hätte nicht der Bauherr dessen Lob gepriesen und wäre das nicht so verdient gewesen. Ja, sagte er in seiner diplomatischen Art, seine Gedanken dadurch zu verber¬ gen, daß er sie nur halb aussprach; ja, die Jugend! er ist jung. -- Und doch schon so tüchtig! ergänzte der Bauherr. Der alte Herr neigte seinen Kopf. Wer ein Interesse darin fand, wie der Bauherr, konnte glauben, er nickte dazu. Aber er meinte: die Jugend gilt heut zu Tag in der Welt! Ja, er fühlte Stolz, daß sein Sohn so tüchtig, Scham, daß er selber blind, Freude, daß Fritz nun nicht mehr konnte, wie er wollte, daß die Ehre des Hauses einen Wächter mehr gewon¬ nen, Furcht, die Tüchtigkeit, der er sich freute, mache ihn selbst überflüssig. Und er konnte nichts dagegen thun; er konnte nichts mehr, er war nichts mehr. Und als hätte Apollonius das ausgesprochen, erhob er sich straff, wie um zu zeigen, jener triumphire zu früh. Der Bauherr bat, der alte Herr möge den Sohn für die Dauer der Reparatur hier behalten und dabei thä¬ tig sein lassen. Der alte Herr schwieg eine Weile, als warte er darauf, Apollonius solle sich des Dableibens weigern. Dann schien er anzunehmen, Apollonius weigere sich, denn er befahl in seiner grimmigen Kürze: Du bleibst; hörst du?
Apollonius begab sich auf sein Stübchen, seine Sachen auszupacken. Er war noch darüber, als die Nachricht kam, der Stadrath habe die Reparatur ge¬
Ludwig, Zwischen Himmel und Erde. 5
hätte nicht der Bauherr deſſen Lob geprieſen und wäre das nicht ſo verdient geweſen. Ja, ſagte er in ſeiner diplomatiſchen Art, ſeine Gedanken dadurch zu verber¬ gen, daß er ſie nur halb ausſprach; ja, die Jugend! er iſt jung. — Und doch ſchon ſo tüchtig! ergänzte der Bauherr. Der alte Herr neigte ſeinen Kopf. Wer ein Intereſſe darin fand, wie der Bauherr, konnte glauben, er nickte dazu. Aber er meinte: die Jugend gilt heut zu Tag in der Welt! Ja, er fühlte Stolz, daß ſein Sohn ſo tüchtig, Scham, daß er ſelber blind, Freude, daß Fritz nun nicht mehr konnte, wie er wollte, daß die Ehre des Hauſes einen Wächter mehr gewon¬ nen, Furcht, die Tüchtigkeit, der er ſich freute, mache ihn ſelbſt überflüſſig. Und er konnte nichts dagegen thun; er konnte nichts mehr, er war nichts mehr. Und als hätte Apollonius das ausgeſprochen, erhob er ſich ſtraff, wie um zu zeigen, jener triumphire zu früh. Der Bauherr bat, der alte Herr möge den Sohn für die Dauer der Reparatur hier behalten und dabei thä¬ tig ſein laſſen. Der alte Herr ſchwieg eine Weile, als warte er darauf, Apollonius ſolle ſich des Dableibens weigern. Dann ſchien er anzunehmen, Apollonius weigere ſich, denn er befahl in ſeiner grimmigen Kürze: Du bleibſt; hörſt du?
Apollonius begab ſich auf ſein Stübchen, ſeine Sachen auszupacken. Er war noch darüber, als die Nachricht kam, der Stadrath habe die Reparatur ge¬
Ludwig, Zwiſchen Himmel und Erde. 5
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hätte nicht der Bauherr deſſen Lob geprieſen und wäre
das nicht ſo verdient geweſen. Ja, ſagte er in ſeiner
diplomatiſchen Art, ſeine Gedanken dadurch zu verber¬
gen, daß er ſie nur halb ausſprach; ja, die Jugend!
er iſt jung. — Und doch ſchon ſo tüchtig! ergänzte
der Bauherr. Der alte Herr neigte ſeinen Kopf. Wer
ein Intereſſe darin fand, wie der Bauherr, konnte
glauben, er nickte dazu. Aber er meinte: die Jugend
gilt heut zu Tag in der Welt! Ja, er fühlte Stolz,
daß ſein Sohn ſo tüchtig, Scham, daß er ſelber blind,
Freude, daß Fritz nun nicht mehr konnte, wie er wollte,
daß die Ehre des Hauſes einen Wächter mehr gewon¬
nen, Furcht, die Tüchtigkeit, der er ſich freute, mache
ihn ſelbſt überflüſſig. Und er konnte nichts dagegen
thun; er konnte nichts mehr, er war nichts mehr. Und
als hätte Apollonius das ausgeſprochen, erhob er ſich
ſtraff, wie um zu zeigen, jener triumphire zu früh.
Der Bauherr bat, der alte Herr möge den Sohn für
die Dauer der Reparatur hier behalten und dabei thä¬
tig ſein laſſen. Der alte Herr ſchwieg eine Weile, als
warte er darauf, Apollonius ſolle ſich des Dableibens
weigern. Dann ſchien er anzunehmen, Apollonius
weigere ſich, denn er befahl in ſeiner grimmigen Kürze:
Du bleibſt; hörſt du?
Apollonius begab ſich auf ſein Stübchen, ſeine
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Nachricht kam, der Stadrath habe die Reparatur ge¬
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/74>, abgerufen am 21.11.2024.
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