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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Verlängerter Zustand des Muskelrohrs. Elektrische Eigenschaften.
objekte wählte, weil sie weniger rasch veränderliche Apparate dar-
stellen, als die der warmblütigen Thiere.

A. Verlängerter Zustand des Muskelrohrs.

In verlängertem Zustand ist der Muskel mit besonderen elektri-
schen, elastischen, chemischen Eigenschaften und einer spezifischen
Form begabt.

1. Elektrische Eigenschaften. Aufschlüsse, welche uns
über die merkwürdigen elektrischen Eigenschaften des Muskels zu
Theil geworden sind, verdanken wir den auch hier ausserordentlichen
Leistungen von du Bois. Die Methoden, mittelst deren er die elektri-
schen Eigenschaften des Muskels untersucht, sind dieselben, die er
bei der Aufdeckung der gleichen Verhältnisse der Nerven anwendete.
Er bedient sich des Multiplikators und des stromprüfenden Frosch-
schenkels.

Der Multiplikator dient ihm abermals dazu, das Vorhandensein, das Wachsen,
Sinken und die Richtung der im Muskel vorhandenen Ströme anzuzeigen. Da aber
die Muskeln viel kräftigere Ströme nach aussen senden, als die Nerven, so ist es ge-
boten, hier ein Werkzeug von einer viel geringeren Zahl, von höchstens 4000 bis
6000 Windungen anzuwenden. Im Uebrigen ist aber die Einrichtung dieses Multipli-
kators ganz dieselbe, welche demjenigen für den Nervenstrom zukömmt; hier wie
dort münden die Drahtenden in Platinplatten aus, welche am oberen Ende gefirnisst,
am unteren mit einer Hülle von Fliesspapier überzogen sind, und eben so tauchen
sie in eine gesättigte Kochsalzlösung. In den beiden Gefässen, welche die Kochsalz-
lösung enthalten, liegt ausserdem der bekannte Zuleitungsbausch. Um den Kreis
fortwährend elektrisch gleichartig zu erhalten, werden beide Zuleitungsbäusche
durch den Schliessungsbausch überbrückt, und ihre freien Enden werden jedesmal
mit Eiweisshäutchen überkleidet, auf die der Muskel zu liegen kommt, wenn
er in den Multiplikatorenkreis eingeschaltet wird. Um leicht und allgemein ver-
ständliche Angaben über den Ort des auf die Bäusche aufgelegten Muskelstückes
machen zu können, denkt man sich auch den Muskel als einen Cylinder, und nennt
die der Längsausdehnung der Röhren entsprechende Seite den Längsschnitt, die seine
Länge halbirende Linie den Aequator, und die senkrecht auf die Längsausdehnung
gehende Richtung den Querschnitt, welcher den Namen des natürlichen führt, wenn
er noch mit der Sehne in Verbindung ist, so dass diese eigentlich als Fortsatz des
stumpfen Muskelendes den natürlichen Querschnitt vorstellt; künstlicher Querschnitt
heisst dagegen der senkrecht gegen die Längsausdehnung geführte Schnitt, welcher
das rothe Fleisch blosslegt.

Der Multiplikator ergibt unter der Voraussetzung gleicher Spann-
weite des ableitenden Bogens, dass auch ein Muskel durch den Draht
Ströme in der Richtung von der Oberfläche zum Querschnitt sendet
und dass je nach der Auflegung des Muskels sogenannte unwirksame,
schwache und starke Combinationen vorkommen, oder mit andern
Worten, dass bei Auflegung gewisser Muskelstellen gar keine, bei
Auflegung anderer, schwache, und bei Auflegung noch anderer, starke
Ablenkungen der Nadeln erwirkt werden.

Der Muskel schickt nämlich gerade wie der Nerv keinen Strom
durch den Multiplikator, wenn er mit zwei Punkten auf den Bäuschen
ruht, die symmetrisch zum Aequator liegen, gleichgiltig ob diese

Verlängerter Zustand des Muskelrohrs. Elektrische Eigenschaften.
objekte wählte, weil sie weniger rasch veränderliche Apparate dar-
stellen, als die der warmblütigen Thiere.

A. Verlängerter Zustand des Muskelrohrs.

In verlängertem Zustand ist der Muskel mit besonderen elektri-
schen, elastischen, chemischen Eigenschaften und einer spezifischen
Form begabt.

1. Elektrische Eigenschaften. Aufschlüsse, welche uns
über die merkwürdigen elektrischen Eigenschaften des Muskels zu
Theil geworden sind, verdanken wir den auch hier ausserordentlichen
Leistungen von du Bois. Die Methoden, mittelst deren er die elektri-
schen Eigenschaften des Muskels untersucht, sind dieselben, die er
bei der Aufdeckung der gleichen Verhältnisse der Nerven anwendete.
Er bedient sich des Multiplikators und des stromprüfenden Frosch-
schenkels.

Der Multiplikator dient ihm abermals dazu, das Vorhandensein, das Wachsen,
Sinken und die Richtung der im Muskel vorhandenen Ströme anzuzeigen. Da aber
die Muskeln viel kräftigere Ströme nach aussen senden, als die Nerven, so ist es ge-
boten, hier ein Werkzeug von einer viel geringeren Zahl, von höchstens 4000 bis
6000 Windungen anzuwenden. Im Uebrigen ist aber die Einrichtung dieses Multipli-
kators ganz dieselbe, welche demjenigen für den Nervenstrom zukömmt; hier wie
dort münden die Drahtenden in Platinplatten aus, welche am oberen Ende gefirnisst,
am unteren mit einer Hülle von Fliesspapier überzogen sind, und eben so tauchen
sie in eine gesättigte Kochsalzlösung. In den beiden Gefässen, welche die Kochsalz-
lösung enthalten, liegt ausserdem der bekannte Zuleitungsbausch. Um den Kreis
fortwährend elektrisch gleichartig zu erhalten, werden beide Zuleitungsbäusche
durch den Schliessungsbausch überbrückt, und ihre freien Enden werden jedesmal
mit Eiweisshäutchen überkleidet, auf die der Muskel zu liegen kommt, wenn
er in den Multiplikatorenkreis eingeschaltet wird. Um leicht und allgemein ver-
ständliche Angaben über den Ort des auf die Bäusche aufgelegten Muskelstückes
machen zu können, denkt man sich auch den Muskel als einen Cylinder, und nennt
die der Längsausdehnung der Röhren entsprechende Seite den Längsschnitt, die seine
Länge halbirende Linie den Aequator, und die senkrecht auf die Längsausdehnung
gehende Richtung den Querschnitt, welcher den Namen des natürlichen führt, wenn
er noch mit der Sehne in Verbindung ist, so dass diese eigentlich als Fortsatz des
stumpfen Muskelendes den natürlichen Querschnitt vorstellt; künstlicher Querschnitt
heisst dagegen der senkrecht gegen die Längsausdehnung geführte Schnitt, welcher
das rothe Fleisch blosslegt.

Der Multiplikator ergibt unter der Voraussetzung gleicher Spann-
weite des ableitenden Bogens, dass auch ein Muskel durch den Draht
Ströme in der Richtung von der Oberfläche zum Querschnitt sendet
und dass je nach der Auflegung des Muskels sogenannte unwirksame,
schwache und starke Combinationen vorkommen, oder mit andern
Worten, dass bei Auflegung gewisser Muskelstellen gar keine, bei
Auflegung anderer, schwache, und bei Auflegung noch anderer, starke
Ablenkungen der Nadeln erwirkt werden.

Der Muskel schickt nämlich gerade wie der Nerv keinen Strom
durch den Multiplikator, wenn er mit zwei Punkten auf den Bäuschen
ruht, die symmetrisch zum Aequator liegen, gleichgiltig ob diese

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[316/0330] Verlängerter Zustand des Muskelrohrs. Elektrische Eigenschaften. objekte wählte, weil sie weniger rasch veränderliche Apparate dar- stellen, als die der warmblütigen Thiere. A. Verlängerter Zustand des Muskelrohrs. In verlängertem Zustand ist der Muskel mit besonderen elektri- schen, elastischen, chemischen Eigenschaften und einer spezifischen Form begabt. 1. Elektrische Eigenschaften. Aufschlüsse, welche uns über die merkwürdigen elektrischen Eigenschaften des Muskels zu Theil geworden sind, verdanken wir den auch hier ausserordentlichen Leistungen von du Bois. Die Methoden, mittelst deren er die elektri- schen Eigenschaften des Muskels untersucht, sind dieselben, die er bei der Aufdeckung der gleichen Verhältnisse der Nerven anwendete. Er bedient sich des Multiplikators und des stromprüfenden Frosch- schenkels. Der Multiplikator dient ihm abermals dazu, das Vorhandensein, das Wachsen, Sinken und die Richtung der im Muskel vorhandenen Ströme anzuzeigen. Da aber die Muskeln viel kräftigere Ströme nach aussen senden, als die Nerven, so ist es ge- boten, hier ein Werkzeug von einer viel geringeren Zahl, von höchstens 4000 bis 6000 Windungen anzuwenden. Im Uebrigen ist aber die Einrichtung dieses Multipli- kators ganz dieselbe, welche demjenigen für den Nervenstrom zukömmt; hier wie dort münden die Drahtenden in Platinplatten aus, welche am oberen Ende gefirnisst, am unteren mit einer Hülle von Fliesspapier überzogen sind, und eben so tauchen sie in eine gesättigte Kochsalzlösung. In den beiden Gefässen, welche die Kochsalz- lösung enthalten, liegt ausserdem der bekannte Zuleitungsbausch. Um den Kreis fortwährend elektrisch gleichartig zu erhalten, werden beide Zuleitungsbäusche durch den Schliessungsbausch überbrückt, und ihre freien Enden werden jedesmal mit Eiweisshäutchen überkleidet, auf die der Muskel zu liegen kommt, wenn er in den Multiplikatorenkreis eingeschaltet wird. Um leicht und allgemein ver- ständliche Angaben über den Ort des auf die Bäusche aufgelegten Muskelstückes machen zu können, denkt man sich auch den Muskel als einen Cylinder, und nennt die der Längsausdehnung der Röhren entsprechende Seite den Längsschnitt, die seine Länge halbirende Linie den Aequator, und die senkrecht auf die Längsausdehnung gehende Richtung den Querschnitt, welcher den Namen des natürlichen führt, wenn er noch mit der Sehne in Verbindung ist, so dass diese eigentlich als Fortsatz des stumpfen Muskelendes den natürlichen Querschnitt vorstellt; künstlicher Querschnitt heisst dagegen der senkrecht gegen die Längsausdehnung geführte Schnitt, welcher das rothe Fleisch blosslegt. Der Multiplikator ergibt unter der Voraussetzung gleicher Spann- weite des ableitenden Bogens, dass auch ein Muskel durch den Draht Ströme in der Richtung von der Oberfläche zum Querschnitt sendet und dass je nach der Auflegung des Muskels sogenannte unwirksame, schwache und starke Combinationen vorkommen, oder mit andern Worten, dass bei Auflegung gewisser Muskelstellen gar keine, bei Auflegung anderer, schwache, und bei Auflegung noch anderer, starke Ablenkungen der Nadeln erwirkt werden. Der Muskel schickt nämlich gerade wie der Nerv keinen Strom durch den Multiplikator, wenn er mit zwei Punkten auf den Bäuschen ruht, die symmetrisch zum Aequator liegen, gleichgiltig ob diese

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/330>, abgerufen am 22.11.2024.