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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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nend, gleichgültige Worte mit ihm wechselte. Dann
kämpften zwei Mächte auf seiner Stirn, die der Sohn
vor dem Augenschirm nicht sah. Er will etwas fragen,
aber er fragt nicht. Der alte Herr hat sich so tief in
die Wolke eingesponnen, daß kein Weg mehr von ihm
herausführt in die Welt um ihn und keiner mehr
hinein. Er gibt sich das Ansehn, als wisse er um
Alles. Thut er anders, so zeigt er der Welt seine
Hülflosigkeit und fordert die Welt selber auf, sie zu
mißbrauchen. Wenn er fragt, wird man ihm die Wahr¬
heit sagen? Nein! Er hält die Welt so verstockt
gegen ihn, als er gegen sie ist. Er fragt nicht. Er
lauscht, wo er weiß, man sieht ihn nicht lauschen, fie¬
berisch gespannt auf jeden Laut. Aus jedem hört er
etwas heraus, was nicht drin ist; seine gespannte
Phantasie baut Felsen daraus, die ihm die Brust zer¬
drücken, aber er fragt nicht. Er träumt von nichts,
als von Dingen, die Schande bringen über ihn und
sein Haus; er leert die ganze Rüstkammer der Ent¬
ehrung und fühlt jede Schmach durch, die die Welt
kennt. Was keine Schande ist, steigert sich seinem
krankhaft geschärften Ehrgefühl dazu, das keine Ruhe
wohlthätig abstumpft, aber er trägt lieber, was die
tiefste Schande ist, als daß er fragt. Er thut das Un¬
geheure in Gedanken, die drohende abzuwenden, aber
er fragt nicht. Wie manches Thun zeigt ungeboren

nend, gleichgültige Worte mit ihm wechſelte. Dann
kämpften zwei Mächte auf ſeiner Stirn, die der Sohn
vor dem Augenſchirm nicht ſah. Er will etwas fragen,
aber er fragt nicht. Der alte Herr hat ſich ſo tief in
die Wolke eingeſponnen, daß kein Weg mehr von ihm
herausführt in die Welt um ihn und keiner mehr
hinein. Er gibt ſich das Anſehn, als wiſſe er um
Alles. Thut er anders, ſo zeigt er der Welt ſeine
Hülfloſigkeit und fordert die Welt ſelber auf, ſie zu
mißbrauchen. Wenn er fragt, wird man ihm die Wahr¬
heit ſagen? Nein! Er hält die Welt ſo verſtockt
gegen ihn, als er gegen ſie iſt. Er fragt nicht. Er
lauſcht, wo er weiß, man ſieht ihn nicht lauſchen, fie¬
beriſch geſpannt auf jeden Laut. Aus jedem hört er
etwas heraus, was nicht drin iſt; ſeine geſpannte
Phantaſie baut Felſen daraus, die ihm die Bruſt zer¬
drücken, aber er fragt nicht. Er träumt von nichts,
als von Dingen, die Schande bringen über ihn und
ſein Haus; er leert die ganze Rüſtkammer der Ent¬
ehrung und fühlt jede Schmach durch, die die Welt
kennt. Was keine Schande iſt, ſteigert ſich ſeinem
krankhaft geſchärften Ehrgefühl dazu, das keine Ruhe
wohlthätig abſtumpft, aber er trägt lieber, was die
tiefſte Schande iſt, als daß er fragt. Er thut das Un¬
geheure in Gedanken, die drohende abzuwenden, aber
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[86/0095] nend, gleichgültige Worte mit ihm wechſelte. Dann kämpften zwei Mächte auf ſeiner Stirn, die der Sohn vor dem Augenſchirm nicht ſah. Er will etwas fragen, aber er fragt nicht. Der alte Herr hat ſich ſo tief in die Wolke eingeſponnen, daß kein Weg mehr von ihm herausführt in die Welt um ihn und keiner mehr hinein. Er gibt ſich das Anſehn, als wiſſe er um Alles. Thut er anders, ſo zeigt er der Welt ſeine Hülfloſigkeit und fordert die Welt ſelber auf, ſie zu mißbrauchen. Wenn er fragt, wird man ihm die Wahr¬ heit ſagen? Nein! Er hält die Welt ſo verſtockt gegen ihn, als er gegen ſie iſt. Er fragt nicht. Er lauſcht, wo er weiß, man ſieht ihn nicht lauſchen, fie¬ beriſch geſpannt auf jeden Laut. Aus jedem hört er etwas heraus, was nicht drin iſt; ſeine geſpannte Phantaſie baut Felſen daraus, die ihm die Bruſt zer¬ drücken, aber er fragt nicht. Er träumt von nichts, als von Dingen, die Schande bringen über ihn und ſein Haus; er leert die ganze Rüſtkammer der Ent¬ ehrung und fühlt jede Schmach durch, die die Welt kennt. Was keine Schande iſt, ſteigert ſich ſeinem krankhaft geſchärften Ehrgefühl dazu, das keine Ruhe wohlthätig abſtumpft, aber er trägt lieber, was die tiefſte Schande iſt, als daß er fragt. Er thut das Un¬ geheure in Gedanken, die drohende abzuwenden, aber er fragt nicht. Wie manches Thun zeigt ungeboren

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/95>, abgerufen am 24.11.2024.