der sie besaß. Er war bei sich einig, der Bruder hatte Mittel angewandt, die zu brauchen er selbst mit Ge¬ nugthuung sich zu edel fühlte. Dadurch hatte jener die Leute ihm abspänstig gemacht. Apollonius wußte nichts von dem, was im Bruder vorging; der war gegen ihn, wie man gegen Arglistige sein muß, auf der Hut; denn solche Feinde kann man nur mit ihren eigenen Waffen besiegen. Die brüderliche Freundlich¬ keit und Achtung, mit der ihn Apollonius behandelte, war eine Maske, unter der dieser seine schlimmen Pläne sicherer zu bergen meinte; er vergalt ihm, und machte ihn leichter unschädlich, wenn er unter derselben Maske seine Wachsamkeit barg. Die gutmüthige Willigkeit Apollonius, sich ihm äußerlich unterzuordnen, erschien dem Bruder wie eine Verhöhnung, an der die Arbeiter, von dem Arglistigen gewonnen, wissend theilnahmen. In seiner Empfindlichkeit griff er selbst nach den Mit¬ teln, die er bei diesem voraussetzte. Offen ihm entge¬ genzutreten, verhinderte ihn der Umstand, daß Apollo¬ nius ihm selbst imponirte, wenn er auch diesen Grund nicht hätte gelten lassen. Er legte den blauen Don¬ nerrock beiseite und stieg bis auf die unterste Sprosse seiner Jovialität herab. Er begann durch Winke, dann allmälig durch Worte, sein Mitleid mit den Ar¬ beitern zu zeigen, die unter der Tyrannei eines wohl¬ dienerischen Eindringlings seufzten, wie er ihnen bewies; da er nicht den Muth hatte, sie zu offener Widersetz¬
Ludwig, Zwischen Himmel und Erde. 6
der ſie beſaß. Er war bei ſich einig, der Bruder hatte Mittel angewandt, die zu brauchen er ſelbſt mit Ge¬ nugthuung ſich zu edel fühlte. Dadurch hatte jener die Leute ihm abſpänſtig gemacht. Apollonius wußte nichts von dem, was im Bruder vorging; der war gegen ihn, wie man gegen Argliſtige ſein muß, auf der Hut; denn ſolche Feinde kann man nur mit ihren eigenen Waffen beſiegen. Die brüderliche Freundlich¬ keit und Achtung, mit der ihn Apollonius behandelte, war eine Maske, unter der dieſer ſeine ſchlimmen Pläne ſicherer zu bergen meinte; er vergalt ihm, und machte ihn leichter unſchädlich, wenn er unter derſelben Maske ſeine Wachſamkeit barg. Die gutmüthige Willigkeit Apollonius, ſich ihm äußerlich unterzuordnen, erſchien dem Bruder wie eine Verhöhnung, an der die Arbeiter, von dem Argliſtigen gewonnen, wiſſend theilnahmen. In ſeiner Empfindlichkeit griff er ſelbſt nach den Mit¬ teln, die er bei dieſem vorausſetzte. Offen ihm entge¬ genzutreten, verhinderte ihn der Umſtand, daß Apollo¬ nius ihm ſelbſt imponirte, wenn er auch dieſen Grund nicht hätte gelten laſſen. Er legte den blauen Don¬ nerrock beiſeite und ſtieg bis auf die unterſte Sproſſe ſeiner Jovialität herab. Er begann durch Winke, dann allmälig durch Worte, ſein Mitleid mit den Ar¬ beitern zu zeigen, die unter der Tyrannei eines wohl¬ dieneriſchen Eindringlings ſeufzten, wie er ihnen bewies; da er nicht den Muth hatte, ſie zu offener Widerſetz¬
Ludwig, Zwiſchen Himmel und Erde. 6
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der ſie beſaß. Er war bei ſich einig, der Bruder hatte
Mittel angewandt, die zu brauchen er ſelbſt mit Ge¬
nugthuung ſich zu edel fühlte. Dadurch hatte jener
die Leute ihm abſpänſtig gemacht. Apollonius wußte
nichts von dem, was im Bruder vorging; der war
gegen ihn, wie man gegen Argliſtige ſein muß, auf
der Hut; denn ſolche Feinde kann man nur mit ihren
eigenen Waffen beſiegen. Die brüderliche Freundlich¬
keit und Achtung, mit der ihn Apollonius behandelte,
war eine Maske, unter der dieſer ſeine ſchlimmen Pläne
ſicherer zu bergen meinte; er vergalt ihm, und machte
ihn leichter unſchädlich, wenn er unter derſelben Maske
ſeine Wachſamkeit barg. Die gutmüthige Willigkeit
Apollonius, ſich ihm äußerlich unterzuordnen, erſchien
dem Bruder wie eine Verhöhnung, an der die Arbeiter,
von dem Argliſtigen gewonnen, wiſſend theilnahmen.
In ſeiner Empfindlichkeit griff er ſelbſt nach den Mit¬
teln, die er bei dieſem vorausſetzte. Offen ihm entge¬
genzutreten, verhinderte ihn der Umſtand, daß Apollo¬
nius ihm ſelbſt imponirte, wenn er auch dieſen Grund
nicht hätte gelten laſſen. Er legte den blauen Don¬
nerrock beiſeite und ſtieg bis auf die unterſte Sproſſe
ſeiner Jovialität herab. Er begann durch Winke,
dann allmälig durch Worte, ſein Mitleid mit den Ar¬
beitern zu zeigen, die unter der Tyrannei eines wohl¬
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da er nicht den Muth hatte, ſie zu offener Widerſetz¬
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/90>, abgerufen am 21.11.2024.
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