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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Brustdrüse; Drüsensaft der Schwangern.

Am zweiten Tage nach der Geburt war erst das Eiweiss verschwun-
den und der Saft hatte die Eigenschaften der Milch angenommen. Eine
Vergleichung der einzelnen Tage lehrt, dass bis zur Geburt, den letzten
wegen der Nahrung nicht mehr vergleichbaren Tag ausgenommen, die
Butter im Abnehmen und das Eiweiss im Steigen begriffen war; Zucker,
Salze und Wasser variirten dagegen wenig, oder mindestens ohne Re-
gel. -- Van Bueren fand den Drüsensaft stark alkalisch, gelblich,
eiweissfrei und dafür casein- und stark fetthaltig und neben den Colo-
strumkügelchen mit feinkörnigem Fett erfüllte Epithelialzellen. -- Simon,
welcher den Drüsensaft der Eselinnen untersuchte, erhielt 14 und 8 Tage
vor der Geburt eine Flüssigkeit, welche Albumin, Casein, Butter und
nur Spuren von Zucker enthielt. -- Die Säfte des Kuheuters schliessen
sich nach den Beobachtungen von Lassaigne, Moleschott und
Clemm an die der menschlichen Brustdrüsen, insofern sie nur Ei-
weiss und kein Casein führen, dagegen waren sie sehr rahmhaltig.

Alle Neugeborenen *), männliche und weibliche, sondern aus der Brustdrüse
einige Tage nach der Geburt einen Saft, die Hexenmilch, ab; sie enthält nach
Schlossberger und Guillot Milchkügelchen und nach Donne auch Colostrumkör-
perchen. Schlossberger, der ein solches Produkt analysirte, fand in 100 Theilen
Wasser = 96,75; Fett = 0,82; Casein, Extrakte und Zucker = 2,38; Asche =
0,5. Sie verhält sich nach diesem Analytiker wie gewässerte Milch.

Bei erwachsenen Männern **) und männlichen Säugethieren stellt sich in sehr sel-
tenen Fällen ohne nachweisbare Ursachen Milchabsonderung ein. Schlossberger
zerlegte die Milch eines Bockes; diese war um einige Prozent reicher an Casein und
um mehr ärmer an Milchzucker und Butter, als es die Ziegenmilch nach den vorlie-
geuden Untersuchungen von Chevalier, Clemm und Henry ist.

3. Die Absonderungsgeschwindigkeit der einzelnen Milchstoffe ist
unabhängig von einander, wie sie sich aus der relativen Zusammen-
setzung der Milch ergiebt; über die Bedingungen ihrer Beschleuni-
gung ist uns aber noch gar nichts bekannt. Die Absonderungsgeschwin-
digkeit im Ganzen steht in nachweislicher Beziehung zur Häufigkeit der
Entleerung. Daraus leiten wir ab, dass die Milch verschwindet, wenn
sie gar nicht mehr entleert wird, dass die mittlere tägliche Menge zu-
nimmt mit dem steigenden Alter, resp. der wachsenden Saugkraft des Kindes.
Ob das Saugen aber allein durch die Entleerung der Drüsen wirkt, muss
dahin gestellt bleiben, wenn es richtig ist, dass man durch dasselbe eine
monatelang unterdrückte Absonderung wieder hergestellt hatte (Gub-
ler
) ***). -- Nach Bestimmungen mit einer Saugpumpe schätzt Lam-
perierre
+) die tägliche mittlere Milchmenge aus beiden Brüsten auf
1350 Gr.

*) Scanzoni, Würzburger Verhandlungen. II. Bd. p. 300. -- Schlossberger, Liebig's An-
nalen. 87. Bd. 324. -- Natalis Guillot, Gazette medicale. 1853. p. 686. -- Van Bueren,
l. c. p. 153.
**) Schlossberger, Liebig's Annalen. 51. Bd. -- Donders, Onderzoekingen gedaan in het
Laboratorium etc. 1848--49. p. 153. -- Todd, Cyclopaedea. Artikel Secretio. IV. 465.
***) Valentin, Jahresbericht für 1852. 221.
+) Lehmann, Physiologische Chemie. II. Bd. p. 338 u. 326.
Brustdrüse; Drüsensaft der Schwangern.

Am zweiten Tage nach der Geburt war erst das Eiweiss verschwun-
den und der Saft hatte die Eigenschaften der Milch angenommen. Eine
Vergleichung der einzelnen Tage lehrt, dass bis zur Geburt, den letzten
wegen der Nahrung nicht mehr vergleichbaren Tag ausgenommen, die
Butter im Abnehmen und das Eiweiss im Steigen begriffen war; Zucker,
Salze und Wasser variirten dagegen wenig, oder mindestens ohne Re-
gel. — Van Bueren fand den Drüsensaft stark alkalisch, gelblich,
eiweissfrei und dafür casein- und stark fetthaltig und neben den Colo-
strumkügelchen mit feinkörnigem Fett erfüllte Epithelialzellen. — Simon,
welcher den Drüsensaft der Eselinnen untersuchte, erhielt 14 und 8 Tage
vor der Geburt eine Flüssigkeit, welche Albumin, Casein, Butter und
nur Spuren von Zucker enthielt. — Die Säfte des Kuheuters schliessen
sich nach den Beobachtungen von Lassaigne, Moleschott und
Clemm an die der menschlichen Brustdrüsen, insofern sie nur Ei-
weiss und kein Casein führen, dagegen waren sie sehr rahmhaltig.

Alle Neugeborenen *), männliche und weibliche, sondern aus der Brustdrüse
einige Tage nach der Geburt einen Saft, die Hexenmilch, ab; sie enthält nach
Schlossberger und Guillot Milchkügelchen und nach Donnè auch Colostrumkör-
perchen. Schlossberger, der ein solches Produkt analysirte, fand in 100 Theilen
Wasser = 96,75; Fett = 0,82; Casein, Extrakte und Zucker = 2,38; Asche =
0,5. Sie verhält sich nach diesem Analytiker wie gewässerte Milch.

Bei erwachsenen Männern **) und männlichen Säugethieren stellt sich in sehr sel-
tenen Fällen ohne nachweisbare Ursachen Milchabsonderung ein. Schlossberger
zerlegte die Milch eines Bockes; diese war um einige Prozent reicher an Casein und
um mehr ärmer an Milchzucker und Butter, als es die Ziegenmilch nach den vorlie-
geuden Untersuchungen von Chevalier, Clemm und Henry ist.

3. Die Absonderungsgeschwindigkeit der einzelnen Milchstoffe ist
unabhängig von einander, wie sie sich aus der relativen Zusammen-
setzung der Milch ergiebt; über die Bedingungen ihrer Beschleuni-
gung ist uns aber noch gar nichts bekannt. Die Absonderungsgeschwin-
digkeit im Ganzen steht in nachweislicher Beziehung zur Häufigkeit der
Entleerung. Daraus leiten wir ab, dass die Milch verschwindet, wenn
sie gar nicht mehr entleert wird, dass die mittlere tägliche Menge zu-
nimmt mit dem steigenden Alter, resp. der wachsenden Saugkraft des Kindes.
Ob das Saugen aber allein durch die Entleerung der Drüsen wirkt, muss
dahin gestellt bleiben, wenn es richtig ist, dass man durch dasselbe eine
monatelang unterdrückte Absonderung wieder hergestellt hatte (Gub-
ler
) ***). — Nach Bestimmungen mit einer Saugpumpe schätzt Lam-
perièrre
†) die tägliche mittlere Milchmenge aus beiden Brüsten auf
1350 Gr.

*) Scanzoni, Würzburger Verhandlungen. II. Bd. p. 300. — Schlossberger, Liebig’s An-
nalen. 87. Bd. 324. — Natalis Guillot, Gazette medicale. 1853. p. 686. — Van Bueren,
l. c. p. 153.
**) Schlossberger, Liebig’s Annalen. 51. Bd. — Donders, Onderzoekingen gedaan in het
Laboratorium etc. 1848—49. p. 153. — Todd, Cyclopaedea. Artikel Secretio. IV. 465.
***) Valentin, Jahresbericht für 1852. 221.
†) Lehmann, Physiologische Chemie. II. Bd. p. 338 u. 326.
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[295/0311] Brustdrüse; Drüsensaft der Schwangern. Am zweiten Tage nach der Geburt war erst das Eiweiss verschwun- den und der Saft hatte die Eigenschaften der Milch angenommen. Eine Vergleichung der einzelnen Tage lehrt, dass bis zur Geburt, den letzten wegen der Nahrung nicht mehr vergleichbaren Tag ausgenommen, die Butter im Abnehmen und das Eiweiss im Steigen begriffen war; Zucker, Salze und Wasser variirten dagegen wenig, oder mindestens ohne Re- gel. — Van Bueren fand den Drüsensaft stark alkalisch, gelblich, eiweissfrei und dafür casein- und stark fetthaltig und neben den Colo- strumkügelchen mit feinkörnigem Fett erfüllte Epithelialzellen. — Simon, welcher den Drüsensaft der Eselinnen untersuchte, erhielt 14 und 8 Tage vor der Geburt eine Flüssigkeit, welche Albumin, Casein, Butter und nur Spuren von Zucker enthielt. — Die Säfte des Kuheuters schliessen sich nach den Beobachtungen von Lassaigne, Moleschott und Clemm an die der menschlichen Brustdrüsen, insofern sie nur Ei- weiss und kein Casein führen, dagegen waren sie sehr rahmhaltig. Alle Neugeborenen *), männliche und weibliche, sondern aus der Brustdrüse einige Tage nach der Geburt einen Saft, die Hexenmilch, ab; sie enthält nach Schlossberger und Guillot Milchkügelchen und nach Donnè auch Colostrumkör- perchen. Schlossberger, der ein solches Produkt analysirte, fand in 100 Theilen Wasser = 96,75; Fett = 0,82; Casein, Extrakte und Zucker = 2,38; Asche = 0,5. Sie verhält sich nach diesem Analytiker wie gewässerte Milch. Bei erwachsenen Männern **) und männlichen Säugethieren stellt sich in sehr sel- tenen Fällen ohne nachweisbare Ursachen Milchabsonderung ein. Schlossberger zerlegte die Milch eines Bockes; diese war um einige Prozent reicher an Casein und um mehr ärmer an Milchzucker und Butter, als es die Ziegenmilch nach den vorlie- geuden Untersuchungen von Chevalier, Clemm und Henry ist. 3. Die Absonderungsgeschwindigkeit der einzelnen Milchstoffe ist unabhängig von einander, wie sie sich aus der relativen Zusammen- setzung der Milch ergiebt; über die Bedingungen ihrer Beschleuni- gung ist uns aber noch gar nichts bekannt. Die Absonderungsgeschwin- digkeit im Ganzen steht in nachweislicher Beziehung zur Häufigkeit der Entleerung. Daraus leiten wir ab, dass die Milch verschwindet, wenn sie gar nicht mehr entleert wird, dass die mittlere tägliche Menge zu- nimmt mit dem steigenden Alter, resp. der wachsenden Saugkraft des Kindes. Ob das Saugen aber allein durch die Entleerung der Drüsen wirkt, muss dahin gestellt bleiben, wenn es richtig ist, dass man durch dasselbe eine monatelang unterdrückte Absonderung wieder hergestellt hatte (Gub- ler) ***). — Nach Bestimmungen mit einer Saugpumpe schätzt Lam- perièrre †) die tägliche mittlere Milchmenge aus beiden Brüsten auf 1350 Gr. *) Scanzoni, Würzburger Verhandlungen. II. Bd. p. 300. — Schlossberger, Liebig’s An- nalen. 87. Bd. 324. — Natalis Guillot, Gazette medicale. 1853. p. 686. — Van Bueren, l. c. p. 153. **) Schlossberger, Liebig’s Annalen. 51. Bd. — Donders, Onderzoekingen gedaan in het Laboratorium etc. 1848—49. p. 153. — Todd, Cyclopaedea. Artikel Secretio. IV. 465. ***) Valentin, Jahresbericht für 1852. 221. †) Lehmann, Physiologische Chemie. II. Bd. p. 338 u. 326.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/311>, abgerufen am 21.11.2024.