiner Beſcheidenheit erröthete, und
lange nicht ſeine gewöhnliche Farbe wiederfand. Der alte
Herr rückte ſeinen Schirm tiefer in's Geſicht, um Nie¬
mand die Gedanken ſehen zu laſſen, die da wunderlich
mit einander kämpften. Wer unter den Schirm ſehen
konnte, hätte gemeint, zuerſt, der alte Herr freut ſich;
der Schatten von Argwohn, mit dem er geſtern Apol¬
lonius empfing, ſchwindet. So braucht er doch nicht
zu fürchten, der wird mit dem Bruder gemeine Sache
gegen ihn machen! Ja, es erſchien ein Etwas auf
dem Antlitz, das ſich zu ſchadenfreuen ſchien über die
Demüthigung des älteren. Vielleicht wär' er nach ſei¬
ner Weiſe eingeſchritten mit einem lakoniſchen: du ver¬
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/73>, abgerufen am 21.11.2024.
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